Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.06.2011, Az. 3 AZR 859/09

3. Senat | REWIS RS 2011, 5389

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Gegenstand

Betriebsrentenanpassung - Verbraucherpreisindex - Zinsen


Leitsatz

1. Im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG ist auf den Kaufkraftverlust abzustellen, der sich aus dem zum Anpassungsstichtag aktuellsten vom statistischen Bundesamt veröffentlichten Verbraucherpreisindex ergibt.

2. Wird die Anpassungsverpflichtung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG durch gerichtliches Urteil bestimmt, sind Prozess- und Verzugszinsen erst ab Rechtskraft des Urteils zu zahlen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2009 - 5 [X.]/09 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. April 2009 - 5 [X.]/08 - teilweise abgeändert, soweit die Beklagte zur Zahlung von Zinsen ab 1. April 2009 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Zahlungsanträge verurteilt wurde. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des [X.].

2

Der Kläger ist 1930 geboren. Er war vom 1. Juli 1960 bis zum 31. Dezember 1995 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der [X.], tätig. Seit dem 1. Januar 1996 bezieht er eine betriebliche Altersrente. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildete zuletzt ein Anstellungsvertrag vom 20. Oktober 1975, der in Ziff. 6 wie folgt lautet:

        

„Sie erhalten eine [X.]- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der jeweils geltenden Richtlinien für die [X.]- und Hinterbliebenenversorgung des R.

        

Als Beginn des [X.] gilt der 1.7.1960.“

3

Die damit in Bezug genommenen, als Betriebsvereinbarung abgeschlossenen Richtlinien für die [X.]- und Hinterbliebenenversorgung der [X.] vom 9. Februar 1989 (künftig: [X.] 1989) lauten auszugsweise wie folgt:

        

„…    

        

§ 5 Berechnung des ruhegeldfähigen Diensteinkommens

        

…       

        

(5)     

Die [X.] und Hinterbliebenenversorgung wird für Pensionsfälle ab 1992 höchstens um die Inflationsrate angepaßt, soweit diese zum [X.]punkt einer Rentenerhöhung unterhalb der Erhöhungen der Nettovergütungen der aktiven [X.] liegt. Übersteigt die Inflationsrate die Erhöhung der Nettovergütungen, verbleibt es bei der Anhebung der [X.]- und Hinterbliebenenversorgung um den Prozentsatz der Erhöhung dieser Nettovergütungen.

                 

Sollte die Erhöhung der Sozialversicherungsrenten gesetzlich von der bruttolohnbezogenen auf die nettolohnbezogene Rentendynamisierung umgestellt werden, tritt im Rahmen der beschriebenen Anpassung an die Stelle der Erhöhung der Nettovergütungen die Erhöhung der Sozialversicherungsrenten.

        

(6)     

Die Inflationsrate wird nach der Veränderung des durch das [X.] jährlich ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung von Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalten mit mittlerem Einkommen berechnet. Die Nettovergütung wird auf der Grundlage der Vergütungsgruppe 9, Stufe 16 des jeweiligen Vergütungstarifvertrages (auf der Basis des Manteltarifvertrages vom 21.07.1977/28.09.1982) unter Berücksichtigung der Steuerklasse III/0 abzüglich sämtlicher Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung) ermittelt.

        

(7)     

Die Anpassung der [X.]- und Hinterbliebenenversorgung erfolgt auf der Basis des bisherigen Ruhe- bzw. [X.], ohne daß die Erstberechnung des Ruhe- bzw. [X.] nachvollzogen wird.

        

(8)     

Stichtag für die Anpassung der Betriebsrenten ist jeweils der [X.]punkt der Anpassung der gesetzlichen Sozialversicherungsrenten.

        

(9)     

§ 16 des [X.] der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 bleibt unberührt. Dabei sind zwischenzeitlich nach den vorstehenden Absätzen erfolgte Anhebungen der Betriebsrenten zu berücksichtigen.

        

…“    

        

4

[X.] schlossen nahezu alle konzernverbundenen Unternehmen des [X.], auch die Beklagte, inhaltsgleich formulierte Betriebsvereinbarungen, mit denen die Anpassungsregelungen für die Betriebsrenten neu gefasst wurden. Für den Kläger maßgeblich ist die zwischen der Beklagten und deren Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Vereinbarung (künftig: [X.] 2006). Sie lautet ua. wie folgt:

        

„…    

        

Präambel:

        

Die Betriebsparteien stimmen darin überein, dass eine Harmonisierung der Regelwerke zur betrieblichen Altersversorgung des [X.] im Hinblick auf die jeweiligen [X.] unumgänglich geworden ist. Insoweit sollen die Regelungen zur Anpassung der laufenden betrieblichen [X.] vereinheitlicht werden.

