Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2017, Az. 5 StR 445/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11978

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:260417U5STR445.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 445/16

vom
26. April 2017
in der Strafsache
gegen

wegen Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 26. Ap-ril
2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter [X.],

[X.] [X.],
Richterin Dr. [X.],
[X.],
[X.] Dr. Mosbacher

als beisitzende Richter,

[X.] beim [X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt T.

als Verteidiger,

Rechtsanwältin W.

als Vertreterin der
Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:

Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des [X.] vom 7. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkam-mer des [X.]s zurückverwiesen.

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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen,
jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und in einem Fall in weiterer
Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, freige-sprochen. Hiergegen wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer auf [X.] sowie die Sachrüge gestützten Revision. Das vom [X.] hinsichtlich der Sachrüge vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

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I.
1. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, seine damals sechsjährige Stieftochter L.

in den Wochen vor dem 20. November 2013 in fünf Fällen in [X.] bzw. im [X.] des von ihnen bewohnten Hauses dazu gebracht zu haben, an
ihm den Oralverkehr zu vollziehen. Im Zusammenhang mit einer dieser Taten soll der Angeklagte der Nebenklägerin auch [X.] mit pornogra-phischem Inhalt, insbesondere Oralverkehr, gezeigt haben.
2. Die [X.] hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten begangen hat.
a) Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen äußerte die Nebenklägerin gegenüber ihrer Mutter am 19. November 2013, nachdem diese die Anwesenheit eines Mannes in der [X.] bezeichnete sie den Angeklagten, habe ihr aber aufgegeben, davon nichts zu sagen. Auf Nachfrage ihrer Mutter erzählte L.

or kurzem in [X.] sowie im [X.] gefragt habe, ob sie seinen Penis se-hen wolle; dann habe er seine Hose ausgezogen. Anschließend habe L.

sich die Hand vor den Mund gehalten, den Kopf vor-
und zurückbewegt und erzählt, dass sie dies gemacht h
n-abend besucht.
Nachdem die Mutter der Nebenklägerin ihre Familienhelferin davon in-formiert hatte, dass der Angeklagte ihre Tochter sexuell missbraucht habe, wurde L.

am 21. November 2013 von einem Polizeibeamten vernommen. In dieser audiovisuell aufgezeichneten Vernehmung gab die Nebenklägerin, die 2
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zunächst nichts zu den Tatvorwürfen sagen wollte, an, sie habe beim Angeklag-ten mehrfach den Oralverkehr ausgeführt. [X.] sei in [X.] gewesen; im [X.] habe sie zum [X.] den Penis des Angeklagten mit einer Art Damenstrumpf bedeckt. Zudem habe der Angeklagte ihr auf seinem Handy ein Video gezeigt, in dem eine Frau bei [X.] das getan habe, was sie beim Angeklagten gemacht habe.
Bei der ebenfalls audiovisuell aufgezeichneten ermittlungsrichterlichen Vernehmung mehr als acht Monate später schilderte die Nebenklägerin in An-wesenheit der aussagepsychologischen Sachverständigen unter anderem, dass sie zwei-
bis fünfmal den Oralverkehr am Angeklagten ausgeführt habe; sie glaube, dass es ein-
oder zweimal im [X.] und [X.] in [X.] ge-wesen sei. Der Angeklagte habe ihr in diesem Zusammenhang [X.] gezeigt, in denen eine Frau an [X.] den Oralverkehr ausgeführt habe. In einem Fall habe der Angeklagte auch eine Art Strumpf über seinen Penis gehabt.
b) Entgegen der Ansicht der Sachverständigen, die ausgeführt hat, dass aus aussagepsychologischer Sicht hinsichtlich dreier Fälle des [X.] ist das [X.] zu der Einschätzung gelangt, dass die Angaben der Neben-klägerin, die in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, aber die Verwertung ihrer früheren Angaben gestattet hat,
Nebenklägerin geschilderte Geschehen in eine konkrete Lebenssituation einge-dass die sexuell noch nicht aufgeklärte Nebenklägerin das geschilderte Ge-
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tät und Qualität der Angaben der Nebenklägerin, der schwankenden Häufig-keitsangaben sowie einer Aussageerweiterung könne in der hier vorliegenden -gegen-Aussage-

