Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.12.2016, Az. IX R 12/15

9. Senat | REWIS RS 2016, 1342

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nachträgliche Anschaffungskosten bei Finanzierungsmaßnahmen eines unternehmerisch beteiligten Aktionärs - Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG


Leitsatz

Die Gewährung eines krisenbestimmten Darlehens an die AG durch einen Aktionär, der zu diesem Zeitpunkt an der Gesellschaft unternehmerisch beteiligt ist, führt zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 23. September 2014  9 K 3123/11 aufgehoben und der Bescheid zum 31. Dezember 2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer vom 1. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2009 dahingehend geändert, dass in Höhe von 255.645,94 € nachträgliche Anschaffungskosten im Sinne von § 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes berücksichtigt werden.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob ein ausgefallenes Darlehen in Höhe von 500.000 DM, das der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Jahr 1999 der S-AG als deren Aktionär gewährte, als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes nach § 17 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres 2001 (EStG) zu berücksichtigen ist.

2

Der Kläger war Gesellschafter der [X.], die im Mai 1999 in die S-AG formgewechselt wurde. Er wurde zum Vorstand der S-AG bestellt.

3

Am Grundkapital der S-AG von 500.000 € war der Kläger mit 32 % beteiligt. Mit [X.] veräußerte er einen Teil seiner Aktien zum Kaufpreis von 1 Mio. DM an die [X.], wodurch sein Anteil an der S-AG auf 27 % sank. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der S-AG kam es zu verschiedenen Kapitalerhöhungen. Die Beteiligung des [X.] an der S-AG verringerte sich bis zum 1. Februar 2001 auf 10,41 %.

4

Zwischen dem Kläger und der S-AG wurde ohne Bestellung von Sicherheiten mit Datum 20. Juni 1999 folgender Darlehensvertrag abgeschlossen:

5

"(Name des [X.]), Aktionär der S-AG, ..., gewährt der S-AG ein Darlehen in Höhe von DM 500.000. Ausgezahlt wird dieses Darlehen am 1. Juli 1999. Verzinst wird dieses Darlehen mit 6 %. Das Darlehen kann erstmals am 30. Juni 2004 zurückgezahlt werden. Im Falle einer buchmäßigen Überschuldung fällt dieses Darlehen hinter die Ansprüche aller anderen Gläubiger zurück. Es kann frühestens dann zurückgezahlt werden, wenn diese buchmäßige Überschuldung nicht mehr existiert."

6

Mit Zusatzvereinbarung vom 10. Mai 2000 wurde ergänzt, dass das Darlehen auch nach dem 30. Juni 2004 frühestens dann zurückgezahlt werde, wenn diese buchmäßige Überschuldung und die finanzielle Unternehmenskrise nicht mehr existiere. Der Kläger verzichte auf seine Darlehensforderung gegen die S-AG, wenn das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet werde.

7

Mit Beschluss des Amtsgerichts ... --Insolvenzgericht-- vom ... Februar 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S-AG eröffnet. Nach einer Bestätigung des Insolvenzverwalters stand spätestens am 31. Dezember 2001 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass es für die Aktionäre der S-AG weder eine Ausschüttung noch einen Zwangsvergleich geben wird.

8

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung des [X.] und seiner Ehefrau für das Streitjahr 2001 begehrte der Kläger bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb die steuerliche Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes nach § 17 EStG in Höhe von 555.409 DM. Dieser sei u.a. durch den Ausfall des Gesellschafterdarlehens in Höhe von 500.000 DM (255.646 €) mit der Insolvenz der S-AG entstanden.

9

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ unter dem Datum des 22. Juli 2004 einen Bescheid zum 31. Dezember 2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer, in dem der geltend gemachte Verlust nicht berücksichtigt wurde.

Auf den Einspruch des [X.] hin erließ das [X.] aus nicht streitgegenständlichen Gründen am 1. April 2008 einen Teilabhilfebescheid und wies im Übrigen den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2009 als unbegründet zurück.