        

Zu diesem Zweck wird die in § 5 Absätze 5 bis 9 der ‚Richtlinien für die [X.]- und Hinterbliebenenversorgung der [X.]’ vom 09. Februar 1989 ([X.]) vorgesehene Bestimmung zur Anpassung der Betriebsrenten mit nachstehender Betriebsvereinbarung ab dem [X.]punkt ihres In-[X.]-Tretens geändert.

        

…       

        

§ 2     

        

Neufassung des § 5 Absätze 5 bis 9 [X.] 02/89

        

§ 5 Absätze 5 bis 9 [X.] wird in allen bis zum Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung geltenden Fassungen durch folgende Regelung ersetzt:

        

Das Unternehmen verpflichtet sich, jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres die laufenden Versorgungsleistungen um 1 % anzupassen. Steigen die Verbraucherpreise in einem Jahr um 4,75 % oder mehr oder in drei aufeinander folgenden Jahren um 11,5 % oder mehr, verpflichten sich die Betriebsparteien, über eine einmalige Neuregelung der Anpassung zu verhandeln mit dem Ziel, eine Entwertung der Renten zu verhindern.

        

Im Übrigen bleiben die Regelungen der [X.] 02/89 unberührt.

        

§ 3     

        

Teilunwirksamkeit

        

Die Unwirksamkeit einzelner Bestandteile berührt die Wirksamkeit der übrigen Regelungen dieser Betriebsvereinbarung nicht.

        

Die Betriebsparteien verpflichten sich, in diesem Fall anstelle der unwirksamen Regelung eine solche zu vereinbaren, die wirksam ist und dem Inhalt der unwirksamen Regelung unter Beachtung des von den Betriebsparteien Gewollten möglichst nahe kommt.

        

§ 4     

        

Inkrafttreten

        

Die vorliegende Betriebsvereinbarung tritt mit Wirkung zum 01.07.2007 in [X.].

        

…“    

5

Die Beklagte passte das [X.] des [X.] zum 1. Juli 2007 lediglich entsprechend der [X.] 2006 um 1 % an. Dagegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Klage gewandt.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein [X.] sei nicht nach der [X.] 2006 anzupassen. Die in der [X.] 2006 getroffene Anpassungsregelung verstoße gegen § 30c Abs. 1 [X.] und lasse die gesetzliche Anpassung nach § 16 Abs. 1 [X.] nicht entfallen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, seine Betriebsrente zum 1. Januar 2008 um die Teuerungsrate anzupassen. Maßgeblich für die [X.] ab Januar 2003 sei der Verbraucherpreisindex für [X.] auf der Basis des Jahres 2000 (künftig: [X.] 2000), der am [X.] 1. Januar 2008 veröffentlicht war. Diese Berechnungsmethode ergebe - was rechnerisch unstreitig ist - eine Teuerungsrate von 21,09 %. Nach dem im Februar 2008 vom [X.] veröffentlichten Verbraucherpreisindex mit dem Basisjahr 2005 (künftig: [X.] 2005) betrage die Preissteigerung in dem maßgeblichen [X.]raum zwar lediglich 20,69 %. Dieser Verbraucherpreisindex könne der Berechnung jedoch nicht zugrunde gelegt werden, da der [X.] 2005 erst nach dem [X.] veröffentlicht worden sei.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

        

1.    

für die [X.] vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2008 1.282,02 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2009,

        

2.    

für die [X.] vom 1. Juli 2008 bis zum 31. März 2009 1.923,03 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2009,

        

3.    

ab dem 1. April 2009 bis auf Weiteres über den Betrag von 3.908,84 Euro brutto hinaus monatlich weitere 213,67 Euro brutto, jeweils am Monatsende,

        

zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Ansicht vertreten, die Betriebsparteien seien zur Änderung der Anpassungsregelung mit Wirkung für den Kläger berechtigt gewesen. Für die Änderung bestünden ausreichende Gründe. Die [X.] 2006 verstoße nicht gegen die Übergangsregelung des § 30c Abs. 1 [X.]. Der Kläger habe deshalb keinen Anspruch auf eine Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 [X.]. Diese Anpassungspflicht entfalle vielmehr nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.].

