Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2012, Az. V ZB 182/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5586

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V ZB
182/11

vom

14. Juni
2012

in der Zwangsversteigerungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 180 Satz
1
Ein Postfach ist jedenfalls dann eine ähnliche Vorrichtung im Sinne von §
180 Satz
1 [X.], wenn eine
Wohnanschrift desjenigen, dem zugestellt werden soll, unbekannt oder nicht vorhanden ist.
[X.] §§ 6, 7 Abs.
1
Ein [X.] darf nicht bestellt werden, wenn dem [X.] die Postfachadresse desjenigen, dem zugestellt werden soll, bekannt ist. Dennoch erfolgte Zustellungen an den [X.] sind unwirksam.
[X.], Beschluss vom 14. Juni 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]
-
2
-

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 14. Juni 2012
durch den [X.] [X.] [X.], die
Richter Dr. Lemke
und
Prof.
Dr.
SchmidtRäntsch und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu
7 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer
des [X.]s [X.] vom 21.
Juni 2011
wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 72für die Gerichtsgebühren
und für die anwaltliche Vertre-tung des
Beteiligten zu r-tretung des Beteiligten zu
1.

Gründe:
I.
Der
Beteiligte zu 2 betreibt seit 2006 die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten
Grundstücks
des
Beteiligten zu
1.
Nachdem bekannt worden war, dass der Beteiligte zu
1 im Verlaufe des Verfahrens seine Wohnung hatte räumen müssen und ohne festen Wohnsitz war, bestellte das Vollstreckungsgericht im April 2009 eine [X.]. Seit Ende Mai 2009 befindet sich ein Vermerk in den Akten, aus dem sich ergibt, dass der Beteiligte zu
1 ein Postfach unterhält. Der
Beschluss vom 23.
Juni 2009
über die Anberaumung eines Versteigerungstermins
auf den 1
2
-
3
-

6.
August 2009
wurde der [X.]in zugestellt. In diesem Termin blieb der Beteiligte zu 7 Meistbietender. Der [X.] wurde der [X.]in am 7. August 2009 ausgehändigt.
Der Beteiligte zu 1, der erst am 14. September 2009 durch ein Gespräch bei dem Finanzamt von dem Versteigerungstermin erfahren haben will, hat am 27.
September 2009 unter Hinweis darauf, dass sein Postfach im Gericht [X.] gewesen sei, Zuschlagsbeschwerde erhoben. Das [X.] hat der Beschwerde stattgegeben und den [X.]
aufgehoben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der
Beteiligte zu
7
die [X.] dieses Beschlusses.
Der Beteiligte zu 1
beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.
Das Beschwerdegericht hält die Beschwerdefrist für gewahrt. Diese habe fünf Monate betragen, da der [X.] dem Beteiligten zu
1 nicht zugestellt worden sei. Die Zustellung an die [X.] sei un-wirksam, weil die Voraussetzungen für deren Bestellung angesichts des
von dem Beteiligten zu 1 bekannt gegebenen Postfachs nicht vorgelegen hätten. Mithilfe des Postfachs hätte der [X.] im Wege einer
Ersatzzu-stellung nach
§
180 Satz 1 [X.] zugestellt werden können. Die Beschwerde sei begründet, weil dem Beteiligten zu
1 der Beschluss über den [X.] nicht vier Wochen vor dem Termin zugestellt worden sei. Schon zu die-sem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen für eine Zustellung an einen Zustel-lungsvertreter nicht vorgelegen.
3
4
-
4
-

III.
Die nach §
574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Beschwerde-gericht hält die Zuschlagsbeschwerde zu Recht
für zulässig und begründet.
1. Die zweiwöchige Frist für eine Beschwerde gegen die Erteilung des Zuschlags beginnt für Beteiligte, die bei der Verkündung der Entscheidung nicht anwesend waren, mit der Zustellung des [X.]es (§ 98
Satz
2, §
88 Satz 1 [X.] i.V.m.
§
569 Abs.
1 Satz 1 [X.]). Sie wäre für den Beteiligten zu
1 bei Einlegung der Beschwerde am 27. September 2009 (Sonntag) daher nur abgelaufen gewesen, wenn die am 7. August 2009 erfolgte Zustellung des Beschlusses an die [X.]in wirksam oder wenn der Zuschlags-beschluss dem Beteiligten
zu
1 vor dem 12. September 2009 tatsächlich zuge-gangen wäre

