Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.01.2016, Az. XII ZB 213/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 17105

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Gegenstand

Versorgungsausgleichsverfahren: Abänderung des öffentlich-rechtlichen Ausgleichs wegen unterbliebenen Ausgleichs eines Teilbetrags bei der Scheidung infolge einer Höchstbetragsüberschreitung


Leitsatz

Dass ein Teil eines Versorgungsanrechts im Ausgangsverfahren wegen Überschreitens des Höchstbetrags nach § 1587b Abs. 5 BGB nicht öffentlich-rechtlich ausgeglichen werden konnte, kann keine die Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs bei der Scheidung begründende Wertänderung im Sinne von § 51 Abs. 1 VersAusglG darstellen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 13. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des [X.] vom 24. März 2014 aufgehoben.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des [X.] vom 8. April 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtsmittelverfahren werden der Antragstellerin auferlegt.

Wert: 8.874 €

Gründe

I.

1

Die beteiligten früheren Ehegatten (im Folgenden: Ehefrau und Ehemann) streiten über die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich.

2

Die am 9. Juni 1972 geschlossene Ehe wurde auf den am 9. Dezember 2004 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil vom 30. September 2005 geschieden. In dem Urteil ist für die Ehezeit vom 1. Juni 1972 bis zum 30. November 2004 der Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Zum Ausgleich der nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bestehenden Anwartschaft des Ehemanns bei der beteiligten Industrie- und Handelskammer sind auf dem Rentenkonto der Ehefrau gesetzliche Rentenanwartschaften von bezogen auf das Ehezeitende 1.698,45 € begründet worden. Das entsprach dem damaligen Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB. Ein sich nach damaliger Berechnung ergebender Differenzbetrag von 467,96 € wurde nicht ausgeglichen. Im Rahmen eines Vergleichs verzichtete die Ehefrau auf jeglichen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.

3

[X.] teilte die beteiligte Industrie- und Handelskammer mit, dass das ehezeitlich erworbene Versorgungsanrecht des Ehemanns im Scheidungsverfahren deutlich zu niedrig mitgeteilt worden sei, namentlich nur mit monatlich 4.673,97 € statt mit richtig 6.640,43 €. Die Ehefrau hat sodann im vorliegenden Verfahren die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich nach § 51 [X.] beantragt. Außerdem hat sie den Vergleich angefochten und die Fortsetzung des Ausgangsverfahrens beantragt, worüber ein gesondertes Verfahren geführt wird.

4

Das Amtsgericht hat den Abänderungsantrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das [X.] die Entscheidung zum Versorgungsausgleich abgeändert und im Wege der Totalrevision die ehezeitlich erworbenen Anrechte des Ehemanns auf gesetzliche Rente und Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen, letztere unter Berücksichtigung des teilweisen Verzichts, jeweils intern sowie die Beamtenversorgung der Ehefrau extern geteilt. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, der die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

6

1. Nach Auffassung des [X.]s liegen die [X.] nach § 51 [X.] hinsichtlich des Anrechts des Ehemanns bei der Industrie- und Handelskammer vor. Es bestehe allerdings Einigkeit, dass über § 51 Abs. 1 [X.] Anrechte, die nach altem Recht schuldrechtlich auszugleichen waren, nicht jetzt der "Realteilung" nach neuem Recht zugeführt werden könnten. Das gelte auch, soweit das sogenannte Supersplitting nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 [X.] durchgeführt worden sei. Zudem könnten über § 51 [X.] anders als beim früheren § 10 a [X.] Rechenfehler oder [X.] nicht korrigiert werden. Die [X.] lägen also nicht bereits deswegen vor, weil seinerzeit aufgrund der fehlerhaften Auskunft der Industrie- und Handelskammer ein zu gering bewertetes Anrecht in den Versorgungsausgleich eingestellt worden sei. Die Abänderungsmöglichkeit ergebe sich aber daraus, dass bei der Ausgangsentscheidung die [X.]regelung zu beachten gewesen sei und deshalb die Anrechte des Ehemanns ohnehin nur bis zum Höchstbetrag ausgeglichen worden seien. Die genannten Einschränkungen kämen dann nicht zum Tragen, wenn wie hier nur aufgrund der [X.]regelung in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen worden sei. Nach der Gesetzesbegründung sei es unbillig, die Beteiligten für diese Anwartschaften in den Regelsystemen auf den Ausgleich nach der Scheidung zu verweisen.

