Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2012, Az. IV ZR 39/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5408

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 39/11

Verkündet am:

20. Juni 2012

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

AVB Unfallversicherung (hier: [X.] 2002 [X.].1.1.1)

Die Fristenregelung in [X.] 2002 Nr.
2.1.1.1, nach der die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und geltend ge-macht sein muss, genügt auch unter Berücksichtigung des vorangestellten [X.] den Anforderungen des [X.].

[X.], Urteil vom 20. Juni 2012 -
IV ZR 39/11 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin
[X.], die Richterin [X.], die
Richter Dr.
Karczewski, Lehmann
und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 20.
Juni
2012

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin
gegen das Urteil des 10.
Zivil-senats des [X.]s Koblenz
vom 28.
Januar
2011
wird
auf ihre Kosten
zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine weitere Entschädigung aus einer Un-fallversicherung nach außergerichtlicher Regulierung durch die [X.].

Die Klägerin unterhält bei der [X.] eine private Unfallversi-cherung
zugunsten ihres [X.] als versicherter Person. Der [X.] liegen die [X.] 2002 der [X.] zugrunde. Darin heißt es im [X.] an die Überschrift "Der Versicherungsumfang"
unter anderem:

2. Welche Leistungsarten können vereinbart werden?

2.1 Invaliditätsleistung

Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, gilt:

1
2
-
3
-

2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung

2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähig-keit beeinträchtigt (Invalidität).

Die Invalidität ist

innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von ei-
nem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns
geltend gemacht worden.

"

Unter der nächsten Überschrift "Der Leistungsfall"
regelt Ziff. 7 "Was ist nach
einem Unfall zu beachten (Obliegenheiten)?", Ziff. 8 "[X.] Folgen hat die Nichtbeachtung von Obliegenheiten?"
und Ziff. 9 "Wann sind die Leistungen fällig?".

Den Bedingungen ist ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt, das die Überschriften der einzelnen Ziffern sowie die mehrere Ziffern
zusammen-fassenden
Überschriften wiedergibt.

Am 18. Mai 2004 erlitt der damals 17-jährige Versicherte einen Motorradunfall mit gravierenden Verletzungen am linken Bein, die eine mehrwöchige stationäre Heilbehandlung erforderten. Im weiteren Hei-lungsverlauf traten Komplikationen auf, die sich mit Unterbrechungen bis Februar 2006 hinzogen. In dem gesamten Zeitraum befand sich der [X.] in ambulanter Behandlung, unter anderem auch wegen einer streitigen posttraumatischen Belastungsstörung, deren Verdachtsdiagnose erstma-lig am 23.
Juli 2004 gestellt wurde.
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Die [X.] hat die Unfallfolgen außergerichtlich zuletzt auf der Grundlage einer dauernden Invalidität mit einer Funktionseinschränkung des linken Beines von 6/10

Mit der Klage hat die Klägerin eine weitergehende Invaliditätsent-schädigung mit der Behauptung begehrt, dass die Invalidität des Beines mit 8/10 [X.] zu bemessen sei und als zusätzliche Unfallfolge eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, die eine psychische Beein-trächtigung mit einem Invaliditätsgrad von 15% bewirke.

Das [X.] hat der Klägerin weitere 37.000

Verletzungsfolgen am Bein seien mit 6/10 [X.] zutreffend bewertet. Jedoch sei zusätzlich die geltend gemachte psychische Störung mit ei-nem Invaliditätsgrad von 15% zu entschädigen. Das [X.] hat die Klage auf die Berufung der [X.] insgesamt abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Anspruch hinsichtlich der psychischen Beeinträchtigungen scheitere schon daran, dass diese nicht innerhalb einer Frist von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von der Klägerin bei der [X.] gel-tend gemacht worden seien. Dass auch aufgrund psychischer Beein-trächtigungen eine Invalidität gegeben sein könnte, sei erst durch das von der [X.] in Auftrag gegebene Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. E.

vom 25.
Juni 2007 festgestellt worden, also mehr als drei Jahre nach dem Unfall und lange nach Ablauf der Frist von 15 6
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Monaten. Der [X.] sei es nicht nach [X.] und Glauben verwehrt, sich auf diese Frist zu berufen. Die Überschreitung des von ihr mit [X.]r Zielrichtung erteilten Auftrags durch den Sachverständigen müsse sie sich nicht zurechnen lassen.

