Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2018, Az. XI ZR 199/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 9185

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[X.]:[X.]:BGH:2018:150518U[X.]199.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XI ZR 199/16
Verkündet am:

15.
Mai 2018

Weber

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2018 durch den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, die
Richter [X.] und [X.] sowie die Richterinnen
Dr.
[X.] und Dr.
Dauber
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 6.
Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Stuttgart
vom 5.
April 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des vom Kläger erklärten [X.] seiner auf den Abschluss von drei Verbraucherdarlehensverträgen ge-richteten Willenserklärungen.
Die Parteien schlossen am 29.
Juli 2009 in einer Filiale der [X.] drei Darlehensverträge
in Höhe von insgesamt 1.200.000

30.
Juli 2024 bzw. bis zum 30.
Juni 2019 festgeschriebenen Nominalzins von 4,99% bzw. 4,05% p.a.
Dabei belehrte die Beklagte den Kläger über sein Widerrufsrecht bei [X.] drei Verträge inhaltsgleich wie folgt:
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-
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Der Kläger erbrachte Zins-
und Tilgungsleistungen. Mit Schreiben vom 30. April 2015 widerrief er seine auf Abschluss der drei Darlehensverträge ge-richteten Willenserklärungen.
Die auf Feststellung, dass die Darlehensverträge durch die Widerrufser-klärungen jeweils "beendet"
worden sind,
gerichtete Klage
hat das [X.] abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht dem sprachlich neu gefassten Antrag, dass die Darlehensverträge durch
den Wider-ruf jeweils ex nunc in [X.] umgewandelt worden sind, stattgegeben.

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt
die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung des [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der [X.] hat Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 5.
April 2016

6
[X.], juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen [X.]:
Die Feststellungsklage sei zulässig. Auf den Vorrang der Leistungsklage könne der Kläger nicht verwiesen werden, wenn

wie hier

der Saldo der nach 4
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Widerruf entstehenden wechselseitigen Ansprüche für ihn negativ sei. Der Klä-ger habe sein
Widerrufsrecht am 30.
April 2015 noch ausüben können. Die von der [X.] verwendete Belehrung habe den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprochen.
Zum einen habe sie unzureichend deutlich darüber unter-richtet, dass
die Widerrufsfrist erst beginne, wenn dem Verbraucher seine eige-ne Vertragserklärung zur Verfügung gestellt worden sei. Dabei komme es auf den Umstand, dass die Verträge in einer Filiale der [X.] geschlossen worden seien, nicht an. Zum anderen
genüge die Belehrung zur Dauer der [X.]frist, die alternativ mit einer
Fußnote versehen die Monatsfrist angebe, dem Deutlichkeitsgebot nicht. Der Fußnotentext sei durch die Wendung "wird bzw. werden kann"
bereits für sich genommen undeutlich.
Die Ausübung des Widerrufsrechts habe nicht gegen [X.] und Glauben verstoßen (§
242 BGB). Es stelle keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn der [X.] die Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum [X.] nehme, den Vertrag zu widerrufen. Der Kläger habe sein Widerrufsrecht auch nicht verwirkt. Der Umstand, dass dem Berechtigten sein Recht unbe-kannt sei, stehe der Verwirkung jedenfalls dann entgegen, wenn die Unkenntnis des Berechtigten in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten falle. Die
mit der nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile habe grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen. Ein schutz-würdiges Vertrauen könne der Unternehmer regelmäßig schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er den mit dem unbefristeten Widerrufsrecht verbunde-nen Schwebezustand durch die Erteilung einer fehlerhaften Belehrung selbst herbeigeführt habe. Ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte sei zu unterstel-len, dass der Verbraucher zunächst keine Kenntnis von seinem unbefristeten Widerrufsrecht habe, so dass der Widerruf
auch noch nach langer Zeit erfolgen könne.
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-
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-
II.
Diese Ausführungen
halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, die
auf [X.] Feststellung der Umwandlung der Darlehensverträge vom 29.
Juli 2009 in [X.] gerichtete Klage sei zulässig. Dem [X.] fehlt, wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils näher [X.] hat ([X.]surteile vom 24.
Januar 2017

XI
ZR 183/15,
[X.], 766 Rn.
11 ff.,
vom 21.
Februar 2017

XI
ZR 467/15, [X.], 906
Rn.
13
ff., vom 14.
März 2017

XI
ZR 442/16, [X.], 849 Rn. 19, vom 16.
Mai 2017

XI
ZR 586/15, [X.],
1258 Rn.
16, vom 4.
Juli 2017

XI
ZR 741/16, [X.], 1602 Rn.
16
f. und vom 23.
Januar 2018

XI
ZR 359/16, [X.], 664 Rn.
12), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des [X.] vom 24. Januar 2017 (aaO
Rn. 16) abwei-chend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil hier nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig [X.].
2. Im Ergebnis zutreffend
hat das Berufungsgericht gesehen, dass bei Ausübung des Widerrufsrechts am 30.
April 2015 die Widerrufsfrist nach §
495 BGB in Verbindung mit §
355 Abs.
1 und 2 BGB in der hier gemäß Art.
229 §
9 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, §
22 Abs.
2, §§
32, 38 Abs.
1 Satz
1 EGBGB maßgebli-chen, zwischen dem 1.
August 2002 und dem 10.
Juni 2010 geltenden Fassung
noch nicht abgelaufen war, weil die Beklagte den Kläger nicht hinreichend deut-lich über die Voraussetzungen des ihm zukommenden Widerrufsrechts belehrt hat.

