Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2015, Az. 4 StR 491/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 679

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2015:151215B4STR491.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 491/15

vom
15. Dezember
2015
in der Strafsache
gegen

wegen des Vorwurfs des Diebstahls mit Waffen u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15.
Dezember 2015 beschlossen:

Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6.
Juli 2015 wirksam zu-rückgenommen ist.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf des Diebstahls mit Waffen u.a. freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Hiergegen hat der Pflichtverteidiger des Angeklagten rechtzeitig Revision eingelegt. Mit Schreiben vom 17.
August 2015, das am 24.
August
2015 beim [X.] eingegangen ist,

e-, an seinen Verteidiger gerichteten
Schreiben des Angeklagten vom 30.
August 2015, in dem er mitteilte, doch bei der Revision bleiben zu wollen, beantragte der Pflichtverteidiger mit Schriftsatz vom 9.
September 2015 eine gerichtliche Ent-scheidung über die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung und begründete das 1
2
-
3
-
Rechtsmittel noch innerhalb der [X.] mit der allgemeinen Sachrüge.
1.
Der Angeklagte hat die Revision wirksam zurückgenommen (§
302 Abs.
1 Satz
1 [X.]).
a)
Dabei ist ohne Bedeutung, dass das Rechtsmittel vom Verteidiger [X.] wurde, die Rücknahme indes der Angeklagte selbst erklärt hat (vgl. §
297 [X.]; [X.], Beschlüsse
vom 11.
Oktober 2007

3
StR
368/07; vom 20.
Mai 2014

5
StR
531/13 jeweils mwN). Die Rücknahmeerklärung wahrt auch die hierfür erforderliche Form (vgl. [X.], [X.], 58.
Aufl., §
302 Rn.
7 mwN). Sie ist inhaltlich eindeutig und zweifelsfrei auf eine Beendigung des Revisionsverfahrens und damit den Eintritt der Rechtskraft des landgericht-lichen Urteils gerichtet.
b)
Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte bei Abgabe der Rücknahmeerklärung verhandlungs-
und damit prozessual hand-lungsfähig war.
aa)
Ein Angeklagter muss bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahme-erklärung in der Lage sein, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Be-deutung seiner Erklärung zu erkennen (vgl. [X.], aaO, Einl. Rn.
97, §
302 Rn.
8a). Dies wird

wie etwa §
415 Abs.
1 und 3 [X.] für das Siche-rungsverfahren gegen einen Schuldunfähigen belegt

allein durch eine Ge-schäfts-
oder Schuldunfähigkeit des Angeklagten nicht notwendig ausgeschlos-sen ([X.], aaO, §
302 Rn.
8a mwN). Vielmehr ist von einer Unwirk-samkeit der Rücknahmeerklärung

wie ausgeführt

erst auszugehen, wenn 3
4
5
6
-
4
-
hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsmittelführer nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen
Erklärung zu erfassen ([X.], Beschluss vom 11.
Oktober 2007

3
StR
368/07). Verbleiben Zweifel an seiner prozessualen Handlungsfähigkeit, geht dies zu seinen Lasten ([X.], Beschlüsse vom 28.
Juli 2004

2
StR
199/04, [X.], 341; vom 11.
Oktober 2007

3
StR
368/07 mwN).
bb) Hiervon ausgehend hat der Senat keine Zweifel an der Verhand-lungs-
und prozessualen Handlungsfähigkeit des Angeklagten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung.
Schon das Schreiben vom 17.
August 2015 gibt keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte Inhalt und Bedeutung der von ihm selbst handschriftlich verfassten Rücknahmeerklärung verkannt haben könnte. Sie ist sprachlich kor-rekt sowie inhaltlich eindeutig abgefasst und gibt die Daten des Urteils

ein-schließlich des vollständigen (auch staatsanwaltschaftlichen) Aktenzeichens

zutreffend wieder. Dementsprechend hatte ersichtlich selbst sein Verteidiger keinen Zweifel an der Wirksamkeit der Erklärung. Denn er hat

Bezug neh-mend auf die ihm vom [X.] übersandte Rücknahmeerklärung

ein mit der Revisionseinlegung gestelltes, erkennbar auf die Fertigung der [X.] abzielendes Akteneinsichtsersuchen zurückgenommen (Bd.
17 Bl.
108, 112 d.A.); in seinem Schriftsatz vom 9.
September 2015 erklär-

