Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. VIa ZR 1214/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 810

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 27. Zivilsenats des [X.] vom 2. August 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 3. Mai 2012 von der Beklagten einen von ihr hergestellten gebrauchten [X.] CDI Cabriolet, der mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug verfügt über ein sogenanntes "Thermofenster", das die temperaturabhängig gesteuerte Abgasrückführung bei kühleren und besonders hohen Temperaturen reduziert, sowie nach Angaben des [X.] über eine [X.] (KSR).

3

Der Kläger hat, gestützt auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs, den Ersatz des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Ein Schadensersatzanspruch des [X.] ergebe sich nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]. Sein Interesse, nicht zum Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags veranlasst zu werden, sei vom Schutzzweck der Vorschriften der [X.] nicht umfasst. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB lägen ebenfalls nicht vor. Es fehle sowohl hinsichtlich des Thermofensters als auch im Fall einer [X.] an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten. Auch bei etwaigem Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung habe der Kläger keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Bedatung auf den Prüfstand zugeschnitten sei oder sonstige Umstände für ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten sprächen. Hinsichtlich der [X.] stehe der Annahme der Sittenwidrigkeit zudem entgegen, dass das [X.] eine unzulässige Abschalteinrichtung mangels Grenzwertkausalität verneine und die [X.]-Typgenehmigung deshalb auch erteilt hätte, wenn ihm die Funktion bereits im [X.] bekannt gewesen wäre.

II.

7

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

8

1. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat (zur fehlenden Indizierung der Sittenwidrigkeit mangels Grenzwertkausalität vgl. [X.], Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 17; Urteil vom 6. November 2023 - [X.], [X.], 40 Rn. 11). Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

9

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 1214/22

06.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 2. August 2022, Az: I-27 U 118/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. VIa ZR 1214/22 (REWIS RS 2024, 810)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 810

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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