189 [X.]). Beides ist nicht der Fall.
a) Die Zustellung des [X.]es an die [X.] ist unwirksam. Nach §
6 Abs.
1 [X.] hat das Vollstreckungsgericht einen [X.] zu bestellen, wenn ihm der Aufenthalt desjenigen, welchem zugestellt werden soll, nicht bekannt ist oder die Voraussetzungen für eine öf-fentliche Zustellung aus sonstigen Gründen

185 [X.]) gegeben sind. So ver-hielt es sich bereits im Zeitpunkt der Bestellung der [X.]in
nicht, weil dem Vollstreckungsgericht
-
wenn auch einer anderen Abteilung in einem Parallelverfahren -
bekannt
war, dass der Beteiligte zu
1
ein Postfach unterhielt. Im Übrigen hätte das Vollstreckungsgericht, selbst wenn die Bestellung der Zu-stellungsvertreterin wirksam gewesen wäre, gemäß §
7 Abs. 1 [X.] von weite-ren Zustellungen an diese
absehen müssen, nachdem die Akten einen Vermerk über das Postfach des Beteiligten zu
1 enthielten.

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6
7
-
5
-

Das Beschwerdegericht geht zu
Recht davon aus, dass die Kenntnis von einem Postfach
desjenigen, dem zuzustellen ist, nach Sinn und Zweck des §
6 [X.] der Kenntnis von dessen Aufenthalt
gleichsteht. Durch die Bestellung ei-nes [X.]s sollen
Verzögerungen vermieden
werden, die infolge
einer
sonst notwendig werdenden
öffentlichen
Zustellung von Beschlüssen des Vollstreckungsgerichts entstünden (vgl. [X.]/[X.]/Hintzen/[X.]/
[X.], [X.], 13. Aufl., §
6 Rn.
1; [X.]/[X.], [X.] 9. Aufl., §
6 Rn.
1 u. 6). Der Vorschrift des §
6 [X.]
liegt also die Vorstellung zugrunde, dass nur eine
öffentliche Zustellung (§
185 [X.]) möglich ist, wenn der Aufent-halt desjenigen, dem zugestellt werden soll, unbekannt ist. Dies entsprach den
vor dem Inkrafttreten des [X.] vom 25. Juni 2001 (BGBl I S.
1206) geltenden [X.] der Zivilprozessordnung, die
Zustel-lungen an eine
Postfachadresse
nicht erlaubten. Durch das bloße Einlegen von Schriftstücken in einen Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung konnte eine Zustellung nicht bewirkt werden
(vgl. §
181 [X.] aF). Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung (§
182 [X.]
aF) war nur möglich, wenn der Empfänger an dem Bestimmungsort eine Wohnung hatte (vgl. [X.], Urteil vom 13. Oktober 1993

[X.], NJW-RR 1994, 564;
BayObLGSt 1962, 222). Auch die erleichterte Zustellung nach §
4 [X.] durch Aufgabe eines Einschreibens zur Post war bei einem Postfach unmöglich, da diese nur
durch ein

die [X.] an den Empfänger oder eine andere berechtigte Person erforderndes

--Einschreiben erfolgen kann (Stöber, [X.], 19. Aufl., §
4 Anm.
2.3; vgl. auch [X.], 78).
Die Annahme, einer Person, deren Aufenthalt unbekannt sei, könne ein Schriftstück
nur im Wege der öffentlichen
Zustellung zugestellt werden, ist durch die genannte
Reform der Vorschriften über die Zustellung
jedoch über-holt. Seither ist nämlich eine Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks 8
9
-
6
-

in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung
möglich, die der Adressat für den Post-empfang eingerichtet hat und die für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist

180 Satz
1 [X.]). Gedacht hat der Gesetzgeber insoweit zwar primär an [X.]en, die sich in räumlicher Nähe zu der Wohnung oder den Geschäfts-räumen des Empfängers befinden (vgl. BT-Drucks. 14/4554
S.
21). Mit dem Wortlaut der Vorschrift
vereinbar ist aber auch die Annahme, eine ähnliche [X.] könne ein von dem Empfänger eingerichtetes Postfach
sein (so [X.] 2005, 229; 2008, 1860, 1861; vgl. auch [X.], Beschluss vom 21. Ja-nuar 2010