Im Übrigen habe der Kläger seiner Berechnung zu Unrecht den [X.] 2000 zugrunde gelegt. Maßgeblich für die Anpassung der Betriebsrente zum 1. Januar 2008 sei für die [X.] ab 1. Januar 2003 der [X.] 2005 und damit die Preissteigerungsrate von 20,69 %. Zinsen könne der Kläger allenfalls ab Rechtskraft des Urteils verlangen. Da die Anpassung nach billigem Ermessen zu erfolgen habe, sei die Hauptforderung vorher nicht fällig.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, mit der der Kläger höhere Beträge gefordert hatte, stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten, soweit sie die zuletzt geltend gemachten Forderungen betrifft, zurückgewiesen und die Klage im Übrigen auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist hinsichtlich eines Teils der zuerkannten Zinsen begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet. Zu Recht hat das [X.] die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich der Anpassung der Betriebsrente des [X.] zum 1. Januar 2008 entsprechend der Teuerungsrate unter Zugrundelegung des [X.] 2000 für die [X.] nach dem 1. Januar 2003 stattgegeben hat. Darauf hat der Kläger einen Anspruch nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 [X.], den er auch der Höhe nach richtig berechnet hat. Zu Unrecht hat das [X.] jedoch die geltend gemachten Zinsen in vollem Umfang zuerkannt. Zinsen stehen dem Kläger erst ab Rechtskraft der Entscheidung im vorliegenden Verfahren zu.

I. Die Beklagte ist verpflichtet, die Betriebsrente des [X.] zum 1. Januar 2008 nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] anzupassen. Diese Verpflichtung entfällt nicht nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.], weil sich die Beklagte in der [X.] verpflichtet hat, die Betriebsrente jährlich um 1 % anzupassen. § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ist nach § 30c Abs. 1 [X.] nicht anwendbar, da dem Kläger die Versorgungszusage nicht nach dem 31. Dezember 1998 erteilt wurde.

1. Nach § 30c Abs. 1 [X.] gilt § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.], nach dem die in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] vorgesehene [X.] entfällt, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen, nur für laufende Leistungen, die auf Zusagen beruhen, die nach dem 31. Dezember 1998 erteilt wurden. Maßgebend ist dabei das Datum der Versorgungszusage. Es kommt nicht darauf an, ob die Anpassung um eins vom Hundert nach dem 31. Dezember 1998 vereinbart wurde oder der Versorgungsberechtigte zum [X.]punkt des Inkrafttretens von § 30c Abs. 1 [X.] am 1. Januar 1999 ([X.] 1999 vom 16. Dezember 1997, BGBl. I S. 2998, Art. 8 Nr. 17 und Nr. 21, Art. 33 Abs. 1) bereits laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bezog. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.

a) Mit dem Begriff der Zusage in § 30c Abs. 1 [X.] ist entsprechend dem allgemeinen betriebsrentenrechtlichen Sprachgebrauch die Versorgungszusage und nicht die Vereinbarung der Anpassung der Betriebsrente um eins vom [X.] gemeint. Auch eine Einschränkung dahingehend, dass es sich um laufende Leistungen handeln muss, die bei Inkrafttreten der Übergangsregelung des § 30c Abs. 1 [X.] bereits bezogen wurden, findet sich im Gesetz nicht.

aa) § 30c Abs. 1 [X.] ist eine Übergangsregelung zu § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.]. Diese Regelung legt nicht fest, dass der Arbeitgeber eine Anpassung in Höhe von mindestens eins vom Hundert „zusagt“, sondern dass er sich zu einer solchen Anpassung „verpflichtet“. Es hätte in § 30c Abs. 1 [X.] also der Begriff der Verpflichtung verwendet werden müssen, wäre auf die Vereinbarung der Anpassung um eins vom Hundert und nicht auf die Versorgungszusage abzustellen.

