Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.11.2018, Az. V R 44/17

5. Senat | REWIS RS 2018, 1373

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Gegenstand

Unberechtigter Steuerausweis


Leitsatz

NV: Ein Leistungsbezug ausschließlich und unmittelbar für Zwecke einer Entnahme berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug. Die unentgeltliche Anschlussverwendung ist dann nicht nach § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG steuerbar .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Juli 2016  5 K 826/15 U aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Alleinige Gesellschafterin der K-GmbH (GmbH) war im Streitjahr Frau L. Ihr Ehemann [X.] war alleiniger Geschäftsführer der GmbH.

2

[X.] hatte als Einzelunternehmer und Pächter mit einem Reitverein am 18. April 2011 einen Vertrag über die [X.] von Dachflächen für den Betrieb einer Photovoltaikanlage bis zum 31. Dezember 2031 geschlossen. [X.] hatte sich dabei zur Erbringung diverser Leistungen (Verlegung von Zuleitungen, Dacheindeckung, neue Trafostation) verpflichtet. Einige mit diesen Baumaßnahmen zusammenhängende Rechnungen (netto 111.375,97 € [X.] Umsatzsteuer in Höhe von [X.] €) wurden dabei über die GmbH "verbucht", ohne über [X.] "weiterverbucht" worden zu sein.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) ging von einer verdeckten Gewinnausschüttung aus und erhöhte durch geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2011 vom 12. Oktober 2015 die Umsatzsteuer in Höhe der Rechnungsbeträge, da ein Umsatz nach § 3 Abs. 1b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorliege.

4

Die GmbH erteilte [X.] am 21. Oktober 2013 drei Rechnungen über insgesamt (netto) 111.375,97 € [X.] [X.] € Umsatzsteuer für Aufwendungen, die sie im [X.] für sein Einzelunternehmen getragen habe. Das [X.] ging davon aus, dass die steuerliche Beurteilung des im [X.] stattgefundenen Vorgangs nicht mehr durch nachträgliche Rechnungserteilung geändert werden könne. Die in den Rechnungen vom 21. Oktober 2013 ausgewiesene Umsatzsteuer werde deshalb nach § 14c UStG geschuldet.

5

Das [X.] erließ daher am 17. Februar 2014 einen geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat Oktober 2013, in dem es die Umsatzsteuer um [X.] € erhöhte. Hiergegen wendete sich die GmbH erfolglos mit einem Einspruch unter Bezugnahme auf das Urteil des [X.] ([X.]) vom 19. November 2009 V R 41/08 ([X.]E 227, 521, [X.]/NV 2010, 562).

6

Demgegenüber hatte die Klage zum Finanzgericht ([X.]) Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2018, 72 veröffentlichten Urteil kann zu einer in 2011 unentgeltlich erbrachten Leistung nachträglich in 2013 zwischen [X.] und Leistungsempfänger ein zu einem Leistungsaustausch führendes Rechtsverhältnis durch eine wirksame nachträgliche Entgeltabrede begründet werden. Es entstehe keine Steuerschuld aus den in 2013 erteilten Rechnungen nach § 14c UStG, da die Steuer aufgrund der wirksamen nachträglichen Entgeltvereinbarung zu Recht ausgewiesen worden sei.

7

Hiergegen wendet sich das [X.] mit der Revision. Eine nachträgliche Entgeltabrede könne nur innerhalb eines üblichen Zeitraums erfolgen. Hieran fehle es im Streitfall, da die Zahlung erst nach zwei Jahren erfolgt sei. Das [X.] sei der Frage nach der Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarungen nicht nachgegangen. Es bestehe auch eine Gefährdung des Steueraufkommens im Hinblick auf einen Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger.

8

Über das Vermögen der GmbH ist im Oktober 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat die Aufnahme des Verfahrens erklärt.