Die Klage, mit der die Berücksichtigung des ausgefallenen Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2 EStG) an der S-AG geltend gemacht wurde, blieb erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) führte im Wesentlichen aus, das Gesellschafterdarlehen sei nicht als eigenkapitalersetzendes Finanzplandarlehen anzuerkennen. Das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei nicht ausgeschlossen worden, so dass der Kläger bis zum Eintritt einer eventuellen Überschuldung als Bedingung für den Rangrücktritt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eine Kündigungsmöglichkeit gehabt habe. Die Beteiligung des [X.] an der S-AG in Höhe von 10,41 % erreiche im maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht die Beteiligungshöhe von 25 %, die für eine Qualifikation als eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen und damit für dessen Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten erforderlich sei. Besondere Umstände, aus denen sich für den Kläger in Verbindung mit seinem Aktienbesitz eine zusätzliche maßgebliche Einflussmöglichkeit auf die Unternehmensleitung hätten ergeben können, lägen nicht vor.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts (§ 17 EStG).

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und den Bescheid zum 31. Dezember 2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer vom 1. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2009 dahingehend zu ändern, dass in Höhe von 255.645,94 € (500.000 DM) nachträgliche Anschaffungskosten [X.] von § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigt werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Die Vorentscheidung sei zutreffend. Die Grundsätze aus dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 6. Mai 2014 IX R 44/13 ([X.]E 245, 511, [X.], 781) seien auf den Streitfall nicht übertragbar.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat zu Unrecht den Ausfall des Darlehens nicht als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts des [X.] i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG berücksichtigt.

1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der [X.]er innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der [X.] wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste ([X.]-Urteil vom 2. April 2008 IX R 76/06, [X.], 7, [X.], 706, m.w.N.).

a) [X.] § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der [X.] vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen ([X.]-Urteil in [X.], 7, [X.], 706).

Die Entstehung eines im Jahre 2001 zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes setzt voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem [X.]svermögen nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (vgl. u.a. zuletzt [X.]-Urteile vom 1. Juli 2014 IX R 47/13, [X.], 188, [X.], 786, und vom 13. Oktober 2015 IX R 41/14, [X.], 385, jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Die die Höhe des Verlustes bestimmenden Umstände standen nach der Bestätigung des Insolvenzverwalters --wie das [X.] zutreffend erkannt hat und zwischen den Beteiligten unstreitig [X.] bereits im Jahr 2001 fest. Der Kläger fiel mit seinem Darlehen in voller Höhe aus.

b) Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben; dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das [X.]sverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Zu in diesem Sinne funktionellem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder [X.], wenn der [X.]er der [X.] in der Krise der [X.] (§ 32a des Gesetzes betreffend die [X.]en mit beschränkter Haftung i.d.[X.] --GmbHG a.F.--) ein Darlehen gewährt (§ 32a Abs. 1 GmbHG a.F.), eine Bürgschaft übernimmt, eine Sicherheit bestellt (§ 32a Abs. 2 GmbHG a.F.) oder eine andere Rechtshandlung i.S. des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. unternimmt und diese [X.] eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Maßgebend dafür ist, ob ein [X.]er der [X.] in einem Zeitpunkt, in dem ihr die [X.]er als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der [X.]), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt (§ 32a Abs. 1 und 3 GmbHG a.F.; ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteil vom 8. Februar 2011 IX R 53/10, juris, m.w.N.).

c) Auf die Prüfung, wann die Krise eingetreten ist und wann der [X.]er hiervon Kenntnis erlangt hat, kann verzichtet werden, wenn der [X.]er --wie beispielsweise bei einem [X.] schon zu einem früheren Zeitpunkt mit bindender Wirkung gegenüber der [X.] oder den [X.]sgläubigern erklärt, dass er das Darlehen auch in der Krise stehenlassen werde (vgl. [X.]-Urteile vom 7. Dezember 2010 IX R 16/10, [X.], 778, unter [X.], und vom 25. Mai 2011 IX R 54/10, [X.], 2029, unter [X.]). Denn zu einer solchen Erklärung wäre ein Darlehensgeber, der nicht auch [X.]er ist, mit Rücksicht auf das ihm bei Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs regelmäßig zustehende außerordentliche Kündigungsrecht im Allgemeinen nicht bereit. Fällt der [X.]er bei Auflösung der [X.] mit einem solchen "krisenbestimmten" Darlehen aus, führt das grundsätzlich zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe des Nennwerts des Darlehens, da bei den "krisenbestimmten" Darlehen die Bindung bereits mit dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung im Zeitpunkt der Krise eintritt (vgl. u.a. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 9. Oktober 1986 II ZR 58/86, Betriebs-Berater --[X.]-- 1987, 80) und deshalb --im Unterschied zum "stehengelassenen Darlehen"-- der Verlust des Darlehens auf diesem Verzicht und nicht nur auf den später eintretenden gesetzlichen Rechtsfolgen der Krise beruht ([X.]-Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, [X.], 390, [X.] 1999, 724).