7

Eine Änderung im Sinne des § 51 Abs. 1 [X.] liege daher vor, sobald der nach § 1587 b Abs. 5 BGB nicht ausgeglichene Teil den Grenzwert nach § 51 Abs. 2 [X.] überschreite. Die Änderung sei darin zu sehen, dass nunmehr das Anrecht insgesamt dem Ausgleich bei der Scheidung unterfalle. Wollte man zusätzlich eine wesentliche Änderung der [X.] fordern, so liefe die gesetzgeberische Intention, die Fälle des § 1587 b Abs. 5 BGB von dem Ausschluss der Abänderungsmöglichkeit auszunehmen, weitgehend leer, weil sich in den wenigsten Fällen der gesamte Ehezeitanteil des Anrechts über die Wesentlichkeitsgrenze hinaus verändert haben dürfte.

8

Allerdings stehe der Vergleich nach seinem Sinn und Zweck der Abänderung entgegen. Die Anfechtung des Vergleichs sei nicht fristgerecht erfolgt. Insoweit habe sich indessen die Geschäftsgrundlage so wesentlich geändert, dass eine Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse geboten sei. Die Ehefrau habe bei zutreffender Berechnung auf mehr als das Dreifache dessen verzichtet, was seinerzeit zugrunde gelegt worden sei.

9

Bei seiner Berechnung des nach neuem Recht durchzuführenden Versorgungsausgleichs hat das [X.] wegen des Betrags von monatlich 467,96 €, auf den die Ehefrau verzichtet habe, den Ausgleich des Anrechts des Ehemanns bei der Industrie- und Handelskammer vermindert und hierbei eine zwischenzeitliche Wertsteigerung berücksichtigt.

2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Gemäß § 51 Abs. 1 [X.] ändert das Gericht eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht erlassen worden ist, bei einer wesentlichen Wertänderung auf Antrag ab, indem es die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 [X.] teilt.

Selbst bei Fehlerhaftigkeit der Ausgangsentscheidung wäre hingegen eine Abänderung nach § 51 [X.] noch nicht eröffnet. Denn mit der Regelung des § 51 [X.] hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die bisher in weitem Umfang bestehenden Abänderungsmöglichkeiten nach § 10 a [X.] einzuschränken. Nach § 10 a Abs. 1 Nr. 1 [X.] war eine Abänderung formell und materiell rechtskräftiger Entscheidungen zur Verwirklichung des materiell richtigen Ausgleichsergebnisses nicht nur bei nachträglichen und unvorhersehbaren Veränderungen der Anrechte möglich. Vielmehr genügte auch das Vorliegen bloßer Fehler der Ausgangsentscheidung wie Rechen- und Methodenfehler, ungenügende Berechnungsgrundlagen, eine fehlerhafte Bestimmung der Ehezeit oder unrichtige Auskünfte der Versorgungsträger für eine Durchbrechung der Rechtskraft (vgl. [X.]sbeschluss [X.], 91 = [X.], 1548 Rn. 18 mwN).

Bei der Anwendung des § 51 [X.] ist demnach zu beachten, dass nur nachträglich eingetretene Wertänderungen, nicht aber Fehler der Ausgangsentscheidung eine Abänderung der [X.] eröffnen können. Die nachträglich eingetretene Wertänderung muss für sich genommen die Wesentlichkeitsgrenze nach § 51 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 225 Abs. 2 und 3 FamFG überschreiten ([X.]sbeschluss vom 22. Oktober 2014 - [X.] 323/13 - FamRZ 2015, 125 Rn. 15).

Liegt hingegen eine wesentliche Wertänderung vor und ist eine Abänderung nach § 51 [X.] somit eröffnet, ist eine erneute Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach §§ 9 bis 19 [X.] unter Berücksichtigung sämtlicher in den Versorgungsausgleich einbezogener Anrechte zu erlassen (§ 51 Abs. 1 [X.]). Nur unter diesen Voraussetzungen und in diesem Umfang findet eine "Totalrevision" statt, die hinsichtlich der einbezogenen Anrechte - als begrenzte Rechtskraftdurchbrechung - dann auch eine Fehlerkorrektur einschließt ([X.]sbeschlüsse [X.], 91 = [X.], 1548 Rn. 16; vom 22. Oktober 2014 - [X.] 323/13 - FamRZ 2015, 125 Rn. 15 f. und vom 24. Juni 2015 - [X.] 495/12 - FamRZ 2015, 1688 Rn. 25 ff.).