bb) Eine Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Leistungen, die bei Inkrafttreten der Übergangsregelung bereits bezogen wurden, folgt nicht daraus, dass § 30c Abs. 1 [X.] die Anwendbarkeit von § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.] auf „laufende Leistungen“ beschränkt, die auf nach dem 31. Dezember 1998 erteilten Zusagen beruhen. Der Begriff der laufenden Leistungen findet sich in § 16 [X.]. § 30c Abs. 1 [X.] nimmt daher den Begriff der laufenden Leistungen, wie er in § 16 [X.] gebraucht wird, auf. Nach § 16 Abs. 1 [X.] hat der Arbeitgeber alle [X.] eine Anpassung der „laufenden Leistungen“ der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Belange des [X.] und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung gilt nach Abs. 2 der Vorschrift als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des [X.] für [X.] oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Die Verpflichtung entfällt nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.], wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die „laufenden Leistungen“ jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen. Mit „laufenden Leistungen“ sind daher die periodisch fällig werdenden Rentenzahlungen unabhängig von ihrem Beginn gemeint.

b) Diese Auslegung entspricht dem Sprachgebrauch der weiteren im [X.] enthaltenen Übergangsregelungen, insbesondere derjenigen in § 30g [X.]. Dort ist in Abs. 1 Satz 1 von Anwartschaften die Rede, „die auf Zusagen beruhen“, die nach dem dort genannten Stichtag erteilt worden sind. Mit dem Begriff „Zusage“ ist in dieser Bestimmung unzweifelhaft die Versorgungszusage gemeint. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit derselben Redewendung in § 30c Abs. 1 [X.] etwas anderes gemeint hat. Soweit es für die Anwendung einer Regelung auf den [X.]punkt der Zahlung „laufender Leistungen“ ankommen soll, wird dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt. So wird in § 30g Abs. 2 [X.] auf „laufende Leistungen“, die vor dem dort genannten Stichtag „erstmals gezahlt worden sind“, abgestellt. Eine derartige Formulierung findet sich in § 30c Abs. 1 [X.] nicht.

c) Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes stützt dieses Ergebnis.

Im Gesetzentwurf zum [X.] 1999 (BT-Drucks. 13/8011) war der spätere § 30c Abs. 1 [X.] noch als § 30b Abs. 1 enthalten (Art. 8 Nr. 21 der Entwurfsfassung). In der Begründung zu dieser Bestimmung heißt es, dass § 16 Abs. 3 Nr. 1, wie er später Gesetz geworden ist, „nur für ab Inkrafttreten erteilte Zusagen gilt“ (BT-Drucks. 13/8011 S. 74). Auch die Begründung der Neuregelung in § 16 Abs. 3 Nr. 1 verweist darauf, die Neuregelung solle nur gelten, „wenn der Arbeitgeber bei [X.] eine jährliche Dynamisierung der Betriebsrenten zusagt, die nicht geringer als eins vom Hundert der laufenden Leistungen sein darf“ (BT-Drucks. 13/8011 S. 73, ähnlich die allgemeine Begründung S. 52, wonach die Verpflichtung zur Anpassung künftig als erfüllt gelten soll, „wenn der Arbeitgeber sich bei [X.] verpflichtet, die Betriebsrenten jährlich um ein Prozent anzupassen“).

d) Schließlich spricht auch eine am Zweck orientierte Auslegung der Übergangsregelung in § 30c Abs. 1 [X.] für dieses Ergebnis.

Die Übergangsregelung dient fiskalischen Zwecken. Es soll verhindert werden, dass durch die mit der Anpassung um ein Prozent mögliche Bildung steuerlicher Rückstellungen Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand entstehen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] Betriebsrentengesetz 5. Aufl. § 30c Rn. 1). Das wäre aber der Fall, wenn entsprechende Anpassungsvereinbarungen für bereits vor dem 1. Januar 1999 erteilte Versorgungszusagen möglich wären. Aus diesem Grund und wegen verfassungsrechtlicher Bedenken hat es die Bundesregierung später abgelehnt, eine Gesetzesinitiative zur Ausdehnung der „[X.]“ auf sog. Altfälle, dh. auf vor dem 1. Januar 1999 erteilte Versorgungszusagen, zu ergreifen (BT-Drucks. 16/3273 S. 4).

e) Bei einer Auslegung des Begriffs der Zusage in § 30c Abs. 1 [X.] dahingehend, dass damit die Vereinbarung der Anpassung um eins vom Hundert gemeint ist, hätte § 30c [X.] wohl keinen Anwendungsbereich. Vor der Einführung der Regelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.] gab es keinen Anlass, entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Dies konnte daher frühestens seit der [X.] des [X.]es 1999 im Dezember 1997 in Betracht gezogen werden. Gründe dafür, dass gerade Vereinbarungen, die im [X.]raum von Dezember 1997 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1999 von § 30c Abs. 1 [X.] erfasst sein sollten, sind nicht ersichtlich.

