Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2011, Az. III ZR 236/10

III. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3477

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BGHR: ja

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 236/10
vom

8. September 2011

in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am
8. September 2011
durch
den Vizepräsidenten
Schlick
und
die Richter [X.], [X.], [X.] und Tombrink

beschlossen:

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revi-sion in dem Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 1.
Oktober 2010 -
9
[X.]/09
-
wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der [X.] wird auf 40.000

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Kassenärztliche Vereini-gung einem
(erneuten)
Antrag des [X.] vom 6.
August 2008 auf Ausschrei-bung seines [X.]es (§
103 Abs.
4 SGB
V) zu entsprechen hatte, nachdem der Zulassungsausschuss in einem vorangegangenen Nachbeset-zungsverfahren am 23.
Juli 2008
den Arzt Dr.
D.

als Nachfolger ausge-wählt, einen Mitbewerber abgelehnt und der Kläger nach Zustellung dieser Ent-scheidung seinen auf dieses Nachbesetzungsverfahren bezogenen Antrag am 6.
August 2008
zurückgenommen hatte. Der Kläger hat vorgetragen, dass er 1
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3

-

seine Praxis zum Verkehrswert von 160.000

die Beklagte den [X.] erneut ausgeschrieben
hätte, während er durch deren Versäumnis gezwungen gewesen sei, die Praxis für 120.000

an Dr.
D.

zu veräußern. Die auf Schadensersatz in Höhe von 40.000

Zinsen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner Be-schwerde begehrt der Beklagte die Zulassung der Revision.

II.

Die Beschwerde des [X.] ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nach §
543 Abs.
2 ZPO nicht vor.

1.
Die Beschwerde hält die Zulassung der Revision in erster Linie zur Si-cherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich, weil der angefoch-tenen Entscheidung ein grundlegendes Missverständnis der Rechtsprechung des [X.] zugrunde liege und sie sich mit einer weit überwie-genden Ansicht in der Literatur in Widerspruch setze, wonach der Antrag auf Durchführung
eines Nachbesetzungsverfahrens bis zur Bestandskraft der Ent-scheidung des [X.] jederzeit zurückgenommen werden könne mit der Folge, dass die [X.] auf einen erneut gestellten Antrag wieder eine Ausschreibung vorzunehmen habe.

a) Die Beschwerde bezieht sich insoweit auf das Urteil des Bundessozi-algerichts vom 5.
November 2003 ([X.], 253), das die Fallgestaltung be-traf, dass ein im Nachbesetzungsverfahren von den Zulassungsgremien zuge-lassener Arzt während des von einem Mitbewerber eingeleiteten gerichtlichen Konkurrentenstreitverfahrens auf seine Zulassung verzichtete und der Mitbe-2
3
4
-

4

-

werber die Auffassung vertrat, er müsse nunmehr im anhängigen Verfahren zugelassen werden. Das hat das [X.] abgelehnt, weil sich der
angefochtene Verwaltungsakt durch den Verzicht auf die Zulassung im Sinne des §
131 Abs.
1 Satz
3 SGG erledigt habe (Rn.
10
f) und kein Verwaltungsver-fahren im Sinne des §
8 SGB
X mehr anhängig sei, das durch die Zulassung des Mitbewerbers abgeschlossen werden könne. Streitgegenstand des Verfah-rens sei allein die Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien für einen be-stimmten Bewerber (Rn.
12).

In der angeführten Entscheidung wird weiter ausgeführt, ein rechtlich geschütztes Interesse eines Bewerbers um
einen frei werdenden [X.] in einem überversorgten Gebiet könne es nur nach Maßgabe des [X.] im Sinne des Art.
3 Abs.
1 GG geben. Dieses Interesse sei nur insoweit geschützt, als der einzelne Bewerber bei einer tatsächlich er-folgenden Nachbesetzung nicht unter Verstoß gegen die in §
103 Abs.
4 SGB
V genannten Kriterien übergangen werden dürfe. Ein Anspruch auf Ausschrei-bung des Sitzes stehe ihm nicht zu; er könne die Rücknahme des [X.] nicht verhindern (Rn.
19). Abschließend heißt es in dem hier interessierenden Zusammenhang, das vor den Zulassungsgre-mien anhängige Verwaltungsverfahren im Sinne des §
8 SGB
X sei daher ins-gesamt beendet, wenn der dieses Verfahren abschließende Verwaltungsakt bestandskräftig werde oder sich -
auch vor Eintritt der Bestandskraft
-
auf [X.] Weise erledige (Rn.
20).

