Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.04.2024, Az. 4 AZB 22/23

4. Senat | REWIS RS 2024, 2314

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Gegenstand

Prozesskostenhilfe - Beiordnung eines Rechtsanwalts - notwendige Vertretungsbereitschaft


Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des [X.] vom 25. September 2023 - 1 Ta 25/23 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für ein Verfahren vor dem [X.]. In diesem stritten die [X.]en über einen Zahlungsanspruch und über die Erteilung und Herausgabe verschiedener Arbeitspapiere.

2

Mit Klageschrift vom 13. Oktober 2022 beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Am 1. November 2022 erging gegen die Beklagte Versäumnisurteil. Der Kläger reichte innerhalb einer vom [X.] nachgelassenen Frist am 2. November 2022 eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst verschiedener Belege sowie eine Vollmachtsurkunde seines Prozessbevollmächtigten bei Gericht ein. Diese lautet auszugsweise wie folgt:

        

„Herrn Rechtsanwalt M B … wird hiermit … Vollmacht erteilt für die Beantragung von PKH/VKH in meiner o.b. Angelegenheit.

        

Der Auftrag umfasst lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles PKH-/VKH-Überprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache.“

3

Die Beklagte legte innerhalb der Einspruchsfrist keinen Einspruch gegen das ihr am 4. November 2022 zugestellte Versäumnisurteil ein.

4

Das [X.] wies mit Schreiben vom 7. November 2022 den Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass erwogen werde, den Antrag auf Beiordnung zurückzuweisen. Die vorgelegte [X.] umfasse lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles [X.] nach Abschluss der Hauptsache.

5

Hierauf erwiderte der Prozessbevollmächtigte des [X.], dass der Vorschrift des § 121 Abs. 2 ZPO keine gesetzliche Verpflichtung des beigeordneten Rechtsanwalts für das Überprüfungsverfahren zu entnehmen sei.

6

Das [X.] hat den Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen. Der sofortigen Beschwerde des [X.] hat das [X.] nicht abgeholfen. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

7

[X.]. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Beschwerde ist nicht begründet. Die Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des [X.] erfolgte zu Recht.

8

1. Gemäß § 11a Abs. 1 ArbGG gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der [X.] auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).

9

2. Die erforderliche Vertretungsbereitschaft eines Rechtsanwalts liegt - wie das Beschwerdegericht zutreffend entschieden hat - nur dann vor, wenn diese auch das [X.] erfasst.

a) Der Umfang einer Beiordnung erstreckt sich grundsätzlich auf den Rechtszug nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. [X.] 17. Januar 2018 - X[X.] ZB 248/16 - Rn. 19, [X.]Z 217, 206).

aa) Der Begriff des Rechtszugs ist im Rahmen des § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO im kostenrechtlichen Sinne zu verstehen. Verursacht ein Verfahrensabschnitt keine besonderen Kosten, ist er Teil eines einheitlichen Rechtszugs (vgl. [X.] 17. Januar 2018 - X[X.] ZB 248/16 - Rn. 19, [X.]Z 217, 206).

bb) Danach ist das Prozesskostenhilfeverfahren, welches das [X.] einschließt ([X.] 8. Dezember 2010 - X[X.] ZB 151/10 - Rn. 28), Teil des Rechtszugs (ebenso [X.] 10. August 2023 - 5 Ta 65/22 - unter [X.] 2.2 der Gründe; [X.] 25. Juli 2019 - 9 Ta 101/19 - unter [X.] 2 a cc der Gründe).

(1) Das Prozesskostenhilfeverfahren löst neben den Rechtsanwaltsgebühren für das Hauptsacheverfahren keine gesonderte Rechtsanwaltsvergütung aus. Nach § 15 Abs. 2 [X.] kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, stellen hierbei eine Angelegenheit dar (§ 16 Nr. 2 [X.]).

