Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2006, Az. X ZR 85/04

X. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4286

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 28. März 2006 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

BGB § 516 Abs. 1 Eine Zuwendung unter Ehegatten ist nicht Schenkung, sondern ehebezogene Zu-wendung, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen lässt, wobei er die Vorstellung oder Er-wartung hegt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben und er inner-halb dieser [X.] am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde. Dass die Zuwendung in diesem Sinne der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen sollte, bedarf der tatrichterlichen Feststellung. [X.], [X.]. v. 28. März 2006 - [X.]/04 - [X.] - 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 28. März 2006 durch [X.] Melullis, den [X.], die Richterin Mühlens und [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das am 11. Mai 2004 verkündete [X.]eil des 9. Zivilsenats des [X.] aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.]. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Ihre Ehe wurde 1973 geschlos-sen und 1998 geschieden. 1 - 3 - [X.] hatten die Parteien Gütertrennung vereinbart. Sie waren unter anderem Miteigentümer zu je 1/2 des Grundstücks [X.]in [X.]

, das von ihnen und ihren Kindern gemeinsam bewohnt wur- de. Mit notariellem [X.] übertrug der Kläger der Beklagten seinen hälftigen Miteigentumsanteil an diesem Grundstück, wobei die Parteien darüber streiten, ob die Übertragung schenkweise erfolgt ist. Der Klä-ger, der den Standpunkt vertritt, es habe sich um eine Schenkung gehandelt, hat diese mit anwaltlichem Schreiben vom 31. Juli 1997 wegen groben Undanks der Beklagten widerrufen. Er verlangt von der Beklagten die Rückauflassung des hälftigen Miteigentumsanteils und die Abgabe einer entsprechenden Eintra-gungsbewilligung. Im ersten Berufungsurteil hat das Berufungsgericht durch den Einzelrichter das klageabweisende landgerichtliche [X.]eil abgeändert und der Klage stattgegeben. Es ist davon ausgegangen, dass eine Schenkung vor-gelegen habe, welche der Kläger aufgrund von Eheverfehlungen der Beklagten wirksam widerrufen habe. 2 Auf die Revision der Beklagten hat der Senat das Berufungsurteil aufge-hoben und die Sache zurückverwiesen, weil der Einzelrichter anstelle des [X.] entschieden hatte, obwohl ein Einverständnis der Parteien mit der Ent-scheidung durch den Einzelrichter im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorlag ([X.] 147, 397). 3 Das Berufungsgericht hat nunmehr die Berufung des [X.] gegen das erstinstanzliche landgerichtliche [X.]eil zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision, mit der der Kläger sein Klageziel weiter-verfolgt. 4 Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. 5 - 4 - Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entschei-dung und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht. 6 I. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung nunmehr angenommen, der Kläger habe bereits den ihm obliegenden Beweis nicht geführt, dass es sich bei der Übertragung der [X.] um eine Schenkung gehandelt habe. Zuwendungen unter Ehegatten seien in der Regel keine Schenkungen. Es handele sich vielmehr nach ständiger höchstrichterli-cher Rechtsprechung in der Regel um ehebedingte Zuwendungen, denen die Vorstellung oder die Erwartung zugrunde liege, dass die eheliche Lebensge-meinschaft Bestand haben werde oder die sonst um der Ehe willen und als [X.] zur Verwirklichung oder Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehe-lichen Lebensgemeinschaft erbracht würden und hierin ihre Geschäftsgrundla-ge hätten. Der Umstand, dass in der notariellen Urkunde ausdrücklich von Schenkung die Rede sei, führe nicht zwingend dazu, dass allein hierdurch der Beweis einer Schenkung geführt sei. Zwar komme der Wortwahl in einer Nota-riatsurkunde für die Einschätzung des rechtsgeschäftlichen Inhalts der [X.] erhebliches Gewicht zu, weil die notarielle Urkunde die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich habe. Nach der Recht-sprechung des [X.] sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Rechtsfigur der ehebedingten bzw. unbenannten Zuwendung in der [X.] sich erst allmählich Anfang der 1970er Jahre entwickelt habe und auch