Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.04.2014, Az. VI R 11/13

6. Senat | REWIS RS 2014, 6374

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Gegenstand

Auswärtstätigkeit im Ausland - Werbungskostenabzug - Abgrenzung zwischen lediglich "vorübergehender" Entsendung und von Anbeginn dauerhafter Entsendung an den neuen Beschäftigungsort


Leitsatz

1. Ein Arbeitnehmer, der zunächst für drei Jahre und anschließend wiederholt befristet von seinem Arbeitgeber ins Ausland entsandt worden ist, begründet dort keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, auch wenn er mit dem ausländischen Unternehmen für die Dauer des Entsendungszeitraums einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat .

2. Wird der Arbeitnehmer bei seiner Auswärtstätigkeit von Familienangehörigen begleitet, sind Aufwendungen für Übernachtungen nur anteilig als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Mietaufwendungen und Fahrtkosten, die im Rahmen einer zeitlich befristeten [[[[X.].].]]ätigkeit im Ausland entstanden sind, als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind [X.]hegatten und werden im Streitjahr 2007 zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte [X.]inkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

3

Während des Zeitraums vom 1. April 2006 bis 31. Dezember 2011 entsandte ihn seine [[[[X.].].]] Arbeitgeberin, die [[[[X.].].]] ([[[[X.].].]]), zu ihrer ausländischen [[[[X.].].]]ochtergesellschaft [[[[X.].].]] [[[X.].].] Die [[[[X.].].]] war im Streitjahr zu 90 % an der [[[[X.].].]] beteiligt. Der [[[[X.].].]] war ursprünglich auf drei Jahre befristet. Auf Grund von ungeplanten Verzögerungen musste er dreimal verlängert werden und endete schließlich am 31. Dezember 2011. Der Kläger wurde ab dem 1. Januar 2012 wieder --wie vor seiner [X.]ntsendung-- in der betrieblichen [X.]inrichtung der [[[[X.].].]] eingesetzt.

4

Ausweislich des [[[[X.].].]] zwischen dem Kläger und der [[[[X.].].]] verpflichtete sich der Kläger, die ihm übertragenen Aufgaben nach besten Kräften zu erfüllen, seine gesamte Arbeitskraft seinem Arbeitgeber (der [[[[X.].].]]) und der [[[[X.].].]] zur Verfügung zu stellen und die Interessen des Arbeitgebers in jeder Hinsicht zu fördern (Punkt I. des [[[[X.].].]]).

5

Neben dem [[[[X.].].]] schloss der Kläger einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag mit der [[[[X.].].]] ab. Der Arbeitsvertrag wurde am 8. April 2008 um zwei Jahre und am 22. Juli 2010 unbefristet verlängert. Das von der [[[[X.].].]] gezahlte --ausländische-- Gehalt rechnete die [[[[X.].].]] auf das [[[[X.].].]] Gehalt an und zahlte dem Kläger sein insoweit gekürztes inländisches Gehalt aus (Punkt II. des [[[[X.].].]]).

6

Zum 1. April 2006 gründete der Kläger zusammen mit der Klägerin und den beiden schulpflichtigen Kindern einen Wohnsitz in [[[X.].].] Die Kinder besuchten dort die [[[[X.].].]] Schule. Der Wohnsitz lag 51 km vom Beschäftigungsort des [[[X.].].] entfernt. Ihre Wohnung im Inland behielten die Kläger während der [X.]ntsendungszeit bei und benutzten sie während der ausländischen Schulferien an ca. zwei bis drei Wochen pro Jahr.

7

Auf der Grundlage der eingereichten [X.]inkommensteuererklärung für das Jahr 2007 veranlagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Kläger und setzte zuletzt mit Bescheid vom 12. September 2011 die [X.]inkommensteuer 2007 fest. Die vom Kläger in [[X.].] erzielten [X.]inkünfte hat es dabei seinen inländischen [X.]inkünften hinzu- und die dort entrichtete [X.]inkommensteuer angerechnet. Die als Werbungskosten bei den [X.]inkünften aus nichtselbständiger Arbeit des [[[X.].].] geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in [[X.].], im Wesentlichen Aufwendungen für die dortige Wohnung, hat das [X.] hingegen nicht berücksichtigt. Die nach erfolglosem [X.]inspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht ([X.]) mit den in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2013, 429 veröffentlichten Gründen abgewiesen.