Der Einwand des Beschwerdeführers, auch dem beauftragten Rechtsanwalt könne eine 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV [X.] erwachsen, verfängt nicht. Diese Vorschrift regelt eine andere Fallgestaltung. Der Anwendungsbereich von Nr. 3335 VV [X.] ist nur dann eröffnet, wenn der Rechtsanwalt nicht zugleich als Prozessbevollmächtigter beauftragt und in diesem Verfahren (noch) nicht tätig geworden ist (HK-[X.]/[X.] 8. Aufl. [X.] VV 3335 Rn. 5). Ist aber wie vorliegend ein Rechtsanwalt auch als Prozessbevollmächtigter beauftragt und tätig, können zusätzliche Gebühren nicht entstehen.

(2) Weiterhin werden für das Prozesskostenhilfeverfahren keine gesonderten Gerichtsgebühren erhoben.

cc) Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe selbst keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann ([X.] 6. August 2021 - 15 [X.]/21 - unter [X.] der Gründe). Dieser Grundsatz beruht darauf, dass das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der [X.] erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will ([X.] 2. Juli 2012 - 2 BvR 2377/10 - Rn. 12). Er führt jedoch nicht dazu, dass in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts vorliegen, das [X.] von der Beiordnung ausgenommen werden kann.

b) Erfasst die Beiordnung daher grundsätzlich das [X.], muss sich die Vertretungsbereitschaft des Rechtsanwalts hierauf beziehen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO nur auf Antrag der bedürftigen [X.] zu erfolgen hat. Diese Sichtweise führt entgegen der Beschwerdebegründung nicht dazu, dass einer [X.], wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, ein Rechtsanwalt aufgedrängt wird. Zwar muss der Rechtsanwalt nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.] die Vertretung einer [X.] übernehmen, wenn er nach § 121 ZPO beigeordnet wird. Die Beiordnung selbst begründet aber noch keinen Vertrag oder ein Rechtsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und der [X.], die vielmehr nach der Beiordnung selbst entscheiden kann, ob sie den beigeordneten Rechtsanwalt als Vertreter erhalten und behalten will. Sofern dies nicht bereits geschehen ist, muss die [X.] also den beigeordneten Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung noch beauftragen und ihm für sein Auftreten eine Vollmacht erteilen. Erst dann entsteht ein Vertragsverhältnis zwischen [X.] und Rechtsanwalt ([X.] 1. März 1973 - [X.]I [X.]/71 - [X.]Z 60, 255). Die Bestimmungen über die [X.] nach § 11 ArbGG, §§ 78 ff. ZPO gelten mithin unabhängig von einer Beiordnung.

3. Eine Vertretungsbereitschaft im [X.] ist vorliegend nicht gegeben.

a) Wird dem Prozessgericht im Rahmen des Antrags auf Beiordnung eines Rechtsanwalts eine umfassende [X.] vorgelegt, geht daraus hervor, dass der betroffene Rechtsanwalt bereit ist, die [X.] im Rahmen der begehrten Beiordnung zu vertreten. Anders ist dies hingegen, wenn sich aus der Vollmacht Einschränkungen ergeben. In diesem Fall ist aus der Vollmachtsurkunde nicht ersichtlich, ob der Rechtsanwalt bereit ist, die [X.] über den in der Vollmachtsurkunde ausgewiesenen Inhalt hinaus im Rahmen des gesamten Rechtszugs nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu vertreten.

b) Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] in seinem Schriftsatz vom 15. November 2022 in Abrede gestellt, dass es im Falle einer Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO eine Verpflichtung gibt, die [X.] im Rahmen des [X.]s zu vertreten. Es ist nicht ersichtlich, dass er auf Verlangen des [X.] dennoch hierzu bereit wäre.

[X.]I. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Treber    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Betz    

        

        

        

             

        

             

                 

Meta

4 AZB 22/23

18.04.2024

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 23. Juni 2023, Az: 11 Ca 11209/22, Beschluss

§ 121 Abs 2 ZPO, § 119 Abs 1 S 1 ZPO, § 11a Abs 1 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.04.2024, Az. 4 AZB 22/23 (REWIS RS 2024, 2314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2314

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