Darüber hinaus greife die Ausschlussklausel in
Nr. 5.2.6 [X.] 2002 ein, nach der krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen vom Versicherungsschutz ausgenommen sind.

I[X.] Das
hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis
stand.
Das [X.] hat jedenfalls zu Recht erkannt, dass ein weiterer Anspruch der Klägerin wegen psychischer Unfallfolgen an der Nichteinhaltung der wirksam vereinbarten [X.] für die ärztliche Feststellung und Geltendmachung der Invalidität scheitert.

1. Die Frist
in Nr.
2.1.1.1 der [X.] 2002 der [X.] ist wirksam.
Der Inhalt der Regelung benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen [X.] von §
307 Abs.
1 BGB.

a) Weder ist sie mit Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar noch schränkt sie wesentliche, sich aus der Natur des [X.] ergebende Rechte oder Pflichten so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre, wie der [X.] be-reits für die inhaltlich identischen Vorgängerregelungen in §
7 [X.] 94 und § 7 [X.] 88 entschieden hat ([X.]surteile vom 19.
November 1997

IV ZR 348/96, [X.]Z 137, 174 und vom 23. Februar 2005
IV ZR 273/03, [X.]Z 162, 210).

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b) Ebenso wenig ist die Regelung intransparent [X.] von §
307 Abs.
1 Satz 2 BGB.

aa) Auch dies hat der [X.] für die Regelungen in §
7 [X.] 94 und §
7 [X.] 88 entschieden (aaO). Ungeklärt ist bislang allerdings, ob dies auch für eine Regelung wie in den hier vorliegenden [X.] 2002 der [X.] gilt, die insoweit den verbreiteten [X.] 99, [X.] 2000 und [X.] 2008 (abgedruckt z.B. bei [X.]/[X.], [X.]. [X.] ff.) ent-spricht.

bb) Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Regelung werden vor allem im Schrifttum geäußert (Knappmann in [X.]/[X.] aaO [X.] 2008 [X.] Rn. 8; [X.]. [X.], 485, 489; [X.]. [X.], 775, 776; [X.] in [X.]/Langheid, [X.]. § 179 Rn. 21; [X.] in [X.]/[X.], [X.] Ziff. 2.1 Rn.
28; [X.].
in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht 4. Aufl. § 16 Rn. 162; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 8 Rn. 98; [X.], [X.], 290, 294). Diese Bedenken beruhen darauf, dass die [X.] als solche zwar klar sei, aber aufgrund der Überschriften und des [X.] vom Versicherungsnehmer im Versicherungsfall nicht aufgefunden würde, da der durchschnittliche Versicherungsnehmer davon ausgehen müsse, alles über die ihn zur Wahrung seiner Ansprü-che treffenden Verpflichtungen in
[X.] zu finden, und keine Veranlas-sung habe, auch die
[X.].1.1.1 zu studieren. Allerdings sind Knapp-mann, [X.] und [X.] (jeweils aaO) der Auffassung, dass die hierdurch begründete Intransparenz unter der Geltung des neuen §
186 [X.] nicht mehr
zu einer Benachteiligung des Versicherungsnehmers
führen könne und die Klausel unter der Geltung des [X.] 2008 nicht un-wirksam sei (a.A. auch für das neue Recht [X.] aaO). Auf diesen Ge-14
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sichtspunkt kann es indessen hier nicht ankommen, weil für den Versi-cherungsfall aus dem Jahre 2004 noch insgesamt das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31.
Dezember 2007 geltenden Fas-sung
anzuwenden ist, Art. 1 Abs. 1 EG[X.].

Auch das [X.] Hamm hat mit der Begründung, das dem Bedingungswerk vorangestellte Inhaltsverzeichnis und die [X.] ließen eine solche Fristenregelung an dieser Stelle nicht vermu-ten, Zweifel an der Wirksamkeit der Regelung geäußert, die Frage aber letztlich als nicht entscheidungserheblich offen gelassen ([X.], 811).

