Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.06.2015, Az. II R 13/13

2. Senat | REWIS RS 2015, 9314

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Gegenstand

Keine Steuerbefreiung für ein tatsächlich nicht für eigene Wohnzwecke genutztes Einfamilienhaus - Unbeachtlichkeit von "zwingenden Gründen"


Leitsatz

Eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für ein Familienheim scheidet aus, wenn der Erwerber von vornherein gehindert ist, die Wohnung in dem von Todes wegen erworbenen Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke zu nutzen und deshalb auch tatsächlich nicht einzieht .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2013  3 K 1321/11 Erb aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seines im Jahr 2009 verstorbenen [[[[X.].].].] ([[[[X.].].].]). Zum Nachlass gehörte ein von [[[[X.].].].] bis zu seinem Ableben selbst genutztes Einfamilienhaus in [[[[X.].].].] Das [[X.].]aus wurde nach dem Tod des [[[[X.].].].] renoviert und ab August 2010 vermietet. Weder der Kläger noch seine Familie nutzten das [[X.].]aus zu eigenen Wohnzwecken.

2

Seit 2006 ist der Kläger als Professor an der [[[[X.].].].] tätig. In der Berufungsvereinbarung hatte er sich verpflichtet, seinen Wohnsitz an den künftigen Dienstort oder in dessen nähere Umgebung zu verlegen. Nachdem er in [[[X.].].] zunächst eine angemietete Einzimmerwohnung genutzt hatte, wohnte er später zusammen mit seiner Ehefrau in der Nähe von [[[X.].].] in einem von den Ehegatten neu errichteten [[X.].]aus.

3

In der Erbschaftsteuererklärung machte der Kläger für das Einfamilienhaus in [[X.].] die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c des [[X.].] in der für 2009 maßgeblichen Fassung ([[X.].]) geltend. Er gab an, dass eine Selbstnutzung des [[X.].]auses in [[X.].] wegen seiner beruflichen Tätigkeit mit Residenzpflicht in [[[X.].].] aus objektiv zwingenden Gründen nicht möglich sei. [[X.].] liege über 500 km von [[[X.].].] entfernt.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) versagte im Erbschaftsteuerbescheid die Steuerbefreiung, weil die berufliche Tätigkeit des [X.] kein zwingender Grund dafür sei, das [[X.].]aus in [[X.].] nicht für eigene Wohnzwecke zu nutzen.

5

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2013, 715 veröffentlicht.

6

Mit der Revision rügt der Kläger die [[[[X.].].].]erletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c [[X.].].

7

Während des Revisionsverfahrens änderte das [X.] mehrmals aus hier nicht streitigen Gründen den angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid. Die Erbschaftsteuer wurde zuletzt im Bescheid vom 30. August 2013 auf 384.450 € festgesetzt.

8

Der Kläger beantragt, die [[[[X.].].].]orentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 30. August 2013 dahin zu ändern, dass die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c [[X.].] für das vormals von [[[[X.].].].] genutzte Familienheim in [[X.].] gewährt wird.

9

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der [X.]orentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der [X.]erfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das [X.] zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). An die Stelle des im Klageverfahren angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids vom 4. Januar 2013, über den das [X.] entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 30. August 2013 getreten und nach § 121 Satz 1 i.[X.].m. § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des [X.]erfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 3. Juni 2014 II R 45/12, [X.], 374, [X.], 806, m.w.N.).

Einer Zurückverweisung der Sache an das [X.] nach § 127 [X.]O bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund des Änderungsbescheids an dem zwischen den Beteiligten streitigen Punkt nichts geändert hat (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 374, [X.], 806). Die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des [X.]; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem [X.]erfahrensmangel leidet (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 374, [X.], 806).

III.

Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Erwerb des von [X.] bis zu seinem Ableben genutzten Einfamilienhauses ist nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c [X.] steuerbefreit.

1. Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 [X.] u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des [X.]es (in der ab 2009 geltenden Fassung --[X.]--) durch Kinder i.S. der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die [X.]ergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 [X.]).

2. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c [X.] erfasst --unter weiteren [X.]oraussetzungen-- u.a. die Wohnung in einem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 [X.], wenn die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist.

Ein Einfamilienhaus ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, das Haus selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt (vgl. [X.], in [X.]/Jüptner/ [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 13 Rz 42). Die Absicht des Erwerbers zur Selbstnutzung der Wohnung lässt sich als eine innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen. Dies erfordert, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt (vgl. [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 13 Rz 70; [X.]iskorf in [X.]iskorf/ [X.]/[X.]/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 4. Aufl., § 13 [X.] Rz 73; [X.] in [X.]/[X.], § 13 [X.] Rz 40.7; [X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 13 Rz 28).

