Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 209/21 (B)

8. Senat | REWIS RS 2024, 2497

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis - teilweise Aufhebung eines Vorlagebeschlusses


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 22. September 2022 - 8 [X.] (A) - wird in Bezug auf die Vorlagefragen 4 bis 6 aufgehoben. Im Übrigen bleibt der Beschluss aufrechterhalten.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen einer Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen im [X.]rbeitsverhältnis immateriellen Schadensersatz nach [X.]rt. 82 [X.] zu zahlen. Der Kläger macht zuletzt ausschließlich geltend, die Beklagte habe entgegen den Vorgaben der [X.] im cloudbasierten [X.] „[X.]“ (im Folgenden [X.]) seine Daten unrechtmäßig verarbeitet. Bei der Beklagten bestand eine sogenannte „Duldungs-Betriebsvereinbarung über die Einführung von [X.]“ (im Folgenden [X.] Duldung). Mit der [X.] Duldung hatte der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat einer vorläufigen Inbetriebnahme von [X.] zu Testzwecken zugestimmt. Nach der [X.]nlage 2 zur [X.] Duldung dürfen Personalnummer, Nachname, Vorname, Telefonnummer, Eintrittsdatum, [X.], [X.]rbeitsort, Firma ([X.]), [X.]rbeitsort, Firma, geschäftliche Telefonnummer und geschäftliche E-Mail-[X.]dresse an [X.] übermittelt werden. Die Beklagte übermittelte darüber hinaus weitere personenbezogene Daten des [X.] an [X.] (Gehaltsinformationen, die private Wohnanschrift, Geburtsdatum, [X.]lter, Familienstand, die Sozialversicherungsnummer und seine Steuer-ID).

2

Das [X.]rbeitsgericht hat die Klage auf immateriellen Schadensersatz abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Der [X.] hat den Gerichtshof der [X.] (im [X.]) um eine Vorabentscheidung ersucht und insgesamt sechs Fragen zur [X.]uslegung von [X.]rt. 88 [X.]bs. 1 und [X.]rt. 82 [X.]bs. 1 [X.] formuliert. In Bezug auf deren Inhalt wird auf den [X.] vom 22. September 2022 (- 8 [X.] ([X.]) -) verwiesen. Ferner hat der [X.] die [X.]ussetzung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs angeordnet.

3

II. Mit Schreiben vom 25. Januar 2024 hat der Gerichtshof angefragt, ob das Vorabentscheidungsersuchen mit Blick auf die Urteile des Gerichtshofs vom 4. Mai 2023 (- [X.]/21 - [[X.]]), vom 14. Dezember 2023 (- [X.]/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] und - [X.]/22 - [Gemeinde [X.]]), vom 21. Dezember 2023 (- [X.]/21 - [Krankenversicherung [X.]]) und vom 25. Januar 2024 (- [X.]/21 - [[X.]]) ganz oder teilweise - insbesondere hinsichtlich der Vorlagefragen 4 bis 6 - aufrechterhalten wird. Der [X.] hat den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu der [X.]nfrage des Gerichtshofs eingeräumt. [X.]uf die eingegangenen Stellungnahmen beider Parteien vom 16. Februar 2024 wird Bezug genommen.

4

III. Der Vorlagebeschluss des [X.]s vom 22. September 2022 (- 8 [X.] ([X.]) -) war mit Blick auf die vorstehend genannten zwischenzeitlich ergangenen Urteile des Gerichtshofs in Bezug auf die Vorlagefragen 4 bis 6 aufzuheben. Die [X.]uslegung von [X.]rt. 82 [X.]bs. 1 [X.] ist insoweit durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs ausreichend geklärt.

5

1. Mit der Vorlagefrage 4 hat der [X.] den Gerichtshof um Beantwortung der Frage ersucht, ob [X.]rt. 82 [X.]bs. 1 [X.] dahin auszulegen ist, dass Personen ein Recht auf Ersatz des immateriellen Schadens bereits dann haben, wenn ihre personenbezogenen Daten entgegen den Vorgaben der [X.] verarbeitet wurden oder ob der [X.]nspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens darüber hinaus voraussetzt, dass die betroffene Person einen von ihr erlittenen immateriellen Schaden - von einigem Gewicht - darlegt. Der Gerichtshof hat entschieden, dass aus dem Wortlaut des [X.]rt. 82 [X.] klar hervorgeht, dass das Vorliegen eines „Schadens“ eine der Voraussetzungen für den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schadensersatzanspruch darstellt, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die [X.] und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind ([X.] 25. Januar 2024 - [X.]/21 - [[X.]] Rn. 58; 14. Dezember 2023 - [X.]/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 77; 4. Mai 2023 - [X.]/21 - [[X.]] Rn. 32). Weiter hat der Gerichtshof entschieden, dass [X.]rt. 82 [X.]bs. 1 [X.] dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat ([X.] 14. Dezember 2023 - [X.]/22 - [Gemeinde [X.]] Rn. 16 und - [X.]/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 78; 4. Mai 2023 - [X.]/21 - [[X.]] Rn. 51).

6

2. Die Vorlagefrage 5 entspricht wörtlich einer Vorlagefrage im Vorabentscheidungsersuchen - [X.]/21 - des [X.]s (B[X.]G 26. [X.]ugust 2021 - 8 [X.]ZR 253/20 ([X.]) - Rn. 35 ff., B[X.]GE 175, 319). Der [X.] hat den Gerichtshof um Beantwortung der Frage ersucht, ob [X.]rt. 82 [X.]bs. 1 [X.] spezial- bzw. generalpräventiven Charakter hat und ob dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von [X.]rt. 82 [X.]bs. 1 [X.] zulasten des Verantwortlichen bzw. [X.]uftragsverarbeiters berücksichtigt werden muss. Der Gerichtshof hat darauf geantwortet, dass [X.]rt. 82 [X.]bs. 1 [X.] dahin auszulegen ist, dass der in dieser Bestimmung vorgesehene Schadensersatzanspruch, insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens, eine [X.]usgleichsfunktion hat, da eine auf diese Bestimmung gestützte Entschädigung in Geld ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung erlittenen Schaden vollständig auszugleichen, und keine abschreckende oder Straffunktion erfüllt ([X.] 25. Januar 2024 - [X.]/21 - [[X.]] Rn. 50; 21. Dezember 2023 - [X.]/21 - [Krankenversicherung [X.]] Rn. 87).