von den Notaren bei der Beurkundung von Zuwendungen, die ohne direkte Ge-genleistung zwischen Ehegatten erfolgt seien, nicht sogleich als eine Alternative 7 - 5 - zur Schenkung verstanden und umgesetzt worden sei. Nach dieser [X.] könne allein aus der vom Notar gewählten Bezeichnung des [X.] und der weiteren Formulierung des Vertrags nicht mit ausreichender Sicherheit entnommen werden, dass die Parteien wirklich eine Schenkung ge-wollt und vereinbart hätten. Der [X.] habe dies auch in einem Fall so entschieden, in dem die Zuwendung Mitte 1986 erfolgt sei. [X.] sich aber nicht feststellen, dass es sich bei der Übertragung des Miteigentumsanteils um eine Schenkung gehandelt habe, so komme es auf die weitere Frage, ob der Kläger deswegen zum Widerruf berechtigt gewesen sei, weil sich die [X.] ihm gegenüber wegen einer schweren Verfehlung groben Undanks schuldig gemacht habe, nicht mehr an. Einen Anspruch auf Rückabwicklung der ehebedingten Zuwendung habe der Kläger nicht substantiiert dargelegt. [X.] Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. 8 1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] liegt eine ehebezogene Zuwendung vor, wenn ein Ehegatte dem anderen einen [X.] um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausge-staltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukom-men lässt, wobei er die Vorstellung oder Erwartung hegt, dass die eheliche [X.] Bestand haben und er innerhalb dieser [X.] am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde. Darin liegt die Geschäftsgrundlage der Zuwendung ([X.] 142, 137, 147 f.; [X.] 127, 48, 52; [X.], [X.]. v. 23.04.1997 - [X.], NJW 1997, 2747; [X.]. v. 02.10.1991 - [X.], NJW 1992, 238, 239; [X.]. v. 27.01.1988 - [X.], [X.], 482, 485; [X.]. [X.], NJW 1972, 580). Feststellungen dazu, dass diese Voraussetzungen hier vorgelegen haben, hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Es hat vielmehr das 9 - 6 - Vorliegen einer Schenkung verneint, weil sich nicht feststellen lasse, dass es sich um eine Veräußerung eines Vermögensgegenstandes unabhängig vom Fortbestand der Ehe gehandelt habe. Damit hat das Berufungsgericht verkannt, dass von einer ehebezogenen Zuwendung nicht zwangsläufig bei jeder Zuwen-dung unter Ehegatten ausgegangen werden kann, die ohne Gegenleistung er-folgt ist. Es sind vielmehr positive Feststellungen dazu erforderlich, dass die in der ständigen Rechtsprechung des [X.] entwickelten Voraus-setzungen vorgelegen haben, die zu einer Würdigung der Zuwendung als [X.] Zuwendung führen. An solchen Feststellungen fehlt es bislang [X.]. 2. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung, ob eine ehebedingte Zuwendung oder eine Schen-kung gewollt war, der Wortwahl in einer notariellen Urkunde für die [X.] des rechtsgeschäftlichen Inhalts der beurkundeten Erklärung erhebliches Gewicht zukommt, weil die notarielle Urkunde die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat ([X.] 138, 49, 53; [X.], [X.]. v. 05. 07. 2002 - [X.], [X.], 3164 f.; [X.]. v. 02.10.1991 - [X.], NJW 1992, 238, 239; [X.]. v. 10.07.1981 - [X.], NJW 1981, 2687, 2688). Es hat auch zu Recht die von ihm zitierte Rechtsprechung des [X.] berücksichtigt, nach der bei [X.] aus den 1970er Jahren allein aus der Bezeichnung des Rechtsgeschäfts als Schenkung nicht mit ausreichender Si-cherheit geschlossen werden könne, dass die Parteien wirklich eine Schenkung gewollt hätten, weil mangels [X.] von Notaren keine "Zuwen-dungsverträge" beurkundet worden seien ([X.] NJW 1992, 238, 239). [X.] dazu, dass dies auch noch im Jahre 1986 einhellige Praxis war, hat das Berufungsgericht allerdings nicht getroffen; dafür ergibt sich auch nichts aus den von ihm zitierten Entscheidungen des [X.] ([X.] - 7 - 2002, 97) und des [X.] ([X.]