8

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Sie beantragen sinngemäß,
das Urteil des [X.] Düsseldorf vom 14. Januar 2013 11 K 3180/11 [X.] und die [X.]inkommensteuerfestsetzung 2007 --zuletzt-- vom 12. September 2011 dahingehend abzuändern, dass bei den [X.]inkünften des [[[X.].].] aus nichtselbständiger Arbeit Mietaufwendungen für die im Ausland angemietete Wohnung in Höhe von 24.781 € und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 7.038 € als Werbungskosten berücksichtigt werden, hilfsweise den Mietzuschuss des Arbeitgebers in Höhe von 13.737,78 € steuerfrei nach § 3 Nr. 64 des [X.]inkommensteuergesetztes ([X.]StG) zu belassen, höchst hilfsweise den angefochtenen Steuerbescheid mangels unbeschränkter Steuerpflicht im Inland aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [[[[[[[X.].].].].].].] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[[[[[[[X.].].].].].].]O--). Das [[[[[[[X.].].].].].].] hat die Kosten des Klägers für seine Unterkunft in [[[[[[X.].].].].].] zu Unrecht nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [[[[X.].].].] in der im Streitjahr geltenden Fassung und seine Aufwendungen für Fahrten von seinem Wohnort in [[[[[[X.].].].].].] zu seiner ausländischen Tätigkeitsstätte zu Unrecht nur begrenzt im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 [[[[X.].].].] zum Abzug als Werbungskosten zugelassen.

1. Nach den bindenden Feststellungen des [[[[[[[X.].].].].].].] haben die Kläger während des [[[[[X.].].].].] eine Wohnung beibehalten und benutzt und damit einen Wohnsitz im Inland innegehabt. Sie sind damit im Streitjahr mit ihrem Welteinkommen in [[[[[X.].].].].] unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 [[[[X.].].].]). Zutreffend ist das [[[[[X.].].].].] deshalb bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung davon ausgegangen, dass die vom Kläger im Ausland erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seinen inländischen Einkünften hinzuzurechnen sind und die in [[[[[[X.].].].].].] entrichtete Einkommensteuer auf die [[[[X.].].].] Einkommensteuer anzurechnen ist (§ 34c [[[[X.].].].]). Denn in den Streitjahren bestand kein Doppelbesteuerungsabkommen mit [[[[[[X.].].].].].].

2. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 [[[[X.].].].] auch beruflich veranlasste Reisekosten abzuziehen. Hierzu zählen auch Aufwendungen für Übernachtungen anlässlich einer Auswärtstätigkeit (Senatsurteil vom 28. März 2012 VI R 48/11, [[[[X.].].].], 82, [[[[X.].].].], 926, m.w.N.).

a) Eine Auswärtstätigkeit liegt u.a. vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 [[[[X.].].].]) beruflich tätig wird. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats u.a. der Fall, wenn ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber für drei Jahre befristet (Senatsurteil vom 8. August 2013 VI R 72/12, [[[[X.].].].], 358, [[[[X.].].].], 68) oder wiederholt im Wege der "Kettenabordnung" (Senatsurteil vom 24. September 2013 VI R 51/12, [[[[X.].].].], 215, [[[[X.].].].], 342) an einem anderen Betriebsteil des Arbeitgebers als seinem bisherigen Tätigkeitsort eingesetzt wird. Eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 [[[[X.].].].] begründet er dort dann nicht.

b) Der Bezug einer Unterkunft am Ort der Auswärtstätigkeit begründet keine doppelte Haushaltsführung (Senatsurteil vom 13. Juni 2012 VI R 47/11, [[[[X.].].].], 53, [[[[X.].].].], 169; [[[[[[[X.].].].].].].]/[[[[X.].].].], [[[[X.].].].], 32. Aufl., § 9 Rz 141). Die Kosten hierfür sind deshalb in der im Streitjahr geltenden Fassung des [[[[X.].].].] als Übernachtungskosten in tatsächlicher Höhe abzugsfähig, wenn sie beruflich veranlasst sind; bei einer privaten Mitveranlassung sind sie nach den Grundsätzen des Großen Senats in der Sache GrS 1/06 --notfalls durch [[[[X.].].].] aufzuteilen (Beschluss des [[[[X.].].].] --BFH-- vom 21. September 2009, [[[[X.].].].], 1, [[[[X.].].].], 672).

3. Fahrtkosten eines Arbeitnehmers im Rahmen einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 [[[[X.].].].] in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 [[[[X.].].].] kommt insoweit nicht zur Anwendung. Denn ein Arbeitnehmer, der außerhalb einer dem Arbeitgeber zuzuordnenden Betriebsstätte oder an einer solchen nur vorübergehend und damit auswärts tätig ist, hat typischerweise nicht die Möglichkeit, seine [[[[X.].].].] gering zu halten (Senatsurteile in [[[[X.].].].], 215, [[[[X.].].].], 342, sowie in [[[[X.].].].], 358, [[[[X.].].].], 68, und vom 8. August 2013 VI R 59/12, [[[[X.].].].], 354, [[[[X.].].].], 66, jeweils m.w.N.).

