Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.05.2013, Az. 10 AZB 8/13

10. Senat | REWIS RS 2013, 6050

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Gegenstand

Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung - kein Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit


Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des [X.] vom 27. Februar 2013 - 3 Ta 31/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des [X.] hat der Kläger zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 200,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren noch darüber, ob die Beklagte die Lohnsteuerbescheinigung für das [X.] richtig ausgefüllt hat und vorab über den Rechtsweg.

2

Der Kläger trat im September 2010 als Angestellter in die Dienste der Beklagten. Er kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2011. Die Beklagte sprach ihrerseits eine außerordentliche und fristlose Kündigung zum 30. November 2011 aus. Auf die vom Kläger erhobene Klage stellte das [X.] mit Urteil vom 12. Juli 2012 (- 9 [X.] -) die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Dezember 2011 fest. Ferner verurteilte es die Beklagte zur Zahlung der Vergütung für Dezember 2011. Die Beklagte kam der Zahlungsverpflichtung nach. In der für das [X.] von der Beklagten erteilten Lohnsteuerbescheinigung ist die im [X.] gezahlte Vergütung für Dezember 2011 nicht enthalten. Stattdessen wies die Beklagte diesen Betrag unter Berufung auf das steuerrechtliche „[X.]“ in einer von ihr für das [X.] erteilten Bescheinigung aus. Der Kläger hält die Auffassung der Beklagten für unzutreffend. Das „[X.]“ gelte nicht im Streitfall.

3

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2011 eine Jahreslohnsteuerbescheinigung zu erteilen, die auch die Bezüge für den Monat Dezember 2011 erfasst.

4

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht für gegeben erachtet und den Rechtsstreit an das Finanzgericht verwiesen. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde des [X.], nachdem das Arbeitsgericht ihr nicht abgeholfen hatte, zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Für den Rechtsstreit ist der [X.] gegeben (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 33 Abs. 2 FGO). Die Voraussetzungen des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen (hier: § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG) liegen nicht vor.

6

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Arbeitspapiere. Nach der Gesetzesbegründung soll sich eine Streitigkeit über Arbeitspapiere wegen des engen [X.] nicht nur auf die Herausgabe der Arbeitspapiere, sondern auch auf deren Berichtigung beziehen (BT-Drucks. 8/2535 S. 34). Damit hat der Gesetzgeber aber nicht bewirkt, dass ein Arbeitnehmer eine Klage auf Berichtigung einer Arbeitsbescheinigung stets vor den Gerichten für Arbeitssachen verfolgen kann. Denn nach den Eingangsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG werden nur „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern „über Arbeitspapiere“ erfasst. Wegen dieses eindeutigen, die Zuständigkeit auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten beschränkenden Wortlauts kann trotz der Entstehungsgeschichte nicht angenommen werden, es sei eine ausdrückliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen kraft Zuweisung ohne Rücksicht darauf begründet, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder um eine [X.] Streitigkeit handelt ([X.] 11. Juni 2003 - 5 [X.] - zu II 1 der Gründe; 13. Juli 1988 - 5 [X.] - zu II 1 der Gründe, [X.]E 59, 169).

7

2. Ob eine Streitigkeit [X.]r oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.] hergeleitet wird. Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird ([X.] 11. Juni 2003 - 5 [X.] - zu II 2 der Gründe mwN).

8

3. Nach diesen Grundsätzen, denen sich auch der [X.] angeschlossen hat ([X.] 4. September 2008 - VI B 108/07 - Rn. 5), handelt es sich hier nicht um eine [X.], sondern um eine öffentlich-rechtliche, nämlich abgabenrechtliche Streitigkeit iSd. § 33 FGO.

9

a) Der von den Parteien ursprünglich geführte arbeitsrechtliche Streit um den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ist durch Urteil des [X.] vom 12. Juli 2012 (- 9 [X.] -) entschieden. Das Arbeitsverhältnis hat am 31. Dezember 2011 geendet. Die Parteien streiten nicht - auch nicht indirekt - um Zahlung von Arbeitsvergütung oder sonstige nach Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts zu beurteilende Fragen. Die einzige Meinungsverschiedenheit der Parteien betrifft das Steuerrecht. Der Kläger begehrt eine in bestimmter Weise ausgefüllte Lohnsteuerbescheinigung. Die Verpflichtung zur Erstellung dieser Bescheinigung folgt aus § 41b Abs. 1 EStG. Dort ist auch der gesetzlich vorgeschriebene Inhalt der Bescheinigung geregelt. Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie habe in Anwendung des „[X.]s“ die im [X.] erfolgte Zahlung der Vergütung für Dezember 2011 in der Lohnsteuerbescheinigung für das [X.] ausweisen müssen. Der Kläger meint, aus § 38a Abs. 1 EStG ergebe sich, dass die Bescheinigung über die Zahlung von [X.] stets für das Jahr zu erfolgen habe, für das sie geschuldet werden. Die Parteien streiten damit im [X.] um eine öffentlich-rechtliche, nämlich steuerrechtliche Frage. Ein Rechtssatz des bürgerlichen Rechts, der die Frage beantworten würde, besteht nicht. Außersteuerliche Rechtswirkungen sind mit der Lohnsteuerbescheinigung nicht verbunden ([X.] 7. Februar 2008 - VI [X.]/07 - Rn. 6).