9

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Die GmbH habe Leistungen beauftragt und sei Empfänger der Leistungen gewesen. Die GmbH habe den Werkvertrag über die Erstellung der Photovoltaikanlage geschlossen. Die hier streitigen Leistungsbezüge des Jahres 2011 seien Teil eines Gesamtwerks gewesen, bei dem die früheren Leistungsteile Gegenstand einer entgeltlichen Leistungserbringung durch die GmbH an [X.] gewesen seien. So hätte auch für die hier streitigen Leistungsbezüge verfahren werden sollen, was aber aus von der GmbH nicht zu vertretenden Gründen unterblieben sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Hat die GmbH Leistungen im [X.] bezogen, um sie [X.] unentgeltlich zuzuwenden, liegt entgegen dem Urteil des [X.] für 2011 keine steuerbare unentgeltliche Leistung vor, für die in 2013 eine nachträgliche [X.] getroffen werden kann. Deshalb ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist aber nicht spruchreif, da das [X.] nicht geprüft hat, ob die GmbH die von ihr bezogenen Leistungen zum Gegenstand einer entgeltlichen Leistungstätigkeit gegenüber [X.] machen wollte.

1. Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. [X.] beruhen diese Vorschriften auf Art. 203 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).

Entgegen dem Urteil des [X.] liegt keine nachträgliche [X.] zu einer zunächst unentgeltlich steuerbar erbrachten Leistung vor. Hat die GmbH Leistungen bezogen, um sie [X.] unentgeltlich zuzuwenden, liegt ein Leistungsbezug ausschließlich und unmittelbar für Zwecke einer Entnahme vor. Derartige Leistungsbezüge berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. Dabei ist nicht nach den Entnahmetatbeständen des § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG zu differenzieren (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 12/08, [X.], 261, [X.], 61, Leitsatz 1 zu § 3 Abs. 1b UStG, und BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, [X.], 243, [X.], 53, Leitsatz 1 zu § 3 Abs. 9a UStG). Scheitert der Vorsteuerabzug in dieser Weise, ist die nachfolgende Verwendung für den Entnahmezweck kein Umsatz, der den Steuertatbestand der Entnahme nach § 3 Abs. 1b UStG oder § 3 Abs. 9a Nr. 1 oder 2 UStG verwirklicht (Wäger, [X.] Steuerrecht, 2011, 433, unter 3.1.1 und 3.2.3). Somit fehlt es an einer steuerbaren unentgeltlichen Leistung, die nachträglich i.S. des [X.] in [X.], 521, BFH/NV 2010, 562 zum Gegenstand eines Leistungsaustausches gemacht werden könnte.

2. Die Sache ist aber nicht spruchreif. Es sind weitere Feststellungen zu den Umständen zu treffen, unter denen die [X.] für [X.] tätig wurde. Sollte es zutreffen, dass die hier streitigen Leistungsbezüge Teil eines Gesamtwerks waren, bei dem die früheren Leistungsteile der GmbH von dieser zum Gegenstand einer entgeltlichen Leistungserbringung an [X.] gemacht wurden und dass dies so auch für die hier streitigen Leistungsbezüge der GmbH vorgesehen war, hätte die GmbH auch insoweit eine entgeltliche Leistungserbringung beabsichtigt. Es bliebe dann bei der hierfür bereits für das [X.] vorgenommenen Besteuerung, so dass sich die in 2013 erteilten Rechnungen auf --von vornherein [X.] entgeltliche Leistungen bezogen hätten und für das Streitjahr keine Steuerschuld nach § 14c UStG begründen.

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 44/17

22.11.2018

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 14. Juli 2016, Az: 5 K 826/15 U, Urteil

§ 3 Abs 1b UStG 2005, § 3 Abs 9a UStG 2005, § 14c Abs 2 S 2 UStG 2005, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, Art 203 EGRL 112/2006, UStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.11.2018, Az. V R 44/17 (REWIS RS 2018, 1373)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1373

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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