Für eine Bestimmung zur Selbstnutzung reicht eine bloße Widmung zur Selbstnutzung durch den Erwerber nicht aus. Insbesondere genügt es nicht, wenn der Erwerber in der Erbschaftsteuererklärung angibt, die Wohnung in dem von Todes wegen erworbenen Einfamilienhaus sei zur Selbstnutzung bestimmt, könne aber aus zwingenden Gründen nicht für eigene Wohnzwecke genutzt werden.

3. Eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c [X.] für ein Familienheim scheidet aus, wenn der Erwerber von vornherein gehindert ist, die Wohnung in dem von Todes wegen erworbenen Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke zu nutzen und deshalb auch tatsächlich nicht einzieht.

a) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, welche Gründe der Aufnahme einer Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke entgegenstehen. Nutzt der Erwerber das Haus nach dem Erwerb nicht für eigene Wohnzwecke, kommt eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c [X.] selbst dann nicht in Betracht, wenn zwingende Gründe i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 [X.] den Erwerber an einer Selbstnutzung des Hauses hindern (vgl. [X.], a.a.[X.], § 13 [X.] Rz 70; [X.]iskorf, a.a.[X.], § 13 [X.] Rz 73; [X.], a.a.[X.], § 13 [X.] Rz 40.7; [X.], Umsatzsteuer- und [X.]erkehrsteuer-Recht 2013, 265, 270; a.A. R E 13.4 Abs. 7 Satz 4 Halbsatz 2 der [X.] 2011).

§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 [X.] regelt den Fall, dass ein Erwerber ein Haus durch die Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken als Familienheim bestimmt hat und später das Familienheim innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken nutzt. Die Aufgabe der Selbstnutzung zu Wohnzwecken führt grundsätzlich zum Wegfall der Steuerbefreiung. Ausnahmsweise ist die Beendigung der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken unschädlich, wenn der Erwerber aus zwingenden Gründen am weiteren Bewohnen des [X.] gehindert ist. Zwingende Gründe, die einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entgegenstehen, können also nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 [X.] die Steuerbefreiung eines bereits selbst genutzten [X.] erhalten. Sie führen jedoch nicht dazu, dass die Steuerbefreiung ohne jede Selbstnutzung eines Hauses zu Wohnzwecken zu gewähren ist. Nimmt der Erwerber die Selbstnutzung eines Hauses zu eigenen Wohnzwecken überhaupt nicht auf, ist das von Todes wegen erworbene Haus kein Familienheim und damit der Erwerb nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c [X.] steuerbefreit.

[X.]on diesem [X.]erständnis der [X.]orschrift geht auch die Gesetzesbegründung aus. Danach gebietet es der Schutz des familiären Lebensraums, die Steuerbefreiung davon abhängig zu machen, dass das Kind das Familienheim auch tatsächlich selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzt (BTDrucks 16/11107, S. 9).

b) Das Erfordernis einer tatsächlichen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des Kindes ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die in § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 [X.] vorgesehene Steuerbefreiung verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt (vgl. [X.]-Beschluss vom 27. September 2012 II R 9/11, [X.]E 238, 241, [X.], 899, Rz 150; [X.]-Urteile vom 18. Juli 2013 II R 35/11, [X.]E 242, 153, [X.], 1051, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4a [X.], und in [X.], 374, [X.], 806, Rz 26, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.], m.w.N.). Eine Anwendung dieser [X.]orschrift über ihren Wortlaut hinaus wäre jedenfalls verfassungsrechtlich noch bedenklicher und ist somit ausgeschlossen.

4. Dem Kläger steht für den Erwerb des Einfamilienhauses die geltend gemachte Steuerbefreiung nicht zu. Er hat das Einfamilienhaus nach dem Erwerb nicht für eigene Wohnzwecke genutzt. Aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, ob berufliche Gründe, die einer Aufnahme der Selbstnutzung des erworbenen Einfamilienhauses entgegenstehen, überhaupt im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c [X.] berücksichtigt werden könnten.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

II R 13/13

23.06.2015

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 31. Januar 2013, Az: 3 K 1321/11 Erb, Urteil

§ 13 Abs 1 Nr 4c ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 181 Abs 1 Nr 1 BewG 1991 vom 24.12.2008, R E13.4 Abs 7 S 4 Halbs 2 ErbStR 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.06.2015, Az. II R 13/13 (REWIS RS 2015, 9314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9314

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

4 K 2183/21

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