Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 7 ABR 6/13

7. Senat | REWIS RS 2015, 13843

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Schwerbehindertenvertretung - Wahlanfechtung - Ablauf der Amtszeit - Rechtsschutzinteresse


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 30. Oktober 2012 - 15 TaBV 1/12 - aufgehoben.

Auf die Beschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 17. Januar 2012 - 25 [X.] - abgeändert.

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

1

A. Die [X.]eteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom 10. November 2010.

2

Die Antragsteller zu 1. bis 21. sind schwerbehinderte Menschen, die als Arbeitnehmer im Werk [X.] 23. beteiligten Arbeitgeberin beschäftigt sind.

3

Am 10. November 2010 fand die Wahl der zu 22. beteiligten Schwerbehindertenvertretung statt. Der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis am 11. November 2010 bekannt. Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung begann am 1. Dezember 2010 und endete am 30. November 2014.

4

Die Antragsteller haben beantragt,

        

die Wahl der Schwerbehindertenvertretung bei der [X.], Werk U vom 10. November 2010 für unwirksam zu erklären.

5

Die Schwerbehindertenvertretung und die Arbeitgeberin haben Antragsabweisung beantragt.

6

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der [X.]eteiligten zu 1. bis 21. entsprochen. Das [X.] hat die [X.]eschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Schwerbehindertenvertretung und die Arbeitgeberin den [X.] weiter. Während des [X.] wurde am 18. November 2014 die Schwerbehindertenvertretung neu gewählt.

7

[X.]. Die zulässigen Rechtsbeschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin sind begründet.

8

I. [X.] sind zulässig.

9

1. Sie sind aufgrund der Zulassung im Tenor des angefochtenen [X.]eschlusses statthaft (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Sie sind frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§ 92 Abs. 2 Satz 1, § 94 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG).

2. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung ist weder durch die Neuwahl der Schwerbehindertenvertretung noch durch einen möglichen [X.] des [X.]n der Schwerbehindertenvertretung entf[X.].

a) Die Schwerbehindertenvertretung ist [X.]. Dem steht nicht entgegen, dass die Schwerbehindertenvertretung am 18. November 2014 neu gewählt worden ist. Die [X.]efugnis zur Fortführung einer Rechtsbeschwerde durch die Schwerbehindertenvertretung entfällt zwar mit dem Ende der Amtszeit (für den [X.]etriebsrat: [X.] 25. September 1996 - 1 [X.] - zu [X.]). Endet allerdings aufgrund einer turnusgemäßen Neuwahl das Amt einer Schwerbehindertenvertretung, wird nach dem Prinzip der Funktionsnachfolge und dem Grundgedanken der Kontinuität der Interessenvertretungen die neu gewählte Schwerbehindertenvertretung [X.] ihrer Vorgängerin und tritt automatisch in deren Rechtsstellung in einem arbeitsgerichtlichen [X.]eschlussverfahren ein (vgl. für den [X.]etriebsrat: [X.] 24. August 2011 - 7 [X.] - Rn. 15, [X.]E 139, 127; 13. Mai 2014 - 1 [X.] - Rn. 14).

b) Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung ist nicht dadurch berührt, dass der [X.] der Schwerbehindertenvertretung am 9. März 2015 mitgeteilt hat, das Mandat sei beendet, und dass der [X.] der Antragsteller mit Schriftsatz vom 1. März 2015 dargelegt hat, die Schwerbehindertenvertretung habe Rechtsanwalt [X.] nach Kenntnisnahme seines Schriftsatzes vom 28. Januar 2015 die Vollmacht entzogen.

aa) Nach § 92 Abs. 2 Satz 2 ArbGG gilt für die Vertretung der [X.]eteiligten vor dem [X.]undesarbeitsgericht § 11 Abs. 1 bis 3 und Abs. 5 ArbGG entsprechend. Danach können sich die [X.]eteiligten auch vor dem [X.]undesarbeitsgericht selbst vertreten. Eine Ausnahme gilt nach § 94 Abs. 1 ArbGG nur für die Einlegung und die [X.]egründung der Rechtsbeschwerde.

