Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2004, Az. IX ZR 472/00

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2290

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 472/00
Verkündet am: 15. Juli 2004 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 675

Wird in der Tages- oder der Fachpresse über Vorschläge zur Änderung des Steuer-rechts berichtet, die im Falle ihrer Verwirklichung das von dem Mandanten des [X.] erstrebte Ziel unter Umständen vereiteln oder beeinträchtigen, kann der [X.] gehalten sein, sich aus allgemein zugänglichen Quellen über den näheren Inhalt und den Verfahrensstand solcher Überlegungen zu unterrichten.

[X.], [X.]eil vom 15. Juli 2004 - [X.] ZR 472/00 - OLG Nürnberg

LG Regensburg - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2004 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das [X.]eil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 16. Oktober 2000 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen, der auch die Kosten des Streithelfers zu tragen hat. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger war für den beklagten Einzelunternehmer und die K.

GmbH (fortan: GmbH) in den [X.] 1995, 1996 und 1997 als Steuerberater tätig. Das Einzelunternehmen erzielte erhebliche Gewinne, die GmbH erwirtschaftete be-deutende Verluste. Der [X.] konnte seine Steuerschulden nicht berichti-gen, weil er die Gewinne seines Einzelunternehmens in die Verluste [X.] eingelegt hatte. Aus diesem Grunde sollten beide Unternehmen nach einem Vorschlag des [X.] auf ein neues Einzelunternehmen verschmolzen und so die steuerbaren Gewinne durch den rücktragbaren Übernahmeverlust ausgeglichen werden. Der [X.] entwarf, nachdem er spätestens im März 1997 damit beauftragt worden war, einen am 29. August 1997 notariell beur-kundeten [X.], durch welchen der [X.] das Vermögen - 3 - der GmbH übernahm. Die beabsichtigte Verlustverrechnung scheiterte an der zum 5. August 1997 rückwirkend eingetretenen Änderung von § 4 Abs. 5 Satz 1, § 27 Abs. 3 des Umwandlungssteuergesetzes ([X.]).

Der Kläger verlangt von dem [X.]n im vorliegenden Rechtsstreit zweitinstanzlich nicht mehr bestrittene Vergütung für seine Tätigkeit als [X.] in Höhe von 60.777,24 DM. Der [X.] rechnet dagegen mit einem Schadensersatzanspruch auf, den er aus pflichtwidrig verspäteter Durchführung der beabsichtigten Verschmelzung herleitet. Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 ([X.]) sei die Möglichkeit, [X.] gewinnmindernd zu verrechnen, soweit sie auf einem negativen Wert des übergegangenen Vermögens beruhten, rückwirkend für alle Vermögensübergänge, die nach dem 31. Dezember 1996 wirksam ge-worden waren, beseitigt worden. Die Rückwirkung sei aber durch das Gesetz zur Finanzierung eines weiteren Zuschusses zur gesetzlichen Rentenversiche-rung vom 19. Dezember 1997 ([X.] I S. 3121) auf [X.] beschränkt worden, deren Eintragung im Handelsregister nach dem 5. August 1997 beantragt worden sei. Der Kläger habe hier nach Presseberichten die be-vorstehende Beschränkung der Verlustverrechnung vorhersehen müssen, gleichwohl aber nicht auf beschleunigte Durchführung der Verschmelzung mit Antragstellung beim Handelsregister bis spätestens zum 5. August 1997 [X.].

In den Vorinstanzen ist der [X.] verurteilt worden. Mit der Revision verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.
- 4 - Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

[X.]

Das Berufungsgericht hat ein zum Schadensersatz verpflichtendes [X.] des [X.] verneint. Die vom [X.]n genannten, die bevorstehende Gesetzesänderung betreffenden Presseberichte hätten dem Kläger keine Ver-anlassung gegeben, die Eintragung der Verschmelzung bis spätestens zum 5. August 1997 herbeizuführen. Nach der allenfalls vorhersehbaren ersten Ge-setzesänderung wäre der erwünschte steuerliche Vorteil wegen der [X.] Rückwirkung nicht mehr erreichbar gewesen. Die spätere gesetzliche Einschränkung der Rückwirkung habe der Kläger nicht vorhersehen müssen. Auch aus anderen Gründen sei er nicht verpflichtet gewesen, die Verschmel-zung früher zu bewirken. Dies sei weder vertraglich geschuldet noch wegen drohender Vollstreckungsmaßnahmen gegen den [X.]n geboten gewesen.

I[X.]

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Der Steuerberater ist im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflich-tet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Er hat seinen Mandanten [X.] 5 - [X.] vor Schaden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zu dem angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg notwen-digen Schritte vorzuschlagen (vgl. [X.] 129, 386, 396; [X.], [X.]. v. 28. Sep-tember 1995 - [X.] ZR 158/94, [X.], 2075, 2076; v. 18. Dezember 1997 - [X.] ZR 153/96, [X.], 301, 302). Die mandatsbezogen erheblichen Geset-zes- und Rechtskenntnisse muß der Steuerberater besitzen oder sich [X.] verschaffen (Zugehör DStR 2001, 1613, 1615 m.w.N.; Lange [X.] 2003, 869, 871). Neue oder geänderte Rechtsnormen hat er in diesem Rahmen zu ermitteln (vgl. [X.], [X.]. v. 30. Juni 1971 - [X.] 41/71, NJW 1971, 1704; v. 7. März 1978 - [X.], NJW 1978, 1486; vgl. auch [X.], 1437, 1438).

