Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2016, Az. XII ZB 346/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 1263

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:071216BXIIZB346.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]

vom

7. Dezember 2016

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 4 Abs. 1 Satz 2; DRiG § 112 Abs. 2
Allein die Tatsache, dass eine im Ausland abgelegte juristische Prüfung als erste
Staatsprüfung nach §
112 Abs.
2 DRiG anerkannt wird, besagt nichts darüber, ob der Prüfling durch die hiermit abgeschlossene Ausbildung besondere Kenntnisse erwor-ben hat, die für die Führung der Betreuung im Sinne von §
4 Abs.
1 Satz
2 [X.] nutzbar sind.
[X.], Beschluss vom 7. Dezember 2016 -
XII [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 7.
Dezember 2016
durch den
Vorsitzenden Richter Dose,
[X.], Dr.
Günter und Dr.
Botur
und die Richterin Dr.
Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der
weiteren Beteiligten
zu
2
wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 16.
Juli 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 621

Gründe:
I.
Die
weitere Beteiligte
zu
2 (im Folgenden:
Staatskasse)
begehrt eine Herabsetzung des der Beteiligten zu
1 (im Folgenden: Betreuerin) vom [X.] zugebilligten Stundensatzes von 44

Die Betreuerin war in der [X.] von September 2014 bis März 2015 zur vorläufigen Berufsbetreuerin bestellt. Sie erwarb 1984 an einer staatlichen [X.] in [X.] einen Hochschulabschluss, der vom [X.] des 1
2
-
3
-
Freistaats [X.] als der ersten juristischen Staatsprüfung i.S.v. §
112 Abs.
2
DRiG gleichwertig anerkannt wurde.
Mit ihrem Vergütungsantrag hat die Betreuerin einen Stundensatz von 44

ihr auf der Grundlage eines Stun-densatzes von 27

e-schwerde hat das [X.] der Betreuerin einen Stundensatz von 44

damit eine Vergütung von 1.606

Staatskasse mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1.
Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Betreuerin über eine Hochschulausbildung verfüge, die der [X.] gemäß §
112 Abs.
2 DRiG gleichwertig sei.
Angesichts des Wesens der Betreuung als rechtlicher Betreuung komme rechtlichen Kenntnissen eine grundlegende Bedeutung zu, so dass [X.] bei einem Studiengang der Rechtswissenschaften für die rechtliche Betreu-ung nutzbare Kenntnisse vermittelt würden. Danach sei es nicht zweifelhaft, dass ein in [X.] erlangtes erstes juristisches Staatsexamen ohne weite-re Voraussetzung, beispielsweise entsprechende Studienschwerpunkte, die Gewährung des höchsten Stundensatzes gemäß §
4 [X.] rechtfertige.

3
4
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-
4
-
Weil
vorliegend der ausländische Hochschulabschluss von dem Justiz-prüfungsamt des Freistaats [X.] mit der Folge anerkannt worden sei, dass dieser der ersten juristischen Staatsprüfung im Sinne des [X.]n Rich-tergesetzes gleichgestellt sei, sei eine unterschiedliche Bewertung nicht [X.]fertigt. Durch die Anerkennung des in der [X.] erworbenen [X.] habe die Betreuerin die Befähigung erlangt, in den juristischen Vor-bereitungsdienst einzutreten und die Befähigung zum Richteramt zu erwerben. Auf die konkret vermittelten Studieninhalte komme es insoweit nicht an. [X.] stehe fest, dass die Beschwerdeführerin ebenso
über die für die erste [X.] Staatsprüfung und einen späteren Vorbereitungsdienst geforderten Rechtskenntnisse verfüge wie jeder andere Betreuer, der in [X.] die erste juristische Staatsprüfung abgelegt habe.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a)
Gemäß §
4 Abs.
1 Satz
2 [X.] erhöht sich der Stundensatz von 27

verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse durch eine abge-schlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare ab-geschlossene Ausbildung erworben sind.
aa) Besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse sind über das je-dermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehende Kenntnisse, die den [X.] in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Solche Kenntnisse sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt (§
1901 Abs.
1 BGB), regelmäßig Rechtskenntnisse (Senatsbeschluss vom 10.
April 2013

XII
ZB
349/12

FamRZ 2013, 1029 Rn.
13
f. mwN).

