Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.08.2020, Az. 1 C 18/19

1. Senat | REWIS RS 2020, 4078

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Gegenstand

Ausbildungsduldung auch bei berufsqualifizierender (Zweit-)Ausbildung in einem anderen als dem bereits im Ausland erlernten Ausbildungsberuf


Leitsatz

Der Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG für eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf steht nicht schon der Umstand entgegen, dass der Antragsteller im Herkunftsland bereits eine qualifizierte Berufungsausbildung in einem anderen Ausbildungsberuf absolviert hat.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Beschluss des [X.] vom 6. Mai 2019 und das Urteil des [X.] vom 7. November 2018 sind wirkungslos.

Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Nachdem die Klägerin und der Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen, die Unwirksamkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen nach § 173 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO festzustellen und gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden.

2

Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens der Klägerin und dem Beklagten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen. Einerseits wäre die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob eine Duldung im Sinne von § 60a Absatz 2 Satz 3 [X.] nach Maßgabe des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] auch dann zu erteilen ist, wenn der Ausländer in [X.] als Asylbewerber eine qualifizierte Berufsausbildung in einem anderen als dem bereits im Ausland erlernten staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf aufgenommen hat und nach Ablehnung des Asylantrags diese Berufsausbildung fortsetzen möchte, voraussichtlich im Sinne der Klägerin zu beantworten gewesen. Andererseits gründet das erledigende Ereignis in ihrer Sphäre.

3

Der Wortlaut des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] enthält keine Andeutung, dass von seinem Anwendungsbereich allein Ausländer begünstigt werden, die eine erste berufsqualifizierende Ausbildung aufnehmen. In binnensystematischer Hinsicht ist § 60c Abs. 1 Satz 2 [X.] zu entnehmen, dass der Anwendungsbereich des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] grundsätzlich weit und nur engen, durch Missbrauch gekennzeichneten Einschränkungen unterworfen sein soll. Ein Ausschluss von Ausländern, die bereits im Ausland eine qualifizierte Berufsausbildung absolviert haben, von dem Anwendungsbereich des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] folgt in außensystematischer Hinsicht auch nicht aus § 19d Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a oder c oder Abs. 1a [X.]. Die [X.] lassen nicht erkennen, dass die Frage der Aufnahme einer zweiten berufsqualifizierenden Ausbildung in einem anderen als dem bereits erlernten Ausbildungsberuf Gegenstand der Beratungen des Gesetzgebers zu § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] oder zu § 60a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. war. Zielt § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] darauf, ohnehin bereits in Ausbildung befindliche Ausländer ihre Ausbildung abschließen zu lassen und hierdurch den durch die demographische Entwicklung bedingten Umbruch am Ausbildungsmarkt abzufedern und zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses in der Bundesrepublik [X.] beizutragen, so kann ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht davon ausgegangen werden, dass bestimmte Ausbildungsverhältnisse von dem sachlichen Anwendungsbereich der Norm ausgeschlossen bleiben sollen. Dies hat er allein in § 60c Abs. 1 Satz 2 [X.] in Bezug auf Fälle offensichtlichen Missbrauchs getan. Auf einen solchen weist die Aufnahme einer (Zweit-)Ausbildung in einem anderen als dem bereits erlernten Ausbildungsberuf in der Regel, so auch hier, nicht.

4

Der Erteilung einer Ausbildungsduldung steht indes der vorzeitige Abbruch der Ausbildung zur staatlich anerkannten Altenpflegerin durch die Klägerin und deren Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis als Altenpflegehelferin entgegen.

5

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands des Revisionsverfahrens beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

1 C 18/19

11.08.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 6. Mai 2019, Az: 2 LB 991/18, Beschluss

§ 19d Abs 1 Nr 1 Buchst c AufenthG, § 19d Abs 1 Nr 1 Buchst a AufenthG, § 19d Abs 1a AufenthG, § 60a Abs 2 S 3 AufenthG, § 60c Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a AufenthG, § 60c Abs 1 S 2 AufenthG, § 125 Abs 1 S 1 VwGO, § 141 S 1 VwGO, § 161 Abs 2 S 1 VwGO, § 173 S 1 VwGO, § 92 Abs 3 VwGO, § 269 Abs 3 S 1 Halbs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.08.2020, Az. 1 C 18/19 (REWIS RS 2020, 4078)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4078

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