IX ZB 83/06, [X.], 395, 396 Rn.10
sowie [X.]/Häublein, 3. Aufl., §
180 Rn. 4). Jedenfalls dann, wenn eine Zustellung unter der Wohnanschrift des Empfängers ausscheidet, weil diese unbekannt oder

wie hier -
nicht vorhanden ist, gebieten Sinn und Zweck der Vorschrift, das Einlegen des Schriftstücks in ein Postfach als wirksame Ersatzzustellung anzusehen.
[X.] ist es, dem Adressaten angemessene Gelegen-heit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks zu verschaffen und den Zeitpunkt dieser Bekanntgabe zu dokumentieren
(BT-Drucks.
14/4554
S. 14). Dabei soll
insbesondere die Ersatzzustellung nach §
180 Satz
1 [X.] dem Adressaten einen
leichteren
und schnelleren
Zugang zu der Sendung ermöglichen, als dies insbesondere bei einer Ersatzzustellung durch Niederlegung der Fall ist (aaO, S.

21). Diesem Anliegen des Gesetzgebers
entsprechend ist eine solche Er-satzzustellung auch zuzulassen, wenn zwar kein Wohnort des Empfängers [X.] oder vorhanden, wohl aber eine
briefkastenähnliche Vorrichtung
zum Postempfang eingerichtet ist. Denn hierdurch wird dem Empfänger die [X.] in vergleichbar sicherer und einfacher Weise er-möglicht wie bei dem Einlegen in einen Briefkasten; zugleich werden Zustel-lungsformen vermieden, die den Zugang zu dem Schriftstück deutlich stärker -
7
-

erschweren, insbesondere die öffentliche Zustellung (§
185 [X.]) oder eine
Zu-stellung nach §§
6, 7 [X.].
b) Das Beschwerdegericht nimmt ferner zu Recht an, dass der Zustel-lungsmangel nicht vor dem 12. September 2009 nach §
189 [X.] geheilt [X.] ist. Die Rüge der Rechtsbeschwerde, der Beteiligte zu 1 habe nicht darge-legt, wann und wie er Kenntnis von dem [X.] erlangt hat, ist unbegründet. Dem angefochtenen Beschluss lässt sich entnehmen, dass er erstmals am 14. September 2009 durch ein Gespräch im Finanzamt von der durchgeführten Versteigerung erfahren haben will. Hieraus erklärt sich zugleich, dass er die Zuschlagsbeschwerde eingelegt hat, bevor ihm der Zuschlagsbe-schluss durch die [X.]in ausgehändigt worden ist. Dass eine Beschwerde
auch dann wirksam eingelegt werden kann, wenn dem [X.] die angefochtene Entscheidung noch nicht zugegangen ist, entspricht allgemeiner Auffassung
(vgl. nur [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
569 Rn. 4).
2. Die Zuschlagsbeschwerde ist begründet. Der Erteilung des Zuschlags steht der Versagungsgrund des §
83 Nr. 1 [X.] entgegen, weil die Vorschrift des §
43 Abs. 2 [X.] verletzt worden ist. Danach ist der Versteigerungstermin aufzuheben, wenn dem Schuldner die [X.] nicht vier Wochen vor dem Termin zugestellt wurde. Hieran fehlt es, da
die [X.] vom 23. Juni 2009 der [X.]in zugestellt worden ist, obwohl dem Vollstreckungsgericht zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass der Beteiligte zu
1 ein Postfach unterhält.
Eine Heilung des [X.] (§
84 Abs. 1 [X.]) hat das Beschwerdegericht mit zutreffenden Erwägungen verneint; die Rechts-beschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.

10
11
-
8
-

IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass der Beteiligte zu
7 die Gerichtskosten des von ihm erfolglos betriebenen Rechtsbeschwerdever-fahrens zu tragen hat, folgt aus dem Gesetz. Ein Ausspruch über die außerge-richtlichen Kosten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der [X.] grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007

V ZB
125/05, [X.]Z 170, 378, 381 Rn. 7).
Der Gegenstandswert des [X.] ist für die Ge-richtsgebühren nach dem Wert des [X.]es festzusetzen (§
47 Abs. 1 Satz 1 GKG) und entspricht dem [X.] (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert für die anwaltliche Vertretung des Beteiligten zu
1 richtet sich nach
12
13
-
9
-

dem Wert des Grundstücks (§
26 Nr. 2
RVG), derjenige für die anwaltliche Ver-tretung des Beteiligten zu 7 nach seinem höchsten Gebot (§
26 Nr. 3 RVG).

Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

[X.]

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
272 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 21.06.2011 -
9 [X.]/09 -

Meta

V ZB 182/11

14.06.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2012, Az. V ZB 182/11 (REWIS RS 2012, 5586)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5586

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V ZB 182/11

IX ZB 83/06

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