Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.01.2017, Az. I R 81/15

1. Senat | REWIS RS 2017, 16902

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Gegenstand

Gewerbesteuerpflicht einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft vor ihrer Eintragung ins Handelsregister


Leitsatz

Eine vermögensverwaltend tätige Kapitalgesellschaft unterliegt vor ihrer Eintragung in das Handelsregister (sog. Vorgesellschaft) der Gewerbesteuer, wenn sie in dem Zeitraum zwischen Gründung und Handelsregistereintragung (vermögensverwaltende) Tätigkeiten entfaltet, die über den Kreis bloßer Vorbereitungshandlungen hinausgehen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. September 2015  10 K 2178/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist der Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht im Jahre 2010 (Streitjahr).

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, die eigenes Vermögen (auch Immobilien) verwaltet, wurde mit notariellem Vertrag vom Dezember 2010 errichtet (Sachgründung) und am [X.]. Januar 2011 im Handelsregister eingetragen. Die beiden zu jeweils 50 % beteiligten Gesellschafter ([X.] und [X.]) hatten ihre Geschäftsanteile an der [X.], an der sie ebenfalls zu je 50 % beteiligt waren, im Wege des [X.] zu Buchwerten gemäß § 21 des Umwandlungssteuergesetzes eingebracht. In der Gesellschafterversammlung der [X.] vom 27. Dezember 2010 hat die Klägerin als Gesellschafterin eine Gewinnausschüttung in Höhe von insgesamt ... € beschlossen. Nach Abzug der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags wurde der Klägerin am 28. Dezember 2010 auf einem Bankkonto ein Betrag in Höhe von ... € gutgeschrieben.

3

Die Ausschüttung wurde wie folgt verwendet: Aufgrund mündlicher Vereinbarungen vom 27. Dezember 2010 (jeweils schriftlich bestätigt am 25. März 2015) gewährte die Klägerin ihren Gesellschaftern Darlehen zur Immobilienfinanzierung (Umschuldung) von ... € (Überweisung am 28. Dezember 2010). Darüber hinaus wurde aufgrund mündlicher Vereinbarung vom 20. Januar 2011 (ebenfalls schriftlich bestätigt am 25. März 2015) einer derselben Firmengruppe angehörenden [X.] ein Darlehen in Höhe von ... € gewährt (Auszahlung am 20. Januar 2011). Nach den schriftlichen Verträgen vom 25. März 2015 werden die Gesellschafterdarlehen mit jeweils 2,75 % p.a. verzinst, das Darlehen an die [X.] mit 3,5 % p.a. Die Darlehen können von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Regelmäßige Tilgungsleistungen waren nicht bestimmt, lediglich Sondertilgungen konnten jederzeit geleistet werden. [X.] wurden weitere Gesellschafterdarlehen zur Finanzierung von Immobilien an [X.] in Höhe von ... € und an [X.] in Höhe von ... € sowie an die Mutter der Gesellschafter in Höhe von ... € gewährt. Der Stand der Gesellschafterdarlehen belief sich laut Bilanz zum 31. Dezember 2011 auf rund ... € und zum 31. Dezember 2012 auf rund ... €. Im Streitjahr fielen (abgesehen von der Zahlung von Kontoführungsgebühren und Notariatskosten) keine weiteren Geschäftstätigkeiten der Klägerin an.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) setzte für das Streitjahr einen Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung der Gewinnausschüttungen fest. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Festsetzung aufgehoben ([X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 2015  10 K 2178/12, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2016, 1184).

5

Das [X.] beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin ist im Verfahren nicht i.S. § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) vertreten.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Das [X.] hat die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Klägerin für das Streitjahr zu Unrecht verneint.

8

1. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Klägerin (§ 2 Abs. 1 Satz 1, 2 und Abs. 2 Satz 1 des [X.]) bestand bereits in dem Zeitpunkt, in dem sie die Gewinnausschüttung erzielte, und damit im Streitjahr.

9

a) Obwohl eine GmbH "als solche" erst mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--), unterliegt bereits die [X.], d.h. die Kapitalgesellschaft nach Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages, aber vor Eintragung (z.B. Senatsurteile vom 18. Juli 1990 I R 98/87, [X.], 107, [X.] 1990, 1073; vom 14. Oktober 1992 I R 17/92, [X.], 343, [X.] 1993, 352; Urteil des [X.] --BFH-- vom 18. März 2010 IV R 88/06, [X.], 519, [X.] 2010, 991), der Gewerbesteuer, vorausgesetzt, dass die Registereintragung nachfolgt und die [X.] eine nach außen in Erscheinung tretende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen hat (so BFH-Urteil vom 8. April 1960 III 129/57 U, [X.], 190, [X.]I 1960, 319; dem folgend Senatsurteile vom 16. Februar 1977 I R 244/74, [X.], 130, [X.] 1977, 561; in [X.], 107, [X.] 1990, 1073; s.a. R 2.5 Abs. 2 Satz 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009 --[X.]--). Die nach außen tätig gewordene [X.] bildet mit der später eingetragenen Kapitalgesellschaft einen einheitlichen Steuergegenstand (BFH-Urteil in [X.], 190, [X.]I 1960, 319; Senatsurteil in [X.], 107, [X.] 1990, 1073; zustimmend z.B. [X.]/[X.], § 2 [X.] Rz 241; [X.], [X.], § 2 Rz 3084; Güroff in Glanegger/Güroff, [X.], 8. Aufl., § 2 Rz 470; [X.]/[X.], Betriebs-Berater --BB-- 2013, 926, 929; s.a. zur Körperschaftsteuer das Senatsurteil in [X.], 343, [X.] 1993, 352, und z.B. [X.], [X.], 2016, S. 120 ff.).

b) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] gilt als Gewerbebetrieb "stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften". Da die sachliche Steuerpflicht der Klägerin als Kapitalgesellschaft (nach der Handelsregistereintragung) damit die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit umfasst, auch wenn die Voraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes) nicht vorliegen, muss dies mit Blick auf den einheitlichen Steuergegenstand auch für eine geschäftliche Tätigkeit der [X.] gelten (allgemein auf "Geschäftshandlungen" bzw. "Geschäftstätigkeit" abzielend auch [X.] in Bergemann/[X.], [X.], § 2 Rz 183; [X.]/[X.], [X.], § 2 Rz 323; [X.] in [X.]/[X.]/Schnitter, Gewerbesteuer, 15. Aufl., S. 416; wohl auch [X.]/[X.], BB 2013, 926, 929 [mit Verweis auf R 2.5 Abs. 2 Satz 3 [X.]]). Entgegen der Ansicht des [X.] müssen die Voraussetzungen einer "originär" gewerblichen Tätigkeit nicht vorliegen. Soweit aus dem Senatsurteil in [X.], 107, [X.] 1990, 1073, nach dem eine Tätigkeit "als geschäftlich anzusehen ist, wenn der Steuerpflichtige ihr nachhaltig, mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nachgeht", abgeleitet worden ist, dass eine [X.] stets die Voraussetzungen einer originär gewerblichen Tätigkeit erfüllt, hält der Senat hieran nicht fest. Allerdings liegt eine die sachliche Steuerpflicht auslösende geschäftliche Tätigkeit nicht schon in solchen Tätigkeiten, die von der [X.] entfaltet werden, um die in Gang gesetzte Gründung der juristischen Person abzuschließen. Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Gründung der Kapitalgesellschaft stehen, sind als Vorbereitungshandlungen anzusehen (s. insoweit die ebenfalls die Entscheidung tragende Überlegung im Senatsurteil in [X.], 107, [X.] 1990, 1073, dort zu Rz 29 des [X.]), die nach allgemeinen Grundsätzen für den gewerbesteuerrechtlichen Steuergegenstand (s. zuletzt --bezogen auf eine Personengesellschaft-- BFH-Urteil vom 12. Mai 2016 IV R 1/13, [X.], 65) noch nicht relevant sind, sondern vielmehr nur die steuerrelevante Tätigkeit ermöglichen (in diese Richtung ebenfalls [X.], a.a.[X.], § 2 Rz 3083; [X.][X.] in [X.]/[X.], [X.]/[X.]/[X.], § 2 [X.] Rz 140; [X.] in [X.]/[X.]/Schnitter, a.a.[X.], [X.]). Insoweit hat der Senat in seinem Urteil in [X.], 107, [X.] 1990, 1073 weder in der Einzahlung des Stammkapitals durch die Gründer auf ein für die dortige Klägerin eingerichtetes Bankkonto noch in der verzinslichen Anlage des Stammkapitals bis zu ihrer Eintragung ins Handelsregister eine (nachhaltige) geschäftliche Tätigkeit der Gesellschaft angenommen. Daran ist festzuhalten.

c) Im Streitfall ging die Tätigkeit der Klägerin über diesen gründungsbezogenen Zusammenhang, der durch die Annahme und --entsprechend der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1 GmbHG)-- die Sicherung bzw. wirtschaftliche Anlage der [X.] gekennzeichnet ist, hinaus, so dass die Gewerbesteuerpflicht schon vor der Handelsregistereintragung eingesetzt hat.

aa) Nach den Feststellungen des [X.] hat die Klägerin als Gesellschafterin der [X.] einen Ausschüttungsbeschluss gefasst und anschließend die hierdurch erlangten Mittel im Darlehenswege an ihre Gesellschafter und nahestehende Personen ausgereicht. Indem die Klägerin ihre durch [X.] erlangte Gesellschafterstellung bei der [X.] zum Zwecke der Ausschüttung und damit zur Liquiditätsverschaffung genutzt hat, hat sie --auch gegenüber [X.] eine ihrem Geschäftszweck (dem Halten und Verwalten eigenen Vermögens) entsprechende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen (gl.[X.], E[X.] 2016, 1190, 1191). Der Ausschüttungsbeschluss überschreitet das Gründungsstadium der Klägerin und stellt sich auch nicht als einlagesichernde Maßnahme dar; er ist vielmehr Ausgangspunkt für die weitere satzungsmäßige Tätigkeit der Klägerin (Darlehensvergabe), mag sie sich auch tatsächlich auf Gesellschafter und nahestehende Personen beschränkt haben.

bb) Entgegen der Ansicht des [X.] wird hierdurch der Beginn der Gewerbesteuerpflicht bei einer rein vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft nicht generell vorverlagert. Geboten ist allerdings die Unterscheidung, ob die vermögensverwaltenden Tätigkeiten durch die Gesellschaftsgründung veranlasst sind oder mit ihnen geschäftliche Tätigkeiten gegenüber [X.] aufgenommen wurden.

2. Die Höhe der Festsetzung ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit, so dass weitere Ausführungen in diesem Zusammenhang nicht erforderlich sind.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

I R 81/15

24.01.2017

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 28. September 2015, Az: 10 K 2178/12, Urteil

§ 2 Abs 1 GewStG 2002, § 2 Abs 2 S 1 GewStG 2002, § 15 Abs 2 EStG 2009, § 11 Abs 1 GmbHG, GewStG VZ 2010, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.01.2017, Az. I R 81/15 (REWIS RS 2017, 16902)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16902

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