b) Entgegen der Auffassung des [X.] ergibt sich bei Anwendung der neueren Rechtsprechung des [X.]s zur Frage des zutreffenden Rechtswegs bei Ansprüchen auf Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung im Streitfall kein anderes Ergebnis.

aa) In dem vom Kläger herangezogenen Beschluss ([X.] 4. September 2008 - VI B 108/07 - Rn. 8) hat der [X.] ausgeführt, bei einem Streit um die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten jedenfalls dann gegeben, wenn es bei dem Rechtsstreit im [X.] um arbeitsrechtliche Fragen gehe, zu denen die vom Arbeitnehmer beanstandeten Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung oder das Begehren des Arbeitnehmers auf Ausstellung einer Lohnsteuerbescheinigung einen bloßen Reflex bildeten. Der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt werde für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge insbesondere dann von Rechtssätzen des Arbeitsrechts geprägt, wenn Streit bestehe, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe, für welchen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden habe oder welche arbeitsrechtlichen Ansprüche - insbesondere Barlohnansprüche - bestünden oder bestanden hätten. Die letztgenannte Frage präge insbesondere dann den [X.] des Rechtsstreits, wenn um Bestehen und Inhalt einer Nettolohnvereinbarung gestritten und damit nach dem sachlichen Gehalt des Klagebegehrens zusätzlicher Lohn gefordert werde. Der [X.] hat in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2007 (- VI R 57/04 - Rn. 12, [X.]E 220, 124; ebenso 30. Juni 2005 - VI S 7/05 - Rn. 4) ausdrücklich festgehalten, dass dann, wenn die Entscheidung des Streits um die richtige Ausfüllung der Lohnsteuerbescheinigung die Anwendung steuerrechtlicher Normen erfordert, der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben ist. Der gegenteiligen Auffassung, nach der eine Zuständigkeit der Finanzgerichte für alle Klagen auf Berichtigung von [X.] ausgeschlossen sein soll ([X.] 14. Dezember 2011 - 10 K 811/11 L - Rn. 17 mwN; vgl. zum Streitstand auch: [X.]/[X.] Stand März 2013 § 2 ArbGG Rn. 145 ff.; Küttner/Poeche/[X.] Personalbuch 2013 Lohnsteuerbescheinigung Rn. 1 ff.; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 2 ArbGG Rn. 22; [X.] ArbGG Stand 1. März 2013 § 2 Rn. 21; GMP/[X.]/[X.] 7. Aufl. § 2 Rn. 79 ff.; [X.] Arbeitsgerichtsgesetz § 2 Rn. 15 f.; [X.] 6/2009 [X.]. 6), hat sich der [X.] nicht angeschlossen.

bb) Im hier gegebenen Fall stehen keine [X.]n Fragen zur Entscheidung. Es geht nicht darum, ob, für welchen Zeitraum oder in welcher Höhe dem Kläger arbeitsrechtliche Ansprüche zustehen. Es kann deshalb dahinstehen, ob Ansprüche auf Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung stets (so wohl [X.] 11. Juni 2003 - 5 [X.] - zu II der Gründe) oder nur dann dem Rechtsweg zu den Finanzgerichten zuzuordnen sind, wenn es „im [X.]“ um abgabenrechtliche Fragen geht (so [X.] 4. September 2008 - VI B 108/07 - Rn. 8 f.). Im Streitfall ist das steuerrechtliche Begehren des [X.] auch kein bloßer „Reflex“ eines arbeitsrechtlichen Anspruchs. Es liegt vielmehr gerade umgekehrt: Die vom Kläger geltend gemachte Nebenpflicht des Arbeitgebers auf richtige Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung erweist sich als bloßer Reflex des im [X.] abgabenrechtlichen Streits der Parteien.

4. Im Übrigen dürfte die Klage unzulässig sein. Die Lohnsteuerbescheinigung ist nur ein Beweismittel für den [X.], wie er tatsächlich stattgefunden hat ([X.] 30. Oktober 2008 - VI R 10/05 - Rn. 10, [X.]E 223, 202). Sie dient aber nicht dem Nachweis des [X.]s, wie er hätte durchgeführt werden müssen. Etwaige Fehler beim [X.] können im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berichtigt werden ([X.] 7. Februar 2008 - VI [X.]/07 - Rn. 3). Eine abweichende Einkommensteuerveranlagung ist durch eine unrichtige Lohnsteuerbescheinigung nicht ausgeschlossen, da dieser lediglich eine widerlegbare Beweiswirkung bei der Veranlagung zukommt ([X.] 18. August 2011 - VII B 9/11 - Rn. 8). Eine Bindungswirkung kommt ihr nicht zu ([X.] 30. Dezember 2010 - III R 50/09 - Rn. 10, 11).

III. [X.] fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger zur Last.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

10 AZB 8/13

07.05.2013

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Nürnberg, 17. Januar 2013, Az: 9 Ca 4782/12, Beschluss

§ 2 Abs 1 Nr 3 Buchst e ArbGG, § 33 FGO, § 17 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.05.2013, Az. 10 AZB 8/13 (REWIS RS 2013, 6050)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6050

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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