cc) Anderer Auffassung ist
die überwiegende Rechtsprechung
([X.] [X.], 805 und [X.], 1487; [X.] [X.], 1484; [X.] [X.], 538 und [X.], 1384 mit zustimmender Anmerkung [X.]; [X.] 2009, 34). Sie stellt darauf ab, der durchschnittliche Versicherungsnehmer müsse und werde bei um Verständnis bemühter Lektüre des Klausel-werks erkennen, dass die Voraussetzungen für die Versicherungsleis-tung sowie
deren
Art und Höhe unter [X.].1 geregelt seien, während die [X.] und 8 ohne weiteres ersichtlich nicht die Voraussetzungen der Leistungspflicht des Versicherers regelten, sondern nur, wann ein an sich bestehender Anspruch wieder verloren gehen kann (so [X.] aaO S.
1485); der Versicherungsnehmer werde sich, wenn er sich nach einem Unfall anhand des Inhaltsverzeichnisses orientiere, im Falle der Invalidität auch unter der [X.] informieren, welche Ansprüche ihm in diesem Falle zustehen und dann auch auf die Fristenregelung stoßen (so [X.] [X.], 805, 806); bzw. er werde sich, wenn ein Dauerschaden in Betracht zu ziehen sei, mit den Voraussetzungen für 17
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eine Invaliditätsleistung befassen (so [X.] [X.], 1384, 1385).

Ferner wird argumentiert,
dass es dem durchschnittlichen [X.] zumutbar sei, den gesamten [X.]; es sei schon bei grober Durchsicht erkennbar, dass das vorab ab-gedruckte Inhaltsverzeichnis nicht abschließend sei; ohnehin werde er bei Geltendmachung
von Invaliditätsansprüchen die entsprechenden Klauseln studieren
([X.], [X.] G [X.] Rn. 12).

dd) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.

(1) Das Transparenzgebot verlangt vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass die Rechte und Pflichten des [X.] möglichst klar und durchschaubar dargestellt sind und die Klauseln darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann
([X.]surteile vom 26. September 2007
IV ZR
252/06, [X.], 1690 Rn. 16; vom 23. Februar 2005 aaO S. 213
f.
unter II 2; vom 8. Ok-tober 1997

IV ZR 220/96, [X.]Z 136, 394, 401). Eine Regelung ist [X.] auch dann intransparent, wenn sie etwa an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in [X.] zu bringen sind, oder wenn der Regelungsgehalt auf [X.] Weise durch die Verteilung auf mehrere Stellen verdunkelt wird (Se-natsurteil vom 23. Februar 2005 aaO S. 214).

(2) Diesem Prüfungsmaßstab hält die streitige Regelung stand. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Fristenregelung ge-trennt von den
in [X.] geregelten Obliegenheiten den Bestimmungen 19
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über den Umfang der Versicherung, hier in [X.],
zugeordnet worden ist. Es handelt sich
bei der Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität und Geltendmachung
um eine Anspruchsvoraussetzung, mit der Spät-schäden
im Interesse einer rationellen, arbeits-
und kostensparenden Abwicklung unabhängig von einer früheren Erkennbarkeit und einem Verschulden des Versicherungsnehmers
vom Versicherungsschutz aus-genommen werden sollen
([X.]surteile vom 7. März 2007

IV ZR
137/06, [X.], 1114 Rn.
10; vom 19. November 1997 aaO S.
177
unter 2 b, bb).
Systematisch gehört sie damit nicht zu den Obliegenhei-ten.

(3) Der Blick auf diese
Anspruchsvoraussetzung
wird dem durch-schnittlichen Versicherungsnehmer durch die den einzelnen Klauseln vo-rangestellte Inhaltsübersicht
nicht verstellt.