. v. 30.06.1993 - XII ZR 210/91, NJW-RR 1993, 1410, 1411). In der letzteren Entscheidung, die eine Mitte 1986 erfolgte Beurkundung betraf, ist vielmehr die tatrichterliche Qualifizierung einer Zuwendung, deren Umstände im übrigen für eine ehebezogene Zuwendung sprachen, als Schenkung nicht beanstandet worden, weil sie maßgeblich auf eine Würdigung der Zeugenaussage des beurkundenden Notars gestützt war, welcher eine schenkungsweise erfolgte Eigentumsübertragung beurkundet [X.] und dabei nach seiner Bekundung gerade nicht (mehr) der früheren Praxis gefolgt war, eine Zuwendung zwischen Ehegatten, die ohne direkte Gegenleis-tung erfolgte, ohne weiteres als Schenkung zu bezeichnen und zu beurkunden. Wenn sich das Berufungsgericht demgegenüber mit der Feststellung begnügt, Anhaltspunkte dafür, dass der Notar im Streitfall bewusst der früher [X.] Praxis, eine Zuwendung unter Ehegatten ohne weiteres als Schenkung zu bezeichnen, nicht habe folgen wollen, seien nicht vorgetragen, so läuft das [X.] hinaus, der Beurkundung der Zuwendung als Schenkung jede Bedeutung abzusprechen; das steht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang. 3. Im übrigen durfte das Berufungsgericht sich auf fehlenden Vortrag dazu, dass der beurkundende Notar bewusst der früher herrschenden Praxis, eine Zuwendung unter Ehegatten, die ohne direkte Gegenleistung erfolgte, [X.] weiteres als Schenkung zu bezeichnen, nicht habe folgen wollen, auch [X.] nicht stützen, weil es die Parteien nicht darauf hingewiesen hat, dass die Zuwendung entgegen seinem bisherigen Rechtsstandpunkt auch als ehebezo-gen qualifiziert werden könne. 11 Aus den Akten ergibt sich ein solcher Hinweis nicht. Die Vorinstanzen haben bis zum ersten Revisionsurteil angenommen, dem notariellen [X.] liege eine Schenkung zugrunde, und haben die Frage geprüft, ob der Kläger berechtigt gewesen sei, diese wegen groben Undanks zu widerrufen. Wann der Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts sich geändert hat, ist den Akten nicht zu entnehmen. Allerdings ist ausweislich der Sitzungsprotokolle mehrfach die "Sach- und Rechtslage" mit den Parteien erörtert worden. Es ist jedoch nicht angegeben, in welchem Sinne dies geschehen ist. Dies gilt auch für den Ter-min, in dem die Parteien angehört worden sind. Aus dem Gegenstand der [X.] ergibt sich zwar, dass es dem Berufungsgericht darauf ankam zu [X.], welche Vorstellungen den Parteien dem [X.] zugrunde gelegt haben. Allein hieraus konnten die Parteien jedoch nicht ent-nehmen, dass sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts geändert [X.], nachdem bis zu diesem Zeitpunkt stets vom Vorliegen einer Schenkung ausgegangen worden war und der Einzelrichter im ersten Berufungsurteil aus-geführt hatte, das Berufungsgericht könne nicht davon ausgehen, dass es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses herrschende notarielle Praxis gewesen sei, eine Zuwendung zwischen Ehegatten, die ohne direkte Gegenleistung erfolgte, ohne weiteres als Schenkung zu bezeichnen und zu beurkunden. Vielmehr [X.] es eines unmissverständlichen Hinweises bedurft. Das Gericht muss [X.] darauf hinweisen, wenn es seine rechtliche Beurteilung gegenüber einem früher gegebenen Hinweis oder erst recht gegenüber einer früher getrof-fenen Entscheidung geändert hat ([X.] NJW 1996, 3202, [X.], 1334, 1335). Nach § 139 Abs. 4 ZPO kann die Erteilung des erforderlichen Hinweises nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Der Kläger macht geltend, er hätte, wenn er auf den geänderten Rechts-standpunkt hingewiesen worden wäre, dargelegt, dass die Form der Schenkung im notariellen Vertrag von den Parteien bewusst gewählt worden sei und die Beurkundung der Vereinbarung als Schenkungsvertrag nicht deshalb erfolgt 13 - 9 - sei, weil es der damaligen Praxis entsprochen habe. Er hätte dafür den beur-kundenden Notar als Zeugen benannt. Dieser hätte bestätigt, dass bewusst die Form der Schenkung gewählt worden sei, weil dies dem seinerzeit geäußerten Willen beider Parteien entsprochen habe. Dieser Vortrag wäre auch aus der rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts entscheidungserheblich gewesen. I[X.] Das Berufungsgericht wird dieses Vorbringen des [X.] und das abweichende Vorbringen der Beklagten zu würdigen und gegebenenfalls durch eine Beweisaufnahme zu klären haben. Es wird sich auf dieser Grundlage er-neut die Überzeugung zu bilden haben, ob die Voraussetzungen für die An-nahme einer ehebezogenen Zuwendung vorliegen, und hierzu die erforderli-chen Feststellungen zu treffen haben. 14 Melullis [X.]Mühlens

Meier-Beck [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 24.07.1998 - 313 O 19/98 - O[X.], Entscheidung vom 11.05.2004 - 9 U 144/98 -

Meta

X ZR 85/04

28.03.2006

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2006, Az. X ZR 85/04 (REWIS RS 2006, 4286)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4286

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