d) Ist der [X.]er --wie hier der [X.] (vgl. dazu § 57 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--), so sind die Grundsätze des Eigenkapitalrechts auf seine Finanzierungshilfen in der maßgeblichen Rechtslage vor Inkrafttreten des [X.] und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 ([X.], 2026) nur dann sinngemäß anzuwenden, wenn er mehr als 25 % der Aktien der [X.] hält oder --bei geringerer, aber nicht unbeträchtlicher Beteiligung-- verbunden mit weiteren Umständen über gesellschaftsrechtlich fundierte Einflussmöglichkeiten in der [X.] als Grundlage für eine (innergesellschaftliche) Finanzierungsverantwortung verfügt, die einer Sperrminorität vergleichbar sind. Eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat oder eine Vorstandsfunktion genügen dafür nicht (ständige Rechtsprechung des [X.] vom 9. Mai 2005 II ZR 66/03, [X.], 1416, und vom 26. März 1984 II ZR 171/83, [X.]Z 90, 381). Da [X.] lediglich unter diesen Voraussetzungen als funktionelles Eigenkapital zu beurteilen sind, führen sie nur dann zu nachträglichen Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB, wenn der Aktionär an der Aktiengesellschaft im vorgenannten Sinne unternehmerisch beteiligt ist ([X.]-Urteile in [X.], 7, [X.], 706; vom 8. Februar 2011 IX R 53/10, juris).

2. Nach diesen Grundsätzen war der [X.] des [X.] durch das [X.]sverhältnis veranlasst; denn das Darlehen hatte eigenkapitalersetzenden Charakter.

a) Nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 [X.]O) des [X.] war der Kläger im Zeitpunkt der Gewährung des unbesicherten Darlehens mit rund 27 % an der [X.] unternehmerisch beteiligt. Er hat in Wahrnehmung seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung in der [X.] vom 20. Juni 1999 gegenüber der [X.] mit bindender Wirkung sinngemäß erklärt, dass er das Darlehen auch in der Krise stehenlasse und seine Darlehensforderung im Rang hinter die Ansprüche aller anderen Gläubiger zurückfalle. Zudem wurde die [X.] dahingehend konkretisiert, dass er auf seine Darlehensforderung  verzichtet, wenn --wie im [X.] das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] eröffnet wird. Die zur Geschäftsführung dringend notwendige Finanzausstattung sollte daher im Streitfall nach dem Willen und der tatsächlichen Durchführung seitens des [X.] und der übrigen [X.]er durch eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden und war vom Zeitpunkt der Darlehenshingabe auf eine Krisenfinanzierung ausgelegt. Das Darlehen ist damit als haftendes Kapital einzustufen.

b) Es ist im Streitfall unerheblich, dass der Kläger im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an der [X.] lediglich noch mit rund 10 % beteiligt war. Denn bereits mit der in der unternehmerischen Entscheidung am 20. Juni 1999 enthaltenen bindenden Abrede der Krisenbestimmung und dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung übernahm das Darlehen die Funktion von Eigenkapital.

c) Anders als das [X.] meint, war der Darlehensvertrag nicht einseitig durch den Kläger kündbar und entspricht daher den für eine Qualifikation als krisenbestimmtes Darlehen erforderlichen Anforderungen.

aa) Das [X.] hat den Darlehensvertrag so ausgelegt, dass das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 Abs. 1 BGB nicht ausgeschlossen sei, womit der Kläger beispielsweise bei Einstellung der Zinszahlungen habe kündigen können.