b) Die angefochtene Entscheidung entspricht diesen Maßstäben nicht in vollem Umfang. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen ist eine Abänderung nach § 51 Abs. 1 [X.] nicht eröffnet.

aa) Noch zutreffend hat das [X.] in dem der Ausgangsentscheidung zugrunde gelegten fehlerhaften, weil zu niedrigen Betrag der Anwartschaft des Ehemanns bei der Industrie- und Handelskammer keinen die Abänderung begründenden Umstand gesehen. Hierbei handelt es sich um einen auf einer unrichtigen Auskunft des Versorgungsträgers beruhenden Fehler der Ausgangsentscheidung, der für sich genommen eine Abänderung nicht eröffnen kann.

bb) Ein Abänderungsgrund kann sich entgegen der Auffassung des [X.]s auch nicht daraus ergeben, dass die Begründung gesetzlicher Rentenanwartschaften bei der Ausgangsentscheidung auf den Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB begrenzt war und dieser überschritten wurde.

Dass es sich hierbei nicht um eine Wertänderung im Sinne von § 51 Abs. 1 [X.] handeln kann, hat der [X.] nach bereits seiner - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses ergangenen - Entscheidung vom 22. Oktober 2014 ([X.] 323/13 - FamRZ 2015, 125) zugrunde gelegt. Denn der zu beurteilende Wert der Anwartschaft war (und ist) nicht davon abhängig, in welchem Umfang ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich vorgesehen war und in welchem Umfang der Ausgleich dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten blieb. Diese Fragen betreffen die Ausgleichsform, nicht aber den Wert des jeweiligen Anrechts. Dementsprechend konnte sich der Wert auch nicht dadurch ändern, dass nach dem seit 1. September 2009 geltenden Recht ein Höchstbetrag für den Ausgleich von Anrechten auf Beamtenversorgung oder vergleichbarer Anrechte nicht mehr vorgesehen ist.

Die von ihm angeführten Gesetzesmaterialien tragen die gegenläufige Auffassung des [X.]s nicht. Im betreffenden Bericht des Rechtsausschusses ist ausgeführt, dass es unbillig wäre, die Eheleute in Fällen des überschrittenen [X.] nach § 1587 b Abs. 5 BGB auf den Ausgleich nach der Scheidung zu verweisen (BT-Drucks. 16/11903 [X.]). Damit sollte indessen lediglich begründet werden, dass solche Anrechte - anders als Anrechte auf betriebliche Altersversorgung nach einem Teilausgleich gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 [X.] - in jedem Fall vollständig im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ausgeglichen werden sollten und dass insoweit § 51 Abs. 4 [X.] keine Anwendung finden sollte. Die angeführten Erwägungen befassen sich somit nur mit der Frage, in welcher Form ein nach § 1587 b Abs. 5 BGB nur teilweise ausgeglichenes Anrecht nunmehr im Rahmen von § 51 [X.] auszugleichen ist (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 22. Oktober 2014 - [X.] 323/13 - FamRZ 2015, 125 und vom 24. Juni 2015 - [X.] 495/12 - FamRZ 2015, 1688). Die Voraussetzung der Wertänderung nach § 51 Abs. 1 [X.] ist mithin davon nicht berührt. Entgegen der Auffassung des [X.]s liefe die gesetzgeberische Intention damit auch nicht leer.

3. Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben. Der [X.] entscheidet in der Sache abschließend, weil weitere Feststellungen nicht mehr zu treffen sind. Nach den getroffenen Feststellungen liegt eine wesentliche Wertänderung nach § 51 Abs. 1 [X.] nicht vor. Der Abänderungsantrag ist mithin unbegründet. Auf die Frage, ob und inwiefern trotz des von der Ehefrau erklärten Verzichts noch ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich durchzuführen ist, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an (vgl. [X.]sbeschluss vom 15. April 2015 - [X.] 30/13 - FamRZ 2015, 1100 Rn. 14).

Dose                     [X.]                          Schilling

              Botur                                [X.]

Meta

XII ZB 213/14

27.01.2016

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Koblenz, 24. März 2014, Az: 13 UF 281/13

§ 51 Abs 1 VersAusglG, § 1587b Abs 5 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.01.2016, Az. XII ZB 213/14 (REWIS RS 2016, 17105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17105

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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