Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2016, Az. 2 StR 472/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 1687

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:291116B2STR472.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 472/16
vom
29. November
2016
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten besonders schweren Raubes

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 29.
November 2016 gemäß §
349 Abs.
4
[X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Juli 2016 mit den [X.].
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
und die der Nebenklägerin [X.] entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Entscheidung über die Anrechnung in [X.] erlittener Auslieferungshaft
getrof-fen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.
Die Verfahrensrüge ist aus den vom [X.] in seiner Zu-schrift genannten Gründen unzulässig. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher [X.] nicht stand.
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2
-
3
-
1. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, die Ergebnisse der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen ([X.], Urteil vom 30. März 2004

1 [X.], [X.], 238; st. Rspr.).
Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist auf die Frage
beschränkt, ob dem Tatrich-ter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht unter anderem der Fall, wenn die Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt,
oder die in den Urteilsgründen niederge-legten Beweiserwägungen lückenhaft oder unklar sind.
Besondere Darlegungsanforderungen bestehen in schwierigen Beweis-lagen, zu denen auch Konstellationen zählen, in denen der [X.] im Wesentlichen auf einem
Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Tatzeu-gen beruht. Aufgrund der Komplexität und Fehlerträchtigkeit bei der Überfüh-rung eines Angeklagten
aufgrund der Aussage und des Wiedererkennens
einer
einzelnen Beweisperson ist der Tatrichter grundsätzlich
verpflichtet, die Bekun-dungen des Zeugen
wiederzugeben, auf denen dessen Wertung beruht, dass er den Angeklagten
als den Täter wiedererkenne. Der Tatrichter ist aus sach-lich-rechtlichen Gründen regelmäßig verpflichtet, die Angaben des Zeugen zur Täterbeschreibung zumindest in gedrängter Form wiederzugeben und diese Täterbeschreibung des Zeugen zum Äußeren und zum Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung in Beziehung zu setzen ([X.], Beschluss vom 17. Februar 2016

4 [X.], [X.], 154, 155). Darüber hinaus sind in den Urteilsgründen auch diejenigen Gesichtspunkte darzulegen, auf de-nen die Folgerung des Tatrichters beruht, dass insoweit tatsächlich Überein-stimmung besteht ([X.], aaO).
Darüber hinaus ist der Tatrichter zur Wiedergabe der Umstände ver-pflichtet, die zur Identifizierung des Angeklagten durch den Zeugen geführt ha-ben. Hierzu gehören auch Ausführungen dazu, ob das

erste

Wiedererken-3
4
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-
4
-
nen auf einer
Einzellichtbildvorlage oder einer Wahllichtbildvorlage beruht; we-gen der damit verbundenen erheblichen suggestiven
Wirkung kommt dem Wie-dererkennen aufgrund
einer Einzellichtbildvorlage ein deutlich geringerer Be-weiswert zu (vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2016

4 [X.], [X.], 223; Beschluss vom 13. Februar 2003

3 [X.], [X.], 493, 494; Beschluss vom 25. September 2012

5 [X.], [X.], 381, 382; vgl. dazu [X.], [X.] der [X.], 9. Aufl.,
Rn. 1402c). Bei einer

erneuten

Identifizierung des Angeklag-ten durch den Zeugen in einer Hauptverhandlung ist außerdem zu beachten, dass insoweit eine verstärkte Suggestibilität der Identifizierungssituation besteht ([X.], aaO, [X.], 381, 382).
2. Das [X.] hat seine Überzeugung
von der [X.]chaft des [X.] maßgeblich auf die Angaben der Zeugin A.

gestützt. Die in-
soweit in den Urteilsgründen niedergelegten Beweiserwägungen sind jedoch lückenhaft. Sie sind im Wesentlichen auf die Mitteilung beschränkt, dass die Zeugin den Angeklagten []
sicher wiederhabe. Dies genügt den insoweit bestehenden Darlegungsanforderungen nicht.
a) Den
Urteilsgründen kann schon nicht entnommen werden, aufgrund welcher konkreten äußeren Merkmale
die Zeugin A.