Auch die vom Verteidiger in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend gemachten

wie oben dargelegt indes nicht ausreichenden

7
8
9
-
5
-

Senat nicht. Der Angeklagte hat

wie schon im landgerichtlichen Verfahren, in dem er sowohl die Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen ([X.] S.
10, 38) als auch eine Schweigepflichtentbindung für die ihn während der zunächst vollzogenen Untersuchungshaft betreuende Ärztin
abgelehnt hat ([X.] S.
33)

auf die der freibeweislichen Klärung seines Zustandes bei Abgabe der Rücknahmeerklärung abzielende Anfrage des Senats mitgeteilt, dass er nicht dazu bereit sei, das ihn im Landeskrankenhaus am 17.
August 2015 behan-delnde Personal (Ärzte u.a.) von der Schweigepflicht zu entbinden. Allein die im landgerichtlichen Verfahren festgestellte, zur Annahme von Schuldunfähigkeit bei Begehung der Taten führende Erkrankung des Angeklagten bietet indes keinen hinreichenden Anlass, an der Verhandlungs-
und prozessualen Hand-lungsfähigkeit des Angeklagten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung zu [X.]. Denn es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass er auch diese Erklärung o-p.
23, 37; vgl. auch [X.], Beschluss vom 30.
Juli 2014

5
StR
292/14 mwN) abgegeben hat.
Bei Abgabe der Erklärung befand sich der Angeklagte bereits seit 13.
März 2015 ununterbrochen in einem Landeskrankenhaus für Psychiatrie
([X.] S.
10). Schon bei seiner polizeilichen Vernehmung Ende Januar 2015 war seine Vernehmungsfähigkeit und Glaubhaftigkeit nicht geschmälert ([X.] S.
29). Auch während der (zeitweise) in Anwesenheit des psychiatrischen Sachver-ständigen durchgeführten Hauptverhandlung bestanden ersichtlich keine Be-denken hinsichtlich seiner Verhandlungsfähigkeit (vgl. dazu auch den Vermerk des Vorsitzenden der [X.] vom 22.
September 2015, Bd.
17 Bl.
142 d.A. sowie [X.], aaO, §
302 Rn.
8a am Ende mwN). Anhaltspunkte dafür, dass sich nach der Hauptverhandlung infolge fehlender medikamentöser 10
-
6
-

n-sum von Alko

44; vgl. dazu auch [X.] S.
40, 45) erneut ein Krankheitsschub entwickelt und im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahme-erklärung bestanden hat, liegen nicht vor. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte, der geltend macht, bevorstehende Krankheitsschübe zu erkennen (vgl. [X.] S.
28, 39), sich selbst in seinem Schreiben vom 30.
August Deshalb kommt es, zumal die Verhandlungs-
und prozessuale Handlungs-fähigkeit des Angeklagten

wie ausgeführt

ohnehin allein durch eine Ge-schäfts-
oder Schuldunfähigkeit des Angeklagten nicht ausgeschlossen wird, auch nicht darauf an, dass der Verteidiger des Angeklagten mit dem weiteren Schriftsatz vom 11.
Dezember 2015 einen Auszug aus einem Gutachten vorge-legt hat, in dem die Frage, ob der Patient in seiner

n-

2.
Eine Anfechtung der Rücknahme wegen [X.] ist aus Rechts-gründen ausgeschlossen; die Rücknahmeerklärung ist nach ihrem Eingang bei Gericht unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28.
Juli 2004

2
StR
199/04, [X.], 341; vom 29.
Juli 2014

5
StR
314/14; vom 8.
Oktober 2015

2
StR
103/15 jeweils mwN).
3.
Da der Verteidiger des Angeklagten die Wirksamkeit der Revisions-rücknahme in Zweifel
gezogen hat, stellt der Senat die eingetretene Rechtsfol-ge durch deklaratorischen Beschluss fest (vgl. [X.], aaO, §
302 Rn.
11a mwN).
11
12
-
7
-
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Sie wurde bereits vom Land-gericht getroffen (Bd.
17 Bl.
113 d.A.).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Bender
13

Meta

4 StR 491/15

15.12.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2015, Az. 4 StR 491/15 (REWIS RS 2015, 679)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 679

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 491/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung eines Schuldunfähigen


3 StR 61/18 (Bundesgerichtshof)


2 StR 469/22 (Bundesgerichtshof)

Revisionsrücknahme: Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung bei festgestellter Schizophrenie des Angeklagten


3 StR 61/18 (Bundesgerichtshof)

Möglichkeit des Widerrufs einer vom Angeklagten erklärten Revisionsrücknahme


2 StR 410/17 (Bundesgerichtshof)

Sicherungsverfahren: Prozessuale Handlungsfähigkeit bei Abgabe einer Rechtsmittelerklärung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

4 StR 491/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.