Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2017, Az. VI ZR 314/15

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15287

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:210217BVIZR314.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]
vom

21. Februar 2017

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 397, 402
Jeder Prozesspartei steht gemäß §§ 397, 402 ZPO zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs das Recht zu, einen Sachverständigen zu seinem schriftli-chen Gutachten mündlich zu befragen.
[X.], Beschluss vom 21. Februar 2017 -
VI [X.] -
O[X.]

[X.]

-

2

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Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 21. Februar
2017
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterinnen von [X.] und Dr.
Oehler und [X.]
Klein
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 30.
April 2015 im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
zu ih-rem Nachteil erkannt worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 41.936,50

Gründe:
I.
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen Tierhalterhaftung geltend. Der Ehemann der Klägerin (künftig: der Geschädigte)
entfernte
auf dem Gehweg vor seinem Hausgrundstück in gebückter
Haltung Unkraut. Dabei erschreckte er sich durch das Verhalten des Hundes des Beklagten und verdrehte sich das Bein. In der Folge unterzog er sich einer Knieoperation (Kreuzbandplastik), de-1
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ren Erforderlichkeit er auf den Vorfall mit dem Hund des Beklagten zurückführt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengut-achtens das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten un-ter Zurückweisung der weitergehenden Berufung verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 300

Höhe von 46,41

jeweils nebst Zinsen, zu zahlen. Die weitergehende Beru-fung hat es zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG.
Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das [X.] von einer mündlichen Erläuterung des Gut-achtens des Sachverständigen Dr.
G. abgesehen hat.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung
des erkennenden Senats steht
jeder Prozesspartei gemäß §§
397, 402 ZPO zur Gewährleistung des rechtli-chen Gehörs das Recht zu, einen Sachverständigen zu seinem schriftlichen Gutachten mündlich zu befragen (vgl. etwa Senatsurteile vom 21.
September 1982 -
VI
ZR 130/81, NJW 1983, 340, 341;
vom 24.
Oktober 1995 -
VI
ZR 13/95, [X.], 211;
vom 7.
Oktober 1997 -
VI
ZR 252/96, VersR 1998,
342, 343; Senatsbeschluss vom 5.
September 2006 -
VI
ZR 176/05, NJW-RR 2007, 212). Der Tatrichter muss dementsprechend dem von einer Partei recht-2
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zeitig gestellten Antrag, den
gerichtlichen Sachverständigen nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens zu dessen mündlicher Verhandlung zu laden, selbst dann stattgeben, wenn die schriftliche Begutachtung aus der Sicht des Gerichts ausreichend und überzeugend ist (vgl. Senatsurteil vom 17.
Dezember 1996 -
VI
ZR 50/96, [X.], 509 mwN). Dieser Pflicht ist der Tatrichter nur ausnahmsweise dann enthoben, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachver-ständigen verspätet oder rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist. Von [X.] kann nicht die Rede sein, wenn die Partei (wie in §
411 Abs.
4 ZPO vorge-sehen) konkret vorgetragen hat, worin sie Unklarheiten und Erläuterungsbedarf im Hinblick auf das schriftliche Sachverständigengutachten sieht und in welcher Richtung sie ihr Fragerecht ausüben will (vgl. Senatsurteil vom 7.
Oktober 1997 -
VI
ZR 252/96, aaO).
2. Im vorliegenden Fall war der von der Klägerin gestellte Antrag auf [X.] weder verspätet noch rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin hat mit [X.] vom 19.
Februar 2015 weitergehende Fragen an den Sachverständigen angekündigt, die Klarheit
dazu schaffen sollten, ob die Kreuzbandoperation auch ohne das schädigende Ereignis erforderlich gewesen wäre. Sie hat dazu ausgeführt, dass der Geschädigte trotz einer vorbestehen-den vorderen Kreuzbandruptur bis zu dem schädigenden Ereignis keine [X.] gesundheitlichen Probleme gehabt habe und trotz seines Alters sehr aktiv, fit und leistungsfähig gewesen sei. Soweit auf schriftlichem Wege eine abschließende Klärung
dieser Frage
nicht möglich sei, hat sich die Klägerin ei-nen Antrag auf persönliche Anhörung des Sachverständigen vorbehalten.
Nachdem das Berufungsgericht mit Verfügung vom 4. März 2015 ausgeführt hat, dass es nicht beabsichtige, dem Sachverständigen die mit [X.] der Klägerin vom 19. Februar 2015 gestellten Fragen zur Stellungnahme zu über-senden oder den Sachverständigen zum Termin zur Anhörung zu laden, hat die Klägerin
in einem weiteren [X.] vom 14.
März 2015 unter anderem ein 4
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Übergehen des Antrags auf Anhörung des Sachverständigen als Verstoß gegen rechtliches Gehör bezeichnet. Schließlich
hat
der instanzgerichtliche Prozess-bevollmächtigte der Klägerin
nochmals
in der mündlichen Verhandlung vom 31.
März 2015 die mangelnde Ausschöpfung der Beweismittel sowie die Nicht-beachtung der Einwendungen gegen das Gutachten nebst Übergehen von [X.] gerügt.
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
war die Anhörung des Sachverständigen nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei den Fragen, welche die Klägerin dem Sachverständigen stellen wollte, allein um Rechtsfra-gen
gehandelt habe. Vielmehr ist die Frage, ob der Geschädigte trotz der be-reits bestehenden Ruptur des vorderen Kreuzbandes bis zu dem Vorfall mit dem Hund des Beklagten im Wesentlichen beschwerdefrei war und erst
die er-littene Distorsion die erfolgte Kreuzbandplastik erforderlich machte, eine tat-sächliche Frage, welche
in Ermangelung eigener Sachkunde des Gerichts
nur mit Hilfe des medizinischen
Sachverständigen beantwortet werden kann.
4. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Klärung zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wä-

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re, war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen. Dieses wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung auch das weitere Vorbringen der Klägerin zu berücksichtigen haben.
Galke
[X.]
von [X.]

Oehler
Klein

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.04.2013 -
7 O 1322/12 (204) -

O[X.], Entscheidung vom 30.04.2015 -
8 [X.] -

Meta

VI ZR 314/15

21.02.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2017, Az. VI ZR 314/15 (REWIS RS 2017, 15287)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15287

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Wird zitiert von

11 W 8/19

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VI ZR 314/15

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