bb) Die Auslegung von Willenserklärungen gehört zwar grundsätzlich zu der dem [X.] obliegenden Feststellung der Tatsachen. Der [X.] ist als Revisionsinstanz aber nicht gehindert, die Auslegung des [X.] daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB), die Denkgesetze und die gesetzlichen Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind (vgl. [X.]-Urteil vom 29. November 2007 IV R 62/05, [X.]E 220, 85, [X.], 557). Es ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. [X.] Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände verstehen musste ([X.]). Entspricht die finanzgerichtliche Auslegung diesen Grundsätzen, ist sie für den erkennenden Senat bindend, auch wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich war.

cc) Diese Grundsätze zugrunde gelegt, hat das [X.] im Streitfall gegen §§ 133, 157 BGB verstoßen. Anders als das [X.] meint, ist der Darlehensvertrag vielmehr dahingehend zu verstehen, dass jedes Kündigungsrecht des [X.], das den Darlehenszweck vereiteln würde, bis zum 30. Juni 2004 und bei einem zwischenzeitlichen Eintritt einer Unternehmenskrise darüber hinaus bis zu deren Beendigung ausgeschlossen war.

Bereits die Mindestlaufzeit des Darlehens bis zum 30. Juni 2004 zielt in ihrer Formulierung und inhaltlichen Zweckrichtung sowie dem wirtschaftlichen Bedeutungsgehalt darauf ab, dass die durch den Kläger gegebenen [X.], die für die Deckung des Finanzbedarfs der [X.] existenznotwendig waren, jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt der [X.] zur Verfügung stehen sollten. Dieser Sichtweise entsprechen auch die als Begleitumstände zu berücksichtigenden maßgeblichen Vorgaben durch die Investoren. Diese hätten eine Beteiligung an der [X.] abgelehnt, wenn der Kläger das Darlehen nicht gegeben hätte oder es vor dem 30. Juni 2004 hätte abziehen können. Schließlich ist zu beachten, dass es der Kläger als Vorstand der [X.] in der Hand gehabt hätte, einen außerordentlichen Kündigungsgrund, z.B. durch Aussetzen der Zinszahlung, selbst herbeizuführen. Den maßgeblichen Vorgaben der Investoren konnte daher nur ein Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts des [X.] für die Laufzeit des Darlehens bis zum 30. Juni 2004 (ggf. verlängert bis zur Überwindung einer Unternehmenskrise) genügen (vgl. [X.]-Urteil in [X.] 1987, 80).

3. Die Sache ist spruchreif. Dem Kläger sind aus der Darlehensgewährung an die [X.] nachträgliche Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2 EStG) in Höhe von 500.000 DM entstanden. Nachdem die Revision bereits aus den vorgenannten Gründen Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung mehr über die geltend gemachten Verfahrensrügen.

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

IX R 12/15

06.12.2016

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 23. September 2014, Az: 9 K 3123/11, Urteil

§ 17 Abs 1 EStG 1997, § 17 Abs 2 EStG 1997, § 17 Abs 4 EStG 1997, § 255 Abs 1 S 2 HGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 314 Abs 1 BGB, § 57 AktG, § 32a GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.12.2016, Az. IX R 12/15 (REWIS RS 2016, 1342)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1342

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 K 1725/13 (FG München)

Nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an einer Aktiengesellschaft


IX R 53/10 (Bundesfinanzhof)

Zur Frage der unternehmerischen Beteiligung eines Aktionärs


IX R 43/12 (Bundesfinanzhof)

Ausgefallene Finanzierungshilfen eines nicht geschäftsführenden, mit 10% beteiligten GmbH-Gesellschafters keine nachträglichen Anschaffungskosten


IX R 44/13 (Bundesfinanzhof)

Nachträgliche Anschaffungskosten bei Verzicht auf Kleinanlegerprivileg


IX R 37/11 (Bundesfinanzhof)

Anforderungen an die tatsächliche Durchführung eines Treuhandvertrags unter Ehegatten - Aufwendungsersatzanspruch


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.