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-
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-
a) Zwar
genügten, wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils klar-gestellt hat, entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts die Angaben der [X.] zur Länge der Widerrufsfrist den Vorgaben des inhaltlichen und gestalterischen Deutlichkeitsgebots (vgl. [X.]surteile
vom 14.
März 2017

XI
ZR 442/16, [X.], 849 Rn. 23, vom 16.
Mai 2017

XI
ZR 586/15, [X.], 1258 Rn. 19 und vom 28.
November 2017

XI
ZR 432/16, [X.], 50 Rn.
8).
b) Das Berufungsgericht hat jedoch zutreffend erkannt, dass die Beklagte mittels der Wendung "der schriftliche Vertragsantrag"
nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck brachte, dass Bedingung für das Anlaufen der Widerrufsfrist die Vertragserklärung des [X.] war (vgl. [X.]surteile
vom 21.
Februar 2017

XI
ZR 381/16, [X.], 806 Rn. 13, vom 14.
März 2017

XI
ZR 442/16, [X.], 849 Rn. 24 und vom 16.
Mai 2017

XI
ZR 586/15, [X.], 1258 Rn.
21). Der durch objektive Auslegung ermittelte [X.] kann, was das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen und der [X.] bereits [X.] begründet hat, nicht anhand des nicht in der Widerrufsbelehrung selbst in Textform dokumentierten Verständnisses der Parteien nach Maßgabe der be-sonderen Umstände ihrer Erteilung präzisiert werden ([X.]surteile
vom 21.
Februar 2017,
aaO
Rn.
16
ff., vom 14.
März 2017, aaO Rn. 24, vom 16.
Mai 2017,
aaO
Rn. 25, vom 21.
November 2017

XI
ZR 106/16, [X.], 51 Rn.
14 und vom 20.
Februar 2018

XI
ZR 127/16, juris Rn. 14). Der Sache nach stützt die Revision ihre gegenteilige Ansicht auch gar nicht auf ein tatsäch-lich abweichendes Verständnis der Parteien, sondern darauf, der Belehrungs-fehler sei in der konkreten Situation des Vertragsschlusses nicht kausal gewor-den. Auf die Kausalität des [X.]s kommt es indessen nicht an. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch die missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufs-rechts abzuhalten ([X.]surteil vom 21.
Februar 2017, aaO Rn. 18 mwN).
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-
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-
c) Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des §
14 Abs.
1 [X.] in der [X.] dem 1.
September 2002 und dem 10.
Juni 2010 geltenden Fassung kann sich die Beklagte
nicht berufen, weil sie das Muster für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu §
14 Abs.
1 und 3 [X.]
in der zwischen dem 1.
April 2008 und dem 3.
August 2009 geltenden Fassung nicht verwendet hat (vgl. [X.] vom 12.
Juli 2016

XI
ZR 564/15, [X.], 123 Rn. 22 ff.).
3. Anhand der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen [X.]s-rechtsprechung
als rechtsfehlerhaft erweisen sich außerdem die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verwirkung des Widerrufsrechts (§
242 BGB) verneint
hat. Dass die Beklagte davon ausging oder ausgehen musste, der Kläger habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schloss entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts eine Verwirkung nicht aus ([X.]s-urteil vom 10.
Oktober 2017

XI
ZR 443/16, [X.], 2248 Rn. 26; [X.]sbe-schluss vom 23.
Januar 2018

XI
ZR 298/17, [X.], 614 Rn. 17). Gleiches gilt für den Umstand, dass der Darlehensgeber "den mit dem unbefristeten [X.]recht verbundenen Schwebezustand selbst herbeigeführt"
hat, weil er eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht erteilt hat
([X.]surteil
vom 10.
Oktober 2017, aaO Rn. 26; [X.]sbeschlüsse vom 23.
Januar 2018 aaO Rn.
18 und vom 7.
März 2018

XI
ZR 298/17, juris).

III.
Das Berufungsurteil
ist daher aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§
561 ZPO).
Eine eigene Sachentscheidung (§
563 Abs.
3 ZPO) ist dem [X.] nicht möglich, so dass die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das 16
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-
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Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO). Der [X.] kann die Feststellungsklage nicht als unzulässig abweisen, weil dem Kläger zunächst Gelegenheit gegeben werden
muss, zu einem zulässigen Klageantrag überzugehen ([X.]surteile vom 21.
Februar 2017

XI
ZR 467/15, [X.], 906 Rn.
39, vom 4.
Juli 2017

XI
ZR 741/16, [X.], 1602 Rn. 34 und vom 10.
Oktober 2017

XI
ZR 456/16, [X.], 2254 Rn.
15 sowie

XI
ZR 457/16, [X.], 2256 Rn. 28).
Im Übrigen kann der [X.] einer tatrichterlichen Wür-digung der für eine Subsumtion unter §
242 BGB maßgeblichen Umstände nicht vorgreifen (st. Rspr., vgl. zuletzt [X.]surteil vom 10.
Oktober 2017

XI
ZR 393/16, [X.], 2247 Rn. 11 mwN).

Ellenberger
Grüneberg
Matthias

[X.]
Dauber

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.07.2015 -
25 O 94/15 -

[X.], Entscheidung vom 05.04.2016 -
6 [X.] -

Meta

XI ZR 199/16

15.05.2018

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2018, Az. XI ZR 199/16 (REWIS RS 2018, 9185)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9185

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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