den Angeklagten
als einen der
drei Täter wiedererkannt hat.
b) Darüber hinaus fehlen Erörterungen dazu, ob die konkrete Wahrneh-mungssituation ein Wiedererkennen des Angeklagten durch die [X.] überhaupt ermöglichte. Ausweislich der Feststellungen lag die Zeugin A.

zum Tatzeitpunkt im Bett und
schlief. Sie wurde wach
und schreckte hoch, nachdem einer der Täter die Türe zu ihrem Schlafzimmer geöffnet hatte. [X.] die drei Täter kurze Zeit später in das Schlafzimmer gestürmt waren, wur-6
7
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-
5
-
de die Zeugin von einem der männlichen Täter mit einem Stock
bedroht und [X.] zweimal das Schlafzimmer verließ und bei dem es sich ausweislich der Angaben der Zeugin um den Angeklagten gehandelt haben soll, hat die Zeugin (nur)
von der Seite gesehen. Darüber hinaus hatte dieser Täter zeitweise mit seinem Pullover
bedeckt. Vor diesem Hintergrund hätte es näherer Erörterungen bedurft, ob die konkrete Beobachtungssituation und die Verfassung der Zeugin im Tatzeitpunkt eine ver-lässliche Identifizierung des dritten [X.] überhaupt ermöglichte.
c) Darüber hinaus hat die [X.]
sich nicht

wie geboten

kritisch mit dem Umstand auseinander gesetzt, dass die Zeugin A.

den Ange-
kl.

veröffentlichten Bild wiedererkannt hat. Zwar ist in den Urteilsgründen darge-'G.

'
veröffentlichten Fahndungsfotos
[]
keine Suggestivwirkung auf
sie ausgeübt hatten, sondern es sich um ein 'echtes Wiedererkennen'
gehan-Ungeachtet des Umstands, dass die diesbezüglichen Bekundungen der Zeugin in den Urteilsgründen nicht wiedergegeben werden, verkennt die [X.], dass es sich bei der in Rede stehenden Suggestivwirkung um einen Erfahrungssatz handelt, der nicht durch etwaige dies in Abrede stellende Bekundungen eines Zeugen widerlegt werden kann. Der Ablauf der Identifizie-rung eröffnete die nahe liegende Möglichkeit, dass die originäre Erinnerung der Zeugin an den Täter durch das einzelne, in einer Zeitung veröffentlichte [X.] des Angeklagten 19. März 2013

5
StR 79/13, [X.], 725). Dies gilt in besonderem Maße, wenn auf einem anderen der vier Bilder, die der Zeugin unmittelbar nach der Tat gezeigt worden sind, die gesondert verfolgte Mittäterin V.

M.

abgebildet sein sollte, welche die Zeugin dem Gesamtzusammenhang der [X.]
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6
-
teilsgründe nach sicherer wiedererkannt hatte als den Angeklagten. Mit diesen Gesichtspunkten hätte sich die [X.] im Rahmen ihrer Beweiswürdigung kritisch auseinander setzen müssen.
d) Schließlich hat die [X.] nicht erkennbar bedacht, dass dem

wiederholten

Wiedererkennen
des Angeklagten in der Hauptverhandlung durch die [X.] ein allenfalls geringer Beweiswert zukam.

3. Der Senat vermag ein Beruhen des Urteils auf diesen [X.] trotz der auf den Angeklagten als Mittäter hinweisenden Umstände nicht [X.].
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

[X.]Krehl Zeng

Bartel

Grube

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12

Meta

2 StR 472/16

29.11.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2016, Az. 2 StR 472/16 (REWIS RS 2016, 1687)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1687

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 472/16

4 StR 412/15

4 StR 102/16

5 StR 372/12

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