Vielmehr kann er es sich in keinem Falle ersparen, die diesbezüg-lichen Regelungen über den Versicherungsumfang zu
lesen, wenn er ei-nen Anspruch auf Invaliditätsentschädigung geltend machen will. Dies gilt nicht nur dann, wenn ein
Dauerschaden schon unmittelbar nach
dem Unfall feststeht, sondern auch dann, wenn sich eine
dauernde Beein-trächtigung infolge des Unfalles erst später abzeichnet, und der [X.] sich deshalb zunächst nur anhand der [X.] über die ihn nach dem Unfall treffenden Obliegenheiten informiert. Hierdurch wird er nicht davon abgehalten, sich nach eingetretener Invalidität (gegebe-nenfalls erneut) rechtzeitig über die Anspruchsvoraussetzungen zu in-formieren. Der Versicherungsnehmer, der sich anhand des [X.] eingangs der Bedingungen orientiert, wird sich nach den dort enthaltenen Überschriften zum Versicherungsumfang, von denen eine "2.1 Invaliditätsleistung"
lautet, im Falle von unfallbedingter Invalidität im 23
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Text der [X.].1 darüber informieren,
welche Ansprüche ihm in diesem Fall zustehen. Dabei wird er unmittelbar nach der Überschrift "[X.]"
auf die weitere Überschrift "Voraussetzungen für die Leis-tung"
stoßen, auch wenn diese im Inhaltsverzeichnis nicht genannt ist. Er wird daran anschließend die Fristenregelung und deren
Inhalt zur [X.] nehmen. Hierfür bleiben ihm auch bei erst später eingetretener Inva-lidität mindestens
drei Monate
Zeit, da eine unfallbedingte Invalidität, die nicht innerhalb eines Jahres eingetreten ist, ohnehin nicht versichert ist.

Dem
Versicherungsnehmer,
der sich nach Eintritt der Invalidität über seinen Versicherungsschutz anhand der Versicherungsbedingungen unterrichtet, kann bei verständiger Lektüre auch der Inhaltsübersicht nicht verborgen bleiben, dass der Versicherungsumfang im ersten Ab-schnitt getrennt von den Obliegenheiten geregelt ist. Der Umstand, dass im Abschnitt über den Leistungsfall
nicht nochmals auf die Frist in Nr.
2 verwiesen worden ist, ändert daran nichts.

Zwar unterscheidet sich die streitgegenständliche Regelung inso-weit von
den [X.] 88 und [X.] 94, in denen jeweils in "§ 1 Der [X.]sfall"
eine Verweisung auf §
7, in dem sich die Fristenregelung [X.], enthalten war. Abgesehen davon, dass auch dort
die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers nach dem Unfall in §
9 gesondert geregelt waren, ist eine solche Verweisung aber nicht ausschlaggebend dafür, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei der von ihm zu [X.] Aufmerksamkeit die Anspruchsvoraussetzungen für eine Invali-ditätsentscheidung rechtzeitig hinreichend deutlich erkennen kann. [X.], ob die Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können, kommt es nicht an ([X.]surteil vom 23.
Februar 2005 aaO S.
217 unter II 3 b a.E.).
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2. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung des [X.]s, dass die Berufung der
[X.] auf den Fristablauf nach
[X.].1.1.1 [X.] 2002 nicht treuwidrig ist.

a) Nur in Ausnahmefällen ist es dem Versicherer verwehrt, sich auf eine Fristversäumnis zu berufen. Der [X.] hat dies in einem Fall ange-nommen, in dem es ebenfalls um die [X.] in den Unfallversi-cherungsbedingungen (dort §
8 II (1) [X.] 61) ging, und in dem der [X.] den Versicherungsnehmer noch nach Fristablauf zu einer "Reihe von ärztlichen Untersuchungen und Explorationen"
veranlasst hatte, "die sich großenteils auch auf neurologischem und psychischem Gebiet [X.] verbunden waren"
(Urteil vom 28.
Juni 1978 -
IV ZR 7/77, [X.], 1036 unter 2). In einer späteren Entscheidung
hat er bestä-tigt, dass es sich dabei um einen Ausnahmefall handelte, der im dort entschiedenen Fall nicht in Betracht komme ([X.]surteil vom 5.
Juli 1995

[X.], [X.]Z 130, 171 unter [X.]). Die Rechtsprechung der [X.]e nennt als
Voraussetzung für eine [X.]widrigkeit des Einwands ebenfalls
dem Versicherten vom Versicherer zugemutete
"Un-tersuchungen mit erheblichen körperlichen und seelischen Unannehm-lichkeiten", "beschwerliche ärztliche Diagnosemaßnahmen"
oder
"um-fangreiche Untersuchungen mit belastenden Eingriffen", die der [X.] verweigert hätte, wenn er mit einer Anspruchsablehnung wegen Fristversäumnis hätte rechnen müssen ([X.], 1255; [X.] VersR 1998, 882, 883; [X.] OLGR 2001, 221, 222).
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b) Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalles liegen nicht vor.

aa) Zwar ist die Durchführung belastender psychiatrischer Unter-suchungen mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren zu unterstellen. Dies allein schließt aber die Berufung der [X.] auf den Fristablauf nicht aus.

