Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.06.2023, Az. 10 B 5/23

10. Senat | REWIS RS 2023, 4786

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Gegenstand

Betreiben einer Deponie durch den Insolvenzverwalter


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 14. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 68 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Gemeinschuldnerin, die von 1971 bis 1992 Ablagerungen auf ihr nicht gehörenden Grundstücken vorgenommen hat. Der [X.]eklagte setzte ihr gegenüber [X.] unter Androhung von [X.] fest. Nach der [X.]estellung des [X.] zum Insolvenzverwalter stellte der [X.]eklagte fest, dass die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschuldnerin zur Durchführung aller im Rahmen der abfallrechtlichen [X.] erforderlichen Maßnahmen als Masseverbindlichkeiten eingestuft werden, und setzte Zwangsgelder für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschuldnerin gegenüber dem Kläger fest.

2

Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Der [X.]hof hat das Urteil des [X.] und den angegriffenen [X.]escheid aufgehoben. [X.] eine Deponie betreffend könnten einen Insolvenzverwalter nur treffen, wenn er selbst die Deponie betreibe oder betrieben habe. Das sei nicht der Fall, wenn der Insolvenzverwalter die Deponie nach Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis sofort stilllege, oder wenn - wie hier - die Deponie zu diesem Zeitpunkt bereits stillgelegt sei.

3

Der [X.]hof hat die Revision gegen seinen [X.]eschluss nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde des [X.]eklagten.

II

4

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

5

Die Rechtssache hat nicht die ihr vom [X.]eklagten beigemessene grundsätzliche [X.]edeutung.

6

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> und vom 7. Oktober 2022 - 7 [X.] 6.22 - juris Rn. 5). Daran fehlt es hier.

7

1. Die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage,

ob eine Deponie (§ 3 Abs. 27 KrWG; § 3 Abs. 10 KrW-/AbfG) außerhalb ihrer [X.]etriebsphase einschließlich der Stilllegungsphase, insbesondere in der [X.], einen [X.]etreiber in Gestalt eines Insolvenzverwalters haben kann,

hat keine grundsätzliche [X.]edeutung, weil sie für die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts ohne [X.]edeutung war. Denn das [X.]erufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger die Deponie nicht betrieben hat. Ob er sie hätte betreiben können, ist daher unerheblich.

8

Sollte die Frage in dem Sinne zu verstehen sein, ob einen Insolvenzverwalter [X.] des Gemeinschuldners bezüglich einer stillgelegten Deponie treffen, so ist diese Frage bereits höchstrichterlich geklärt.

9

Danach ist der [X.]egriff des [X.]etreibers einer Deponie synonym mit demjenigen des Inhabers bzw. bei mehreren Inhabern des letzten Inhabers. Der [X.]etreiber einer Deponie haftet auch für die sogenannten [X.]. Die Verantwortlichkeit des letzten [X.]etreibers für die Erfüllung der [X.] beruht darauf, dass der Gesetzgeber die Pflichten des [X.]etreibers nicht mit der Einstellung des [X.]etriebs enden lässt. Sie knüpft an seine [X.]etriebsführung an und stellt sich infolgedessen aus ordnungsrechtlicher Sicht als Verhaltenshaftung des [X.]etreibers dar. Die Nachsorgepflicht ist somit untrennbar mit dem [X.]etrieb der Deponie verbunden. Sie geht dann nicht auf einen Insolvenzverwalter über, wenn er die Deponie nicht selbst betreibt, sondern sogleich nach Erhalt der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis stilllegt ([X.]VerwG, Urteil vom 31. August 2006 - 7 C 3.06 - [X.]VerwGE 126, 326 Rn. 12 f., zur Gesamtvollstreckung und in [X.]ezug auf § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG; vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 22. Juli 2010 - 7 [X.] 12.10 - NVwZ-RR 2010, 759 Rn. 14). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für § 40 Abs. 2 KrWG, der im Wortlaut § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG entspricht.

Der Verordnungsgeber hat diese Grundsätze in der Deponieverordnung vom 27. April 2009 ([X.]G[X.]l. I S. 900) übernommen, indem er im damaligen § 2 Nr. 12 den [X.] als natürliche oder juristische Person, die die rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Deponie innehat oder die die [X.]etriebsführung wahrnimmt, definiert hat (vgl. [X.]T-Drs. 16/10330 [X.]). Der spätere Wegfall des Zusatzes "oder die [X.]etriebsführung wahrnimmt" durch die Verordnung vom 17. Oktober 2011 ([X.]G[X.]l. I S. 2066) hatte lediglich den Zweck, Personen mit einzubeziehen, die im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags durch den [X.] beauftragt werden ([X.]T-Drs. 17/6641 S. 17).

2. Der weiter von der [X.]eschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltenen Frage,

ob für das "[X.]etreiben" einer Deponie durch einen Insolvenzverwalter im Sinne von dessen ordnungsrechtlicher Verhaltenshaftung ausreichend ist, wenn er mit der [X.]ehörde, die bestandskräftige öffentlich-rechtliche Verpflichtungen des Schuldners als Masseverbindlichkeit ansieht, über eben diese Verpflichtungen verhandelt und diesbezüglich ein Vergleichsangebot macht,

kommt ebenfalls keine rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung zu.

Unter "[X.]etriebsführung" ist auch im abfallrechtlichen Kontext regelmäßig ein Tätigwerden im eigenen Namen, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung zu verstehen. Ungeachtet dessen ist die Frage, wer im Einzelfall [X.]etreiber ist, nicht allein nach formalen rechtlichen Gesichtspunkten, sondern unter [X.]erücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Einzelfallumstände zu beurteilen ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 22. Juli 2010 - 7 [X.] 12.10 - NVwZ-RR 2010, 759 Rn. 15). Eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Frage ist aber einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

10 B 5/23

23.06.2023

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 14. Oktober 2022, Az: 12 B 21.2051, Beschluss

§ 40 Abs 2 KrWG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.06.2023, Az. 10 B 5/23 (REWIS RS 2023, 4786)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4786

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