7

3. Die Vorlagefrage 6 entspricht ebenfalls wörtlich einer Vorlagefrage im Vorabentscheidungsersuchen - [X.]/21 - des [X.]s (B[X.]G 26. [X.]ugust 2021 - 8 [X.]ZR 253/20 ([X.]) - Rn. 38 ff., B[X.]GE 175, 319). Der [X.] hat den Gerichtshof um Beantwortung der Frage ersucht, ob es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von [X.]rt. 82 [X.]bs. 1 [X.] auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. [X.]uftragsverarbeiters ankommt, insbesondere, ob ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. [X.]uftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden darf. Der Gerichtshof hat darauf geantwortet, dass [X.]rt. 82 [X.] dahin auszulegen ist, dass zum einen die Haftung des Verantwortlichen vom Vorliegen eines ihm anzulastenden Verschuldens abhängt, das vermutet wird, wenn er nicht nachweist, dass die Handlung, die den Schaden verursacht hat, ihm nicht zurechenbar ist, und dass [X.]rt. 82 [X.] zum anderen nicht verlangt, dass der Grad dieses Verschuldens bei der Bemessung der Höhe des als Entschädigung für einen immateriellen Schaden auf der Grundlage dieser Bestimmung gewährten Schadensersatzes berücksichtigt wird ([X.] 21. Dezember 2023 - [X.]/21 - [Krankenversicherung [X.]] Rn. 103).

8

IV. Der Vorlagebeschluss des [X.]s vom 22. September 2022 (- 8 [X.] ([X.]) -) ist in Bezug auf die Vorlagefragen 1 bis 3 aufrechtzuerhalten. Der [X.] hat den Gerichtshof mit der Vorlagefrage 1 um Beantwortung der Frage ersucht, ob eine nach [X.]rt. 88 [X.]bs. 1 [X.] erlassene nationale Rechtsvorschrift - wie etwa § 26 [X.]bs. 4 BDSG -, in der bestimmt ist, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten - einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten - von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses auf der Grundlage von [X.] unter Beachtung von [X.]rt. 88 [X.]bs. 2 [X.] zulässig ist, dahin auszulegen ist, dass stets auch die sonstigen Vorgaben der [X.] - wie etwa [X.]rt. 5, [X.]rt. 6 [X.]bs. 1 und [X.]rt. 9 [X.]bs. 1 und [X.]bs. 2 [X.] - einzuhalten sind. Weiter hat der [X.] den Gerichtshof gefragt, ob eine nach [X.]rt. 88 [X.]bs. 1 [X.] erlassene nationale Rechtsvorschrift - wie § 26 [X.]bs. 4 BDSG - dahin ausgelegt werden darf, dass den Parteien einer Kollektivvereinbarung (hier den Parteien einer Betriebsvereinbarung) bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung im Sinne der [X.]rt. 5, [X.]rt. 6 [X.]bs. 1 und [X.]rt. 9 [X.]bs. 1 und [X.]bs. 2 [X.] ein Spielraum zusteht, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (Vorlagefrage 2) und worauf in einem solchen Fall die gerichtliche Kontrolle beschränkt werden darf (Vorlagefrage 3). Zu diesen Vorlagefragen, die auf die [X.]uslegung des Unionsrechts gerichtet zu verstehen sind, verhalten sich die vom Gerichtshof mit Schreiben vom 25. Januar 2024 übermittelten Urteile nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Vorlagefragen 1 bis 3 aufgrund des Urteils des Gerichtshofs vom 30. März 2023 (- [X.]/21 - [Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer]) oder aufgrund von anderen Entscheidungen des Gerichtshofs als bereits abschließend geklärt angesehen werden können.

9

V. Das Revisionsverfahren bleibt insgesamt entsprechend § 148 [X.]bs. 1 ZPO ausgesetzt.

        

    Spinner    

        

    Krumbiegel    

        

    Pulz    

        

        

        

    Kothe-Woywode    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 209/21 (B)

25.04.2024

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Ulm, 14. November 2019, Az: 5 Ca 18/18, Urteil

Art 82 Abs 1 EUV 2016/679, Art 88 Abs 1 EUV 2016/679, § 26 Abs 4 BDSG 2018, Art 267 AEUV, Art 5 EUV 2016/679, Art 6 Abs 1 EUV 2016/679, Art 9 Abs 1 EUV 2016/679, Art 9 Abs 2 EUV 2016/679

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 209/21 (B) (REWIS RS 2024, 2497)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2497

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 97/22 (Bundesgerichtshof)

Vorlagefragen zum unionsrechtlichen Unterlassungsanspruchs und zum Begriff des immateriellen Schadens nach der Datenschutz-Grundverordnung


8 AZR 209/21 (A) (Bundesarbeitsgericht)

Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis


8 AZR 253/20 (A) (Bundesarbeitsgericht)

Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Arbeitsverhältnis


5 U 72/23 (OLG Saarland)

Scraping: Hier kein Schadensersatz


5 O 151/19 (LG Saarbrücken)

EuGH-Vorlage zur Auslegung von Art. 82 DSGVO. Zur Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung im immateriellen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.