Wird in der Tages- oder Fachpresse über Vorschläge zur Änderung des Steuerrechts berichtet, die im Falle ihrer Verwirklichung von dem Mandanten des Beraters erstrebte Ziele unter Umständen vereiteln oder beeinträchtigen, kann der Steuerberater gehalten sein, sich aus allgemein zugänglichen Quellen über den näheren Inhalt und den Verfahrensstand solcher Überlegungen zu unterrichten, um danach prüfen zu können, ob es geboten ist, dem Mandanten Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile anzuraten (zu den Pflichten eines Rechtsanwaltes bei erkennbar bevorstehender Änderung der [X.] Rechtsprechung vgl. [X.], [X.]. v. 30. September 1993 - [X.] ZR 211/92, [X.], 2129, 2130 f).

2. Welche Anforderungen insoweit für die Tätigkeit des Steuerberaters im einzelnen gelten, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Falles ab und kann hier weitgehend offenbleiben; denn der Kläger hat die ihn möglicher-weise in dieser Hinsicht treffenden Pflichten nicht verletzt. - 6 - a) Die [X.], auf die sich der [X.] in der Berufung bezogen hat, tragen den von ihm erhobenen Vorwurf nicht.

Die Pressemitteilung des Bundesrates vom 31. Juli 1997 berichtete über die Grundsatzeinigung im [X.] und die für den 4. August 1997 erwartete förmliche [X.]ußfassung. Dasselbe gilt für den Artikel im [X.] vom 1./2. August 1997 über den erzielten [X.]. Beide Berichte enthalten die gravierende Ungenauigkeit, daß die Neuregelung mit tatbestandlicher [X.] erst für den Veranlagungszeitraum 1997 zu erwarten sei. Der vom [X.]n angestrebte und nach den §§ 2 [X.], 17 Abs. 2 Satz 4 [X.] auch erreichte steuerliche [X.] war aber der 31. Dezember 1996. Die von dem [X.]n beabsichtigte Verschmel-zung wäre von der Rechtsänderung so gesehen nicht betroffen gewesen, weil sie, jedenfalls steuerrechtlich, vor dem Veranlagungszeitraum 1997 [X.] erlangt hätte. Erst die [X.]ußempfehlung des Vermittlungsausschusses im Wortlaut (BT-Drucks. 13/8325) ergab dann mit Sicherheit, daß auch das Vorhaben des [X.]n unter die Rückwirkung des kommenden Gesetzes fiel. Es ist nicht vorgetragen, der Kläger hätte von dieser entscheidenden Tatsache so rechtzeitig Kenntnis erlangen können, daß ihm danach noch am 5. August 1997 möglich gewesen wäre, die Handelsregisteranmeldung der Verschmel-zung zu bewirken.

b) Der in der Revisionsinstanz erörterte Artikel im [X.] vom 24. Juni 1997 ist in den Tatsacheninstanzen nicht erwähnt worden. Er gehört daher nicht zu dem Parteivorbringen, das gemäß § 561 ZPO a.F. der Beurtei-lung des [X.] unterliegt. Inwieweit das Revisionsgericht seine Kenntnis von parlamentarischen Vorgängen und der Berichterstattung über Ge-setzgebungsvorhaben nicht allein bei der Gesetzesauslegung, sondern auch - 7 - bei der Beurteilung eines Haftungsfalles verwerten kann, ist verfahrensrechtlich bisher nicht abschließend geklärt. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es auch hier nicht.

Der [X.] hat nichts dazu vorgetragen, daß der Kläger den vereinzel-ten und auf mögliche Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes in der Gel-tendmachung von [X.] nur versteckt hinweisenden Artikel vom 24. Juni 1997 hätte kennen müssen. Dieses verstand sich entgegen den von der Revision allgemein erhobenen Anforderungen an die Sorgfalt eines Steuerberaters hier nicht von selbst. Denn berücksichtigt man zugunsten des [X.]n den Artikel im [X.] vom 24. Juni 1997, kann auch nicht dar-an vorbeigegangen werden, wie die Fachwelt auf die vom Steuergesetzgeber beschlossenen Änderungen reagiert hat. Übereinstimmend ist beanstandet worden, daß der Gesetzgeber ohne jede Vorankündigung, in einer Überra-schungsaktion, völlig unvorbereitet, mit einer Blitzaktion oder ähnlich diese [X.] Gesetzesänderungen rückwirkend beschlossen habe ([X.], [X.], 1425; [X.], GmbHR 1997, 783, 785; Füger/[X.], [X.], 1427; [X.], [X.] 1997, 2090; [X.]/[X.], [X.] 1997, 1880, 1881; [X.]/ [X.], [X.] 1997, 2242, 2247; [X.]/[X.], [X.] Fach 2 S. 6917; [X.], Die Steuerberatung 1997, 385, 389). Dem Kläger kann aber nicht eine von dem gesamten Berufsstand geteilte Überraschung gleichwohl als Fol-ge einer Verletzung der verkehrserforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB) vorgewor-fen werden.
- 8 - II[X.]

[X.] ergibt sich gegenüber dem Streithelfer aus § 101 Abs. 1 1. Fall ZPO.

[X.]
Ganter

[X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 472/00

15.07.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2004, Az. IX ZR 472/00 (REWIS RS 2004, 2290)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2290

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