2. Da § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.] für die Betriebsrentenansprüche des [X.] nicht gilt, ist die Betriebsrente des [X.] zum 1. Januar 2008 zumindest nach der gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] anzupassen. Etwas anderes kann sich nicht aus den Ruhegeldrichtlinien 1989 oder der [X.] ergeben, da auch durch Betriebsvereinbarung nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers von § 16 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] abgewichen werden darf (§ 17 Abs. 3 [X.]). Der Kläger hat danach Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente entsprechend dem Kaufkraftverlust zum 1. Januar 2008. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass für die Ermittlung des [X.] für die [X.] ab dem 1. Januar 2003 der [X.] 2000 maßgeblich ist.

a) Nach § 16 Abs. 1 [X.] hat der Arbeitgeber alle [X.] eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des [X.] und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Belange des [X.] bestehen - wie sich aus § 16 Abs. 2 [X.] ergibt - im Ausgleich des [X.] seit Rentenbeginn, also in der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Dementsprechend ist der volle Anpassungsbedarf zu ermitteln, der in der seit Rentenbeginn eingetretenen Teuerung besteht, soweit er nicht durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde (vgl. [X.] 31. Juli 2007 - 3 [X.] - Rn. 13, [X.]E 123, 319). Der Anpassungsbedarf wird jedoch durch die Verdienstentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern begrenzt (reallohnbezogene Obergrenze). Es widerspricht nicht der Billigkeit, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrente nur bis zur durchschnittlichen Steigerung der Reallöhne der aktiven Arbeitnehmer anpasst ([X.] 30. August 2005 - 3 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 115, 353).

b) Danach ist die Betriebsrente des [X.] entsprechend dem Kaufkraftverlust zum [X.] 1. Januar 2008 zu erhöhen. Die Beklagte hat nicht eingewandt, der anhand der Kaufkraftentwicklung zu ermittelnde Anpassungsbedarf sei hier wegen der reallohnbezogenen Obergrenze zu beschränken oder die wirtschaftliche Lage der Beklagten lasse eine Anpassung der Betriebsrente nicht zu.

c) Das [X.] hat den [X.] zutreffend errechnet. Es hat den Kaufkraftverlust für die [X.] ab dem 1. Januar 2003 zu Recht unter Zugrundelegung des [X.] 2000 und nicht des [X.] 2005 ermittelt.

aa) Nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist für die Ermittlung des [X.] auf den Verbraucherpreisindex für [X.] abzustellen. Für [X.]räume vor dem 1. Januar 2003 ist nach § 30c Abs. 4 [X.] der Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen maßgebend. In beiden Vorschriften benutzt das Gesetz zur Bezeichnung der Bemessungsgrundlage den bestimmten Artikel „des“ bzw. „der“. Es setzt demnach voraus, dass es nur eine richtige statistische Grundlage für die Berechnung des [X.] gibt und dem Arbeitgeber insoweit kein Ermessen zusteht. Da die Anpassung jeweils zu einem bestimmten Stichtag zu prüfen und ggf. vorzunehmen ist, kommt es auf die aktuelle statistische Grundlage an, die im gesetzlich vorgesehenen Anpassungszeitpunkt vom [X.] veröffentlicht ist ([X.]/[X.], 13). Der Arbeitgeber kann bei seiner gesetzlich geforderten [X.] keine Umstände berücksichtigen, von denen er noch keine Kenntnis haben kann. Statistische Grundlagen, die erst nach dem [X.] veröffentlicht werden, sind daher für die Anpassung nicht von Bedeutung.