4. Gemessen daran hält die Vorentscheidung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Arbeitsort in [[[[[[X.].].].].].] stellt entgegen der Auffassung des [[[[[[[X.].].].].].].] nicht die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers dar; vielmehr liegt eine Auswärtstätigkeit vor.

a) Denn der Kläger ist nach den bindenden Feststellungen des [[[[[[[X.].].].].].].] (§ 118 Abs. 2 [[[[[[[X.].].].].].].]O) von seinem inländischen Arbeitgeber zunächst für drei Jahre und mit dreimaliger Verlängerung zweieinhalb weitere Jahre zu der ausländischen Tochtergesellschaft entsandt worden. Nach Ablauf der Entsendung sollte der für die [[[X.].].] ruhende Arbeitsvertrag wieder aufleben und der Kläger wieder im Inland tätig werden (Punkt [[[[[[X.].].].].].]VI. des [[[X.].].]). Aufgrund der Befristung des Auslandseinsatzes in der Entsendevereinbarung (Punkt VII. des [[[X.].].]) und dem Fortbestehen seines --wenn auch [[[X.].].] inländischen Arbeitsverhältnisses hat der Kläger an seinem Beschäftigungsort in [[[[[[X.].].].].].] jedenfalls keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 [[[[X.].].].] begründet. Er ist dort nicht dauerhaft, sondern vielmehr nur vorübergehend tätig gewesen.

b) An der vorübergehenden Natur der vorliegenden Arbeitnehmerentsendung ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger mit der ausländischen Tochtergesellschaft seines Arbeitgebers einen zunächst befristeten, später unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Denn die (vorübergehende) Dauer seines Auslandseinsatzes ist nicht dort geregelt, sondern bestimmt sich nach den mit seinem inländischen Arbeitgeber geschlossenen Vereinbarungen; im Streitfall der Entsendungsvereinbarung. Ihr Inhalt ist vorliegend maßgeblich, wenn zu beurteilen ist, ob sich der Arbeitnehmer zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit aus ex ante Sicht darauf hatte einrichten können, dort dauerhaft tätig zu sein, und damit, ob der Arbeitnehmer lediglich "vorübergehend" oder von Anbeginn dauerhaft an den neuen Beschäftigungsort entsandt wurde.

Dass die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit der ausländischen Tochter für die Abgrenzung einer vorübergehenden von einer dauerhaften Tätigkeit ohne Aussagekraft sind, macht vorliegend nicht zuletzt der Umstand deutlich, dass der Kläger von seinem inländischen Arbeitgeber zunächst für drei Jahre entsandt worden ist, mit der ausländischen Tochter jedoch zu Beginn des [[X.].] lediglich einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat.

c) Damit hat das [[[[[[[X.].].].].].].] im zweiten Rechtsgang die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten von seinem Wohnort in [[[[[[X.].].].].].] nach seinem dortigen Beschäftigungsort nicht nach der Entfernungspauschale, sondern nach [X.] mit den tatsächlichen Kosten zu bemessen und als Werbungskosten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind die Übernachtungskosten des Klägers für Übernachtungen anlässlich einer Auswärtstätigkeit dem Grunde nach als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen. Insoweit ist die Sache jedoch nicht spruchreif. Denn als Werbungskosten abzugsfähig sind diese Aufwendungen nur insoweit, als sie beruflich veranlasst sind. Soweit die Übernachtungskosten auf dem Umstand beruhen, dass der Kläger bei seiner Auswärtstätigkeit von seiner Familie begleitet worden ist, weisen die Aufwendungen keinen Erwerbsbezug auf und sind nicht abzugsfähig. Das [[[[[[[X.].].].].].].] hat die geltend gemachten Übernachtungskosten deshalb nach den Grundsätzen des Großen Senats in der Sache GrS 1/06 --notfalls durch [[[[X.].].].] aufzuteilen ([X.] in [[[[X.].].].], 1, [[[[X.].].].], 672).

Meta

VI R 11/13

10.04.2014

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 14. Januar 2013, Az: 11 K 3180/11 E, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG 2002, EStG VZ 2007, § 12 Nr 1 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.04.2014, Az. VI R 11/13 (REWIS RS 2014, 6374)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6374

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