Beweiswert der früheren Aussagen der Nebenklägerin angesichts der nicht möglichen konfrontativen Befragung gegenüber einer unmittelbaren Aussage in um jemals eine Verurtei-

II.
1. Die Revision der Nebenklägerin hat bereits mit der Verfahrensrüge [X.], mit der sie die Verletzung von § 261 StPO beanstandet. Das [X.] hat sich durch das Unterlassen der Erörterung in die Hauptverhandlung einge-führter Beweiserkenntnisse zu pornographischen Videodateien auf dem [X.] des Angeklagten nicht mit allen erhobenen Beweisen auseinanderge-setzt und daher seine Überzeugung nicht aus dem vollständigen Inhalt der Be-weisaufnahme geschöpft.
a) [X.] ist den [X.] des §
344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend erhoben. Denn die den geltend ge-machten Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen sind bereits der [X.] selbst zu entnehmen und ihr mithin nicht lediglich als Anlage beigefügt (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2006

4 [X.]). Insbesondere teilt die Revisionsbegründung

zutreffend

mit, dass das [X.] über die Verwertung des Handys des Angeklagten in der [X.] verlesen wurde, wonach sich auf diesem 104 Bilder und neun

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eiterer [X.] bedurfte es nicht.
b) [X.] ist auch begründet.
aa) Aus dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) folgt mit dem [X.] die Verpflichtung des erkennenden Gerichts, den gesamten beigebrachten Verfahrensstoff erschöpfend zu würdi-gen. In den schriftlichen Urteilsgründen muss es dies

auch bei freisprechen-den Urteilen

erkennen lassen. Umstände, die geeignet sind, die gerichtliche Entscheidung wesentlich zu beeinflussen, dürfen nicht stillschweigend über-gangen werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung [X.] werden ([X.], Urteil vom 10. Juli 1980

4 StR 303/80, NJW 1980, 2423
f.; Beschluss vom 18. Juni 2008

2 [X.], [X.], 705, 706; LR-StPO/[X.], 26. Aufl., § 261 Rn. 14, 56 ff.).
bb) Dies zugrunde gelegt, hätte sich die [X.] in dem Urteil mit dem

dort nicht erwähnten

[X.] über die Auswertung des Mobiltele-fons
des Angeklagten auseinandersetzen müssen.
(1) Denn das [X.] hat festgestellt, dass die Nebenklägerin kon-stant angegeben hatte, der Angeklagte habe ihr im unmittelbaren [X.] mit den angeklagten Taten einen oder mehrere Videofilme vorgeführt, die [X.].

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(2) Es handelt sich bei dem Vorhandensein solcher pornographischer
[X.] auf dem Mobiltelefon des Angeklagten nicht um eine unbedeutende
Indiztatsache, der letztlich in der Gesamtheit der Beweiswürdigung kein erhebli-ches Gewicht beizumessen wäre.
Zwar stützt die [X.] den Freispruch des Angeklagten (auch) [X.] als Erlebtes bericht.

sich übertragen hat, um dem polizeilichen [X.]([X.]). Bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin nimmt die [X.] aber nicht hinreichend deren objektive Bestätigung da-hin in den Blick, dass auf dem Mobiltelefon des Angeklagten tatsächlich porno-graphische [X.] gespeichert waren, die Oralverkehr zum Inhalt haben, und diese Filme für ein Vorspielen in der von der Nebenklägerin geschilderten Tatsi-tuation tatsächlich zur Verfügung standen. Damit lässt die [X.] ein Beweisergebnis außer Betracht, dessen Aussagekraft über das von ihr gleich-sam unterstellte und nicht näher in den Kontext der vorgeworfenen Tathandlun-gen eingeordnete Ansehen pornographischer Filme durch die Nebenklägerin wesentlich hinausgeht.
(3) Vor diesem Hintergrund kann der [X.] nicht ausschließen, dass das Tatgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung unter Einbeziehung auch dieses Beweisergebnisses in die vorzunehmende Gesamtwürdigung die Überzeugung von einer Tatbegehung durch den Angeklagten gewonnen hätte. 14
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Hinzu kommt, dass das

u-

Vorspielen des [X.] eine Straftat nach § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB darstellen könnte.

Mutzbauer

[X.] [X.]

[X.] Mosbacher

Meta

5 StR 445/16

26.04.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2017, Az. 5 StR 445/16 (REWIS RS 2017, 11978)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11978

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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