Das entspricht auch Erfordernissen der Rechtssicherheit. Der [X.], der die Betriebsrente zum gesetzlich vorgesehenen [X.]punkt anpasst und den ihm zu diesem [X.]punkt bekannten Verbraucherpreisindex verwendet, kann davon ausgehen, dass er damit seine Verbindlichkeit erfüllt. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass ein späterer Verbraucherpreisindex die Preissteigerungen höher berechnet als ein früherer. Das liegt daran, dass zu dem späteren [X.]punkt genauere Daten vorliegen. Regelmäßig greift aufgrund der Anpassung des Konsumverhaltens an höhere Preise der der Untersuchung zugrunde liegende Personenkreis zu billigeren Konsumgütern. Dadurch wird die finanzielle Belastung und damit die statistische Preissteigerungsrate nach unten beeinflusst (sog. Laspeyres-Effekt, vgl. Elbel/[X.] Wirtschaft und Statistik 2008, 339, 341). Ausgeschlossen ist eine andere Entwicklung aber nicht. Könnte ein nach dem [X.] veröffentlichter Verbraucherpreisindex herangezogen werden, wäre ein Arbeitgeber daher uU Forderungen von Arbeitnehmern auf eine weitere Erhöhung ihrer Betriebsrente ausgesetzt, obwohl er an dem im Gesetz vorgesehenen Anpassungszeitpunkt getan hat, was ihm zu diesem [X.]punkt möglich war. Umgekehrt müsste ein Betriebsrentner, der gegen den Arbeitgeber, der die Anpassung verzögert, auf der Basis des veröffentlichten [X.] Klage erhebt, bei einer späteren [X.] anderer statistischer Grundlagen zumindest mit einer teilweisen Klageabweisung rechnen, die ggf. auch Kosten verursacht. Der Umfang der [X.] hinge in einem solchen Fall von der Zufälligkeit ab, ob während des Rechtsstreits ein neuer Verbraucherpreisindex veröffentlicht wird. Das ist mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar. Zwar können für die [X.] nach § 16 Abs. 1 [X.] auch in der Zukunft liegende Umstände Bedeutung haben, da die zu prognostizierende wirtschaftliche Entwicklung des Arbeitgebers bei der [X.] nach § 16 Abs. 1 [X.] zu berücksichtigen ist (vgl. nur [X.] 10. Februar 2009 - 3 [X.] - Rn. 21 ff., [X.]E 129, 292). Bei der Feststellung des [X.] handelt es sich indes nicht um eine Prognose des Arbeitgebers, sondern um eine vom [X.] vorgenommene Analyse der Preisentwicklung in der Vergangenheit.

bb) Grundlage der Anpassungsverpflichtung der Beklagten für [X.]räume ab dem 1. Januar 2003 ist deshalb der [X.] 2000, nicht der [X.] 2005. Nur der [X.] 2000 war zum [X.] 1. Januar 2008 bereits veröffentlicht. Dass der Kläger auf dieser Grundlage seine Anpassungsansprüche richtig berechnet hat, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

II. Zu Unrecht hat das [X.] die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, soweit diese zur Zahlung von Zinsen für [X.]räume vor Rechtskraft der Entscheidung verurteilt wurde. Dem Kläger stehen sowohl Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB als auch Verzugszinsen nach § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB erst ab Rechtskraft der Entscheidung zu. Für [X.]räume vorher fehlt es an der notwendigen Fälligkeit der Forderung.

Der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht frühestens ab der Fälligkeit der Forderung (§ 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Gleiches gilt für Verzugszinsen, da Verzug erst ab Fälligkeit eintreten kann (vgl. [X.]/[X.] 70. Aufl. § 286 BGB Rn. 13). Die Fälligkeit der Anpassungsforderung des [X.] tritt nicht vor der Rechtskraft des Urteils im vorliegenden Verfahren ein. Leistungen, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, werden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig (vgl. [X.] 24. November 1995 - [X.] - zu II 3 b der Gründe, NJW 1996, 1054). Dazu gehören auch die aufgrund einer [X.] nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] zu gewährenden Leistungen ([X.] 30. August 2005 - 3 [X.] - zu II 2 der Gründe, [X.]E 115, 353).

III. [X.] folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    Heuser    

        

    Bialojahn    

                 

Meta

3 AZR 859/09

28.06.2011

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Essen, 24. April 2009, Az: 5 Ca 652/08, Urteil

§ 16 BetrAVG, § 30c Abs 1 BetrAVG, § 315 Abs 3 BGB, § 286 Abs 1 BGB, § 286 Abs 2 BGB, § 288 Abs 1 BGB, § 291 S 1 Halbs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.06.2011, Az. 3 AZR 859/09 (REWIS RS 2011, 5389)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5389


Verfahrensgang

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Az. 3 AZR 859/09

Bundesarbeitsgericht, 3 AZR 859/09, 28.06.2011.


Az. 5 Ca 652/08

Arbeitsgericht Essen, 5 Ca 652/08, 24.04.2009.


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