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-
5
-
bb) Nach Sinn und Zweck des §
4 Abs.
1 Satz
2 [X.] ist ein erhöhter Stundensatz nicht bereits
dann
gerechtfertigt, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung
betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch
das erworbene betreu-ungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Bei der [X.] darf nicht auf die Bezeichnung des Berufs oder der Ausbildung abge-stellt werden, sondern es ist jeweils im Einzelfall die konkrete Ausbildung des Betreuers zu bewerten (Senatsbeschluss vom 16.
März 2016 -
XII
ZB
685/13

juris Rn.
5 mwN).
cc) Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen
erfüllt, die gemäß §
4 Abs.
1 Satz
2 [X.] die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe be-rücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 16.
März 2016

XII
ZB
685/13

juris Rn.
3 mwN).
b)
Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht [X.], weil es an den erforderlichen Feststellungen zu den besonderen Kennt-nissen i.S.v. §
4 Abs.
1 Satz
2 [X.] fehlt.
aa)
Dass das mit der Fachrichtung Völkerrecht abgeschlossene Hoch-schulstudium der Betreuerin, das gemäß §
112 Abs.
2 DRiG als erste juristische Staatsprüfung anerkannt worden ist, eine abgeschlossene Ausbildung an einer 11
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-
6
-
Hochschule im Sinne des §
4 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 [X.]
darstellt, steht außer Streit.
bb)
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung war das [X.] jedoch nicht davon entbunden, konkrete Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob die Betreuerin aufgrund ihres Hochschulabschlusses über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.
(1) Dem [X.] ist allerdings insoweit zuzustimmen, dass eine
in [X.] absolvierte erste juristische Staatsprüfung ohne weiteres auf den Erwerb besonderer, für die Betreuung nutzbarer
Kenntnisse schließen lässt. Dafür spricht schon, dass die dadurch nachgewiesenen Rechtskenntnisse für die Betreuung regelmäßig hilfreich sind (vgl. Senatsbeschluss vom 10.
April 2013