Der Beschwerde mag zugegeben werden, dass ein bis zur Bestandskraft eines [X.] reichendes Recht des an der Übergabe seiner Pra-xis interessierten Arztes auf Rücknahme seines Antrags nach §
103 Abs.
4 SGB
V nicht in Widerspruch zu den wiedergegebenen Ausführungen des Bun-5
6
-

5

-

dessozialgerichts stehen würde.
Der [X.] tritt jedoch der Bewertung des [X.] bei, dass sich das [X.] nicht mit dieser Frage, sondern allein mit der anderen Frage beschäftigt hat, welche Rechte ein im Verwaltungsverfahren abgewiesener Bewerber nach dessen Erledigung noch hat. Demgegenüber hat das vom Kläger angerufene Sozialgericht im Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, im Nachbesetzungsverfahren, das auch Wirkungen gegenüber Dritten entfalte, sei die Rücknahme eines [X.] auf Ausschreibung nur bis zur Auswahlentscheidung des Zulassungsaus-schusses möglich. Sehe der Kläger hierdurch seine Interessen als verletzt an, die ohnehin nur in Höhe des Verkehrswerts der Praxis zu berücksichtigen [X.], sei er auf -
hier nicht wahrgenommene
-
Rechtsmittel beschränkt ([X.], Beschluss vom 14.
Oktober 2008 -
S
83
KA
543/08
ER, juris Rn.
7). Diese Auffassung hat das Landessozialgericht
im Beschwerdeverfahren
gebilligt. Auch das [X.] (Beschluss vom 4.
August 2010 -
S
12
KA
646/10
ER, juris Rn.
15) hat sich dieser Auffassung angeschlossen.

b) Fehlt es hiernach an einer
einheitlichen Rechtsprechung im Sinne der Rechtsauffassung des [X.], über die sich das Berufungsgericht hinwegge-setzt hätte, ergibt sich auch unter Berücksichtigung
des Schrifttums nichts an-deres.

Zwar vertreten verschiedene Autoren die Auffassung,
eine Rücknahme des Antrags auf Ausschreibung und Praxisfortführung sei bis zur Bestandskraft der Entscheidung des [X.] jederzeit möglich (vgl. [X.] in [X.]/[X.], SGB
V, §
103 Rn.
40 ; Schallen, Zulassungsver-ordnung für Vertragsärzte, [X.], Medizinische Versorgungszen-tren, Psychotherapeuten, 7.
Aufl., §
16b Rn.
118; [X.] in Bäune/[X.]/
Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Ver-7
8
-

6

-

tragszahnärzte, §
16b Rn.
73; [X.], Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, 5.
Aufl., Rn.
35; [X.] in [X.] u.a., Fortführung von [X.], 3.
Aufl., [X.].
3 Rn. 337 ff, allerdings mit Einschränkungen zum [X.]wiederholungsrecht). Soweit hierfür eine Begründung angeführt wird, wird lediglich auf allgemeine Grundsätze des Verwaltungsverfahrens Bezug ge-nommen (vgl. §§
8, 18 SGB
X; hierzu auch v.
Wulffen, SGB
X, §
18 Rn.
7, 9).

Demgegenüber wird von anderen Vertretern
des Schrifttums -
ungeach-tet der allgemeinen Richtigkeit dieses Grundsatzes
-
unter Hinweis auf die allei-nige Regelungskompetenz der Zulassungsgremien und die Drittwirkung ihrer Entscheidungen eine Antragsrücknahme nur bis zur Entscheidung des Zulas-sungsausschusses für zulässig
erachtet (vgl.; Schroeder-Printzen in [X.]/
[X.], Handbuch Medizinrecht, 2.
Aufl., §
7 Rn.
491; [X.] in [X.], SGB
V, §
103 Rn.
40, 51; [X.]/[X.], [X.] 1994, 211, 218; [X.], Abgabe und Übernahme einer Arztpraxis, 2.
Aufl., [X.]. 4.1.3.3; so ursprünglich auch [X.] in [X.] u.a., Praxis der Fortführung von Arztpraxen, 1.
Aufl., [X.].
3 Rn.
105).

c) Ob die Beklagte, die in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Zu-lassungsausschusses vom 20.
August 2008 zunächst der Auffassung war, das Nachbesetzungsverfahren habe sich durch die Rücknahmeerklärung des [X.] erledigt, ihre Amtspflichten verletzt hat, indem sie auf den erneuten Antrag des [X.] nach dem Widerspruch des Arztes Dr.
D.

gegen den Be-schluss des [X.] vom 20.
August 2008 keine
weitere [X.] vornahm, kann offen bleiben. Auch wenn man der Auffassung des [X.] folgen wollte, seine Rücknahmeerklärung habe das Nachbesetzungs-verfahren wirksam beendet, zeigt die Beschwerde gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe sich insoweit nicht schuldhaft verhalten, 9
10
-

7

-

keine Zulassungsgründe auf. Deswegen bedarf es auch nicht der von der Be-schwerde hilfsweise geltend gemachten Zulassung wegen der rechtsgrundsätz-lichen Bedeutung der vorerörterten Rechtsfrage.

2.
Auch im Übrigen lässt die angefochtene Entscheidung keine zulas-sungsbegründenden Rechtsfehler erkennen. Von einer näheren Begründung wird insoweit abgesehen.

Schlick

[X.]
Herrmann

[X.]
Tombrink
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.09.2009 -
9 [X.]/09 -

KG Berlin, Entscheidung vom 01.10.2010 -
9 [X.]/09 -

11

Meta

III ZR 236/10

08.09.2011

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2011, Az. III ZR 236/10 (REWIS RS 2011, 3477)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3477

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III ZR 236/10

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