Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2024, Az. 2 StR 124/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2024, 457

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Der Antrag der Angeklagten vom 22. Juli 2023 in Verbindung mit den Anträgen vom 2. September 2023 und vom 30. November 2023, die Bestellung von Rechtsanwalt     S.    aus E.       zum Pflichtverteidiger aufzuheben und ihr Rechtsanwalt    [X.]aus [X.] als Pflichtverteidiger beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

.

1

Das [X.] hat die Angeklagte mit Urteil vom 25. November 2022 wegen vorsätzlicher Brandstiftung und wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Der im Ermittlungsverfahren bestellte Pflichtverteidiger der Angeklagten hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt und das Rechtsmittel mit Verfahrensbeanstandungen und der allgemeinen Sachrüge begründet. Auf den Antrag des [X.] vom 25. April 2023, die Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Revisionsschrift nicht qualifiziert elektronisch signiert worden sei, hat er unter Hinweis auf sein Übersendungsversehen fristgemäß Wiedereinsetzung in die [X.] beantragt, formgerecht neuerlich Revision eingelegt und diese wiederum begründet. Der Senat hat der Angeklagten mit Beschluss vom 1. August 2023 auf ihre Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 25. November 2022 gewährt. Der Beschluss ist ihrem Verteidiger am 13. September 2023 zugestellt worden.

2

Mit Schreiben vom 22. Juli 2023 hat die Angeklagte vorgetragen, sie vertraue ihrem Verteidiger nicht mehr. Sie habe die [X.] erst zwei Tage vor dem Abgabetermin zur Ansicht erhalten, ein vom [X.] vernommener Zeuge und „eigentliche[r] Täter [X.]  aber schon vierzehn Tage“ vor ihr. [X.]habe ihrem Verteidiger „am ersten Gerichtstag […] einen gut gefüllten Briefumschlag im Gerichtssaal übergeben“ wollen. Ihr Verteidiger habe erwidert, er solle „den Brief doch bitte an die Kanzlei senden“. Die [X.] des Verteidigers beanstande „nur das zur Gefälligkeit erstellte [X.] […], obwohl das ganze Urteil nur aus Mutmaßungen und Spekulationen“ bestehe. Ein anderer „Strafanwalt“ habe ihr erklärt, „[s]eine Revisionsbegründung auf dieses Urteil wäre [X.]] bis vierzigseitig ausgefallen“. Damit konfrontiert habe ihr Verteidiger erklärt, dafür habe er als Pflichtverteidiger keine Zeit. Mit weiterem Schreiben vom 2. September 2023 hat die Angeklagte geäußert, das Vertrauensverhältnis zu ihrem Verteidiger sei „zerstört“. Sie hat gebeten, den Verteidiger „aus dem Verfahren zu entbinden“ und ihr einen „renommierten Anwalt aus [X.]   “ beizuordnen. Mit Schreiben vom 30. November 2023 hat sie diese Bitte schließlich dahin präzisiert, sie beantrage nunmehr, ihr Rechtsanwalt [X.]aus [X.]     beizuordnen.

3

Der Verteidiger der Angeklagten ist den gegen ihn erhobenen Vorwürfen entgegengetreten.

II.

4

Der Antrag ist unbegründet, da die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel gemäß § 143a Abs. 3 und 2 StPO nicht vorliegen.

5

1. § 143a Abs. 3 StPO, der eine vereinfachte Regelung für den Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren trifft, greift nicht ein. Die Angeklagte hat den Antrag auf [X.] weder bei dem Gericht gestellt, dessen Urteil angefochten ist, § 143a Abs. 3 Satz 2 StPO, noch hat sie innerhalb der Wochenfrist des § 143a Abs. 3 Satz 1 StPO den neu zu bestellenden Verteidiger bezeichnet (vgl. BT-Drucks. 19/13829 S. 49; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 143a Rn. 42).

6

2. Die Voraussetzungen für einen Wechsel des Pflichtverteidigers gemäß § 143a Abs. 2 StPO liegen ebenfalls nicht vor.

7

Eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisherigen Pflichtverteidiger, § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Fall 1 StPO, ist nicht glaubhaft gemacht. Den von der Angeklagten erhobenen Vorwürfen ist der Verteidiger entgegengetreten. Sonstige Belege für die Behauptungen der Angeklagten sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

8

Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung der Angeklagten entgegenstünde und einen Wechsel in der Person des Pflichtverteidigers geböte, § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Fall 2 StPO. Eine angemessene Verteidigung der Angeklagten ist gewährleistet. Der Verteidiger hat auf den Formfehler bei der Übersendung der Revisionsschrift innerhalb der [X.] reagiert. Ein über die Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 7 StPO hinausgehender Nachteil ist der Angeklagten durch die ursprüngliche Versäumung der [X.] nicht entstanden.

Dr. [X.]

Vorsitzende Richterin
am [X.]

Meta

2 StR 124/23

15.01.2024

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 1. August 2023, Az: 2 StR 124/23, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2024, Az. 2 StR 124/23 (REWIS RS 2024, 457)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 457

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 429/22 (Bundesgerichtshof)

Pflichtverteidigerwechsel bei Strafanzeige des Angeklagten gegen den bisherigen Verteidiger


3 StR 450/22 (Bundesgerichtshof)

Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren wegen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses


StB 50/23 (Bundesgerichtshof)


5 StR 350/23 (Bundesgerichtshof)


2 StR 268/23 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.