XII
ZB
349/12

FamRZ 2013, 1029 Rn.
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mwN).
(2) Hiervon ist allerdings der von §
112 Abs.
2 DRiG erfasste Tatbestand zu unterscheiden, der die Anerkennung einer im Ausland abgelegten juristi-schen Prüfung regelt.
Gemäß §
112 Abs.
2 DRiG sind juristische Prüfungen, die [X.] aus dem in Artikel
3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet vor dem 3.
Oktober 1990 im Ausland abgelegt haben, als erste
Staatsprüfung nach §
5 Abs.
1 DRiG anzuerkennen, wenn sie in der [X.]n Demokratischen Republik durch völ-kerrechtliche Vereinbarung mit der [X.] oder mit [X.] in Mittel-
oder Osteuropa, die mit der [X.] verbündet waren, oder durch Rechtsvor-schrift dem
Abschluss als [X.] gleichgestellt wurden und der ersten juristischen Staatsprüfung gleichwertig sind.
Wie sich den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt, ließ die [X.] einen kleinen Teil ihrer Jurastudenten an Universitäten oder Hochschulen in der da-15
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18
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-
7
-
maligen [X.] und anderen RGW-[X.] ausbilden. Die erfolgreichen Ab-solventen wurden nach ihrer Rückkehr vor allem als Justitiare in Betrieben ein-gesetzt, wo sie ihre im Ausland erworbenen Sprach-
und Rechtskenntnisse nutzbringend einsetzen konnten. Die im Ausland erworbenen Abschlüsse [X.] aufgrund der mit den anderen [X.] geschlossenen Äquivalenzabkom-men den in der vormaligen [X.] erworbenen juristischen [X.] gleichgestellt.
Die Übergangsregelungen des [X.], welche die Anerkennung juristischer Abschlüsse von Juristen aus dem Beitrittsgebiet regel-ten, galten indes nicht für juristische Auslandsabschlüsse (BT-Drucks. 12/6243, S.
8). Der Gesetzgeber wollte für Absolventen aus dem Beitrittsgebiet ebenso wie für Aussiedler nach dem [X.] den [X.] nach einer Einzelfallprüfung nur dann der ersten juristischen Staatsprü-fung gleichstellen, wenn er inhaltlich der ersten juristischen Staatsprüfung gleichwertig ist. Nur bei einer dem [X.] Jurastudium gleichwertigen rechtswissenschaftlichen Ausbildung bestehe eine hinreichende Chance, dass der Absolvent nach Einarbeitung in das bundes[X.] Recht den juristischen Vorbereitungsdienst erfolgreich abschließen könne (BT-Drucks. 12/6243,
S.
9).
Gleichwertigkeit i.S.d. §
112 Abs.
2 DRiG bedeutet demnach nicht, dass die im Ausland absolvierte Ausbildung die gleichen Kenntnisse vom [X.] Recht vermittelt wie ein in [X.] abgeschlossenes Jurastudium. Vielmehr
bezieht sich die geforderte Gleichwertigkeit allein auf das Ausbil-dungsniveau. Die Rechtswissenschaft ist eine national geprägte Wissenschaft, weshalb eine im Ausland abgelegte juristische Prüfung der Natur der Sache nach keine Kenntnisse des [X.] Rechts in dem Umfang bescheinigen kann, wie sie für das Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung notwendig sind (vgl. zu §
112 Abs.
1 DRiG
bzw. zum [X.]: [X.], 276; [X.] Beschluss vom 26.
September 2012

OVG
10
M
33.11

juris Rn.
8). Weil ausländische Prüfungen regelmäßig keine 20
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8
-
Kenntnisse des [X.] Rechts zu bescheinigen vermögen, genügt es für die Auslegung des Begriffs "gleichwertig" in diesem besonderen Regelungszu-sammenhang daher ausnahmsweise, wenn die ausländische
Prüfung die Fä-higkeit vermittelt, sich in die Hauptgebiete des [X.] Rechts einzuarbeiten (vgl. [X.], 276; [X.] Beschluss vom 26.
September 2012

OVG
10
M
33.11

juris Rn.
15; BT-Drucks. 12/6243, S.
9). Dabei liegt es beim
Betroffenen, wie er die ihm bescheinigte Befähigung, sich in [X.] Recht einzuarbeiten, in die Tat umsetzt.
(3) Der Anerkennung nach §
112 Abs.
2 DRiG lässt sich danach zwar die Fähigkeit der Betreuerin entnehmen, sich in das [X.] Recht einzuarbeiten. Sie lässt indes nicht darauf schließen, dass die Betreuerin aufgrund ihres Hochschulabschlusses über besondere

in [X.] relevante

Kenntnis-se verfügt, die für die Führung der Betreuung im Sinne von §
4 Abs.
1 Satz
2 [X.] nutzbar sind.
21
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3. Die Entscheidung des [X.]s ist daher aufzuheben. Da die er-forderlichen Feststellungen noch zu treffen sind, ist dem Senat eine abschlie-ßende Entscheidung in der Sache verwehrt. Sie ist daher zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das
[X.] zurückzuverweisen (§
74 Abs.
6 Satz
2 FamFG).

Dose

Schilling

Günter

Botur

Krüger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.05.2015 -
782 [X.] 1984/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.07.2015 -
3 [X.] -

22

Meta

XII ZB 346/15

07.12.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2016, Az. XII ZB 346/15 (REWIS RS 2016, 1263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1263

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 349/12 (Bundesgerichtshof)


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