Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2016, Az. V ZB 69/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 5461

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:150916BVZB69.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

15. September 2016

in der Abschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 2 Abs. 14 Nr. 6
Ein konkreter Anhaltspunkt für das Bestehen von Fluchtgefahr nach §
62 Abs. 3 Satz 1 Nr.
5,
§ 2 Abs. 14 Nr. 6 [X.] kann auch ein Verhalten des Auslän-ders an Bord eines Luftfahrzeugs sein, das darauf zielt, von der Beförderung durch den Luftfahrzeugführer ausgeschlossen zu werden. Das Verhalten muss nicht darin bestehen, dass der Ausländer physischen Widerstand leistet oder androht.
[X.], Beschluss vom 15. September 2016 -
V [X.] -
LG Traunstein

AG [X.] a. Inn

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2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 15. September 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland
und [X.] Göbel und Dr. Hamdorf

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 20. April 2016 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Der Betroffene ist [X.] Staatsangehöriger. Nachdem ihm in [X.] internationaler Schutz zuerkannt worden war, reiste er unerlaubt nach [X.] ein, wurde am 11. Januar 2016 aber wieder nach [X.]. Zwei Wochen später reiste er erneut unerlaubt nach [X.] ein. Die für den 24.
März 2016 vorgesehene Abschiebung nach [X.] scheiter-te, da der verantwortliche Pilot wegen Äußerungen des Betroffenen dessen Be-förderung ablehnte. Daraufhin ordnete das Amtsgericht, nachdem es zunächst eine einstweilige Anordnung erlassen hatte, mit Beschluss vom 30. März 2016 Haft bis zum 9. Mai 2016 zur Sicherung der Abschiebung an. Das Landgericht 1
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hat auf die Beschwerde des Betroffenen den Beschluss des Amtsgerichts da-hingehend geändert, dass Haft nur bis zum 23. April 2016 angeordnet wird. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Am 22. April 2016 wurde der Betroffene nach [X.] abgeschoben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Feststellung, dass er durch die Haftanordnung und die seine Beschwerde zurückweisende Entscheidung des [X.] in seinen Rechten verletzt ist.

II.
Nach Ansicht des [X.] besteht der Haftgrund der [X.] gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, § 2 Abs. 14 Nr. 6 [X.]. Die Äuße-rungen des Betroffenen vor dem Abflug hätten dazu geführt, dass er aufgrund von Sicherheitsbedenken des Piloten nicht mitgenommen worden sei.

III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Haftanordnung ist rechtsfehlerfrei auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß §
62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, § 2 Abs. 14 Nr. 6 [X.] gestützt worden.
a) Nach § 2 Abs. 14 Nr. 6 [X.] kann ein konkreter Anhaltspunkt für das Bestehen einer Fluchtgefahr darin liegen, dass der Ausländer, um sich der bevorstehenden Abschiebung zu entziehen, sonstige konkrete Vorbereitungs-handlungen von vergleichbarem Gewicht vorgenommen hat, die nicht durch Anwendung unmittelbaren Zwangs überwunden werden können. Der [X.] erfasst die sonstigen im Verantwortungsbereich eines Ausländers [X.] konkreten Vorbereitungshandlungen, die auf die Verzögerung bzw. Verhin-2
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derung der ihm bevorstehenden Rückführung ausgerichtet sind und in unmittel-barem zeitlichem
Zusammenhang mit der Rückführung stehen. Voraussetzung für die Anwendung der Nummer 6 ist, dass die Handlungen des Ausländers gleichermaßen Ausdruck einer möglichen Entziehungsabsicht sind wie bei den in Nummer 1 bis 5 beschriebenen Fallgruppen (BT-Drucks. 18/4097, [X.]).
b) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen bejaht das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei.
Ausdruck einer möglichen Entziehungsabsicht kann auch ein Verhalten des Betroffenen an Bord eines Luftfahrzeugs sein, das den Ausschluss von der Beförderung in den Zielstaat der Rückführung durch den verantwortlichen Luft-fahrzeugführer zur Folge hat (BT-Drucks. 18/4097, [X.]). Entgegen der [X.] der Rechtsbeschwerde ist hierfür nicht erforderlich, dass das zu seiner Nichtbeförderung führende Verhalten des Ausländers darin besteht, dass er physischen Widerstand leistet oder androht. Es genügt jedes Verhalten des Ausländers, das darauf zielt, von der Beförderung durch den Luftfahrzeugführer ausgeschlossen zu werden. Zu Recht hat das Beschwerdegericht -
anknüpfend an die Stellungnahme
der Bundespolizeiinspektion [X.] vom 11. April 2016 -
eine auf Verhinderung der bevorstehenden Rückführung gerich-tete Vorbereitungshandlung des Betroffenen darin gesehen, dass er sich beim Betreten des
Flugzeuges sofort direkt an den Flugkapitän und das Flugbegleit-personal gewandt und diesen gegenüber zu verstehen gegeben hat, dass er nicht nach [X.] fliegen wolle, weil er sich dort bedroht oder gefährdet se-he. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat der Betroffene damit nicht lediglich allgemein seine Ansicht zu der bevorstehenden Abschiebung be-kundet. Vielmehr war die unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem Piloten als dem Verantwortlichen für das Flugzeug erkennbar darauf ausgerichtet, die Be-förderung nach [X.] zu verhindern. Denn es war zu erwarten, dass der 5
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Pilot angesichts der von dem Betroffenen klar zum Ausdruck gebrachten Ab-lehnung seiner Rückführung das damit verbundene Risiko eines Zwischenfalls während des Fluges nicht auf sich
nehmen würde. Das Verhalten des Betroffe-nen zeigte auch den entsprechenden Erfolg, da der Pilot dessen Beförderung ablehnte. Die von dem Beschwerdegericht festgestellte Verhaltensweise des Betroffenen hat ein vergleichbares Gewicht wie die in §
2 Abs.
14 Nr. 1 bis 5 [X.] beschriebenen Handlungen.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des [X.] auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Weinland

Göbel
Hamdorf

Vorinstanzen:
AG [X.] a. Inn, Entscheidung vom 30.03.2016 -
3 [X.] (B) -

LG Traunstein, Entscheidung vom 20.04.2016 -
4 T 1107/16 -

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Meta

V ZB 69/16

15.09.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2016, Az. V ZB 69/16 (REWIS RS 2016, 5461)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5461

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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