Untersuchungen des [X.] der Klägerin
auf geistigem Gebiet sind von der [X.] nicht veranlasst worden.
Der Sachverständige Dr.
E.

war von ihr lediglich mit der Erstellung eines neurologischen Gutachtens zwecks Feststellung, ob die Unfallfolgen zu einem neurologi-schen Dauerschaden geführt haben, nicht aber eines psychiatrischen Gutachtens beauftragt worden.
Anhaltspunkte dafür, dass die [X.] damit dem Versicherten in Kenntnis des Fristablaufs eine seelisch belas-tende psychiatrische Exploration zumuten wollte, sind nicht ersichtlich.

Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass die [X.] zuvor mit Schreiben vom 17. April 2007 den Versicherungsfall auf Grundlage einer traumatologischen Stellungnahme des [X.] abgerechnet hatte, in der zusammen-fassend darauf hingewiesen war, dass eine "gesonderte neuropsychiatri-sche Untersuchung im Hinblick auf die geschilderte posttraumatische Be-lastungsstörung nicht erforderlich"
sei, da diese nach dem Regelwerk der [X.] "versicherungsrechtlich nicht abgedeckt"
sei, dass andererseits die Einschätzung der neurologischen Schäden nur annäherungsweise mög-lich sei und korrekterweise eine neurologische Untersuchung mit [X.] der neurophysiologischen Parameter durchgeführt werden müsse; 29
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diese sei als sinnvoll anzusehen, wenn sich der Versicherte mit der [X.] nicht einverstanden erklären sollte. Auch angesichts dessen konnte die [X.] nicht davon ausgehen, dass der Sachverständige Dr.
E.

seinen Auftrag ohne zusätzliche Erklärungen an[X.] ver-stand,
als dass es um die ergänzende Begutachtung aufgrund der für er-forderlich erachteten neurologischen Untersuchung ging.
Die [X.] hat damit nicht in zurechenbarer Weise den Anschein hervorgerufen, sich auf die eingetretene Fristversäumnis nicht berufen zu wollen.

bb) Dass der Sachverständige den
ihm erteilten Auftrag überschrit-ten hat, kann eine [X.]widrigkeit der [X.] nicht begründen. Inso-weit kann dahinstehen, ob er gegenüber dem Versicherten den Eindruck erweckt hat, mit einer weitergehenden Untersuchung beauftragt zu sein. Ein solches Verhalten müsste sich die [X.] nicht zurechnen lassen.
Der vom Versicherer mit einer medizinischen Untersuchung und Begut-achtung beauftragte Sachverständige ist weder sein Vertreter noch sein
Erfüllungsgehilfe bei der Bearbeitung und Regulierung der versiche-rungsvertraglichen Ansprüche, weil er insoweit nicht mit der Wahrneh-mung dem Versicherungsnehmer gegenüber zu erfüllender [X.] betraut ist.
Außerdem setzt
ein auf §
242 BGB gestützter [X.] eine umfassende Abwägung der bei[X.]eitigen Interessen voraus, die nicht nur auf den Empfängerhorizont des Vertragsgegners abstellt.

Eine andere Bewertung ist schließlich nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich die [X.] im Rechtsstreit neben der Berufung auf den Frist-ablauf hilfsweise auch mit inhaltlichen Äußerungen des [X.] zum posttraumatischen Belastungssyndrom verteidigt hat. Weder hat sie hiermit den Eindruck erweckt, auf die Einhaltung des Fristerfordernis-33
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ses verzichten zu wollen noch kann das spätere Verhalten im Prozess einen Einfluss darauf gehabt haben, dass der Versicherte sich belasten-den Untersuchungen unterzog, was erst eine [X.]widrigkeit begründen könnte.

3. Auf Weiteres, insbesondere darauf,
ob auch der [X.] in Nr. 5.2.6 [X.] 2002 (so genannte [X.]) eingreift, kommt es nach alledem nicht mehr an.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

Lehmann

Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.01.2010 -
16 O 409/07 -

O[X.], Entscheidung vom 28.01.2011 -
10 [X.] -

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Meta

IV ZR 39/11

20.06.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2012, Az. IV ZR 39/11 (REWIS RS 2012, 5408)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5408

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 39/11

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