bb) Danach ist die Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung zulässig. Sie ist durch Rechtsanwalt [X.] eingelegt und begründet worden. Dass Rechtsanwalt [X.] zur Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht bevollmächtigt war, ist nicht ersichtlich. Nach den auch im [X.]eschlussverfahren geltenden Vorschriften des § 81 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG ermächtigt die einmal erteilte [X.] im Außenverhältnis - in den zeitlichen Grenzen des § 87 ZPO - zu [X.] den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln ([X.] 6. November 2013 - 7 A[X.]R 84/11 - Rn. 21). [X.]eruht bereits die [X.]eauftragung des [X.]n nicht auf einer wirksamen [X.]eschlussfassung, ist der Rechtsanwalt nicht wirksam bevollmächtigt. Allerdings ist die ordnungsgemäße Erteilung der Anwaltsvollmacht nach dem auch im [X.]eschlussverfahren anwendbaren § 88 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nur auf Rüge eines Verfahrensbeteiligten zu prüfen. Eine solche Rüge ist nicht erhoben. Daher kann auch dahinstehen, ob die Schwerbehindertenvertretung ihrem [X.]n das Mandat nach der [X.]egründung der Rechtsbeschwerde entzogen hat. Es kommt auch nicht darauf an, dass Rechtsanwalt [X.] im Anhörungstermin für die Schwerbehindertenvertretung aufgetreten ist, obwohl er möglicherweise nicht mehr mandatiert war. Über die Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung war unabhängig von der anwaltlichen Vertretung der Schwerbehindertenvertretung und deren Erscheinen im Anhörungstermin zu entscheiden. Das gilt deshalb, weil eine mündliche Anhörung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vorgeschrieben ist (vgl. etwa [X.]/[X.] Stand Dezember 2014 § 95 Rn. 6), weil ein Vertretungszwang in der mündlichen Anhörung nicht besteht (§ 92 Abs. 2 Satz 2, § 11 Abs. 1 bis 3 und Abs. 5 ArbGG) und weil der Pflicht zur Anhörung genügt ist, wenn ein [X.]eteiligter auf Ladung unentschuldigt ausbleibt (§ 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG).

II. [X.] der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung des Wahlanfechtungsantrags. Der Antrag ist unzulässig, weil das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung im Lauf des [X.] weggef[X.] ist.

1. Das [X.]estehen eines Rechtsschutzinteresses ist Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Sachentscheidung des Gerichts und deshalb in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der [X.], von Amts wegen zu prüfen. Das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung für die [X.]eteiligten keine rechtliche Wirkung mehr entfalten kann ([X.] 13. März 1991 - 7 A[X.]R 5/90 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 67, 316; 16. April 2008 - 7 A[X.]R 4/07 - Rn. 13).

2. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller fechten die am 10. November 2010 durchgeführte Wahl der Schwerbehindertenvertretung an und beantragen, die Wahl für unwirksam zu erklären. Die vierjährige Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung hat jedoch gemäß § 94 Abs. 7 SG[X.] IX am 30. November 2014 geendet. Damit ist das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung der Wahl entf[X.], denn eine die Wahl für unwirksam erklärende gerichtliche Entscheidung könnte sich für die [X.]eteiligten nicht mehr auswirken, da die erfolgreiche Anfechtung der Wahl nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SG[X.] IX iVm. § 19 [X.]etrVG nur für die Zukunft wirkt (vgl. für die [X.]etriebsratswahl: [X.] 13. März 1991 - 7 A[X.]R 5/90 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 67, 316; 16. April 2008 - 7 A[X.]R 4/07 - Rn. 13; 27. Juli 2011 - 7 A[X.]R 61/10 - Rn. 32, [X.]E 138, 377).

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

    M. Rennpferdt    

        

        

        

    Auhuber    

        

    M. Zwisler    

                 

Meta

7 ABR 6/13

18.03.2015

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Stuttgart, 17. Januar 2012, Az: 25 BV 398/10, Beschluss

§ 94 Abs 7 SGB 9, § 94 Abs 6 S 2 SGB 9, § 92 Abs 1 S 1 ArbGG, § 92 Abs 2 S 1 ArbGG, § 94 Abs 1 ArbGG, § 94 Abs 2 ArbGG, § 92 Abs 2 S 2 ArbGG, § 88 Abs 2 ZPO, § 11 Abs 1 ArbGG, § 11 Abs 3 ArbGG, § 11 Abs 5 ArbGG, § 46 Abs 2 ArbGG, § 81 ZPO, § 19 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 7 ABR 6/13 (REWIS RS 2015, 13843)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13843

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

7 ABR 23/12 (Bundesarbeitsgericht)

Wahlanfechtung - Widerruf einer Kandidatur


7 ABR 27/21 (Bundesarbeitsgericht)

Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung - Schwellenwert


7 ABR 79/16 (Bundesarbeitsgericht)

Nichtigkeit einer Betriebsratswahl - verfahrensrechtliche Folgen des Ablaufs der Amtszeit des Betriebsrats ohne Neuwahl


7 ABR 17/21 (Bundesarbeitsgericht)

Schwerbehindertenvertretung - vorzeitiges Amtszeitende - Beendigung der auf einem Verselbständigungsbeschluss beruhenden Dienststellenfiktion


7 ABR 1/17 (Bundesarbeitsgericht)

Einseitige Erledigungserklärung im Beschlussverfahren - erledigendes Ereignis - Antragsbefugnis - Rechtsschutzinteresse


Referenzen
Wird zitiert von

B 14 AS 180/15 B

B 4 AS 684/15 B

B 14 AS 188/15 B

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.