Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2018, Az. V ZB 129/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 7382

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[X.]:[X.]:BGH:2018:210618BVZB129.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 129/17
vom

21. Juni 2018
in der Abschiebungshaftsache

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2
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2018
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Weinland, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 23. Mai 2017 auf-gehoben.

Es wird festgestellt, dass die mit
Beschluss des Amtsgerichts
Moers vom 27. September 2016 angeordnete Haft den Betroffe-nen in dem Zeitraum
vom 27. September 2016 bis 19. Dezember 2016 in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Kreis W.

aufer-legt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

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Gründe:

I.

Der Betroffene, ein Staatsangehöriger von [X.], reiste im Juli 2012 unerlaubt in das [X.] ein. Das [X.] lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 15. Juli 2014 ab und drohte die Abschiebung nach [X.] an. Eine für den 8. August 2016 ge-plante Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden, da der Betroffene nicht in der Unterkunft angetroffen
wurde.
Nach seiner Vorsprache
bei dem [X.] am 27. September 2016 wurde er
festgenommen.

Das
Amtsgericht hat auf Antrag der beteiligten Behörde gegen den Be-troffenen Abschiebungshaft
bis längstens 25. Dezember 2016 angeordnet. Die nach der am 19. Dezember 2016 erfolgten Abschiebung nach [X.] auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Be-troffene seinen Feststellungsantrag weiter. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft hätten vorgelegen. Es könne dahin stehen, ob die Haft-gründe des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 4 [X.] vorlägen, da
jedenfalls der Haftgrund der Entziehungsabsicht nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] er-füllt sei. Der Betroffene, der bereits im Jahr 2014 ausreisepflichtig gewesen sei, 1
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habe bei seiner Vorsprache am 11. September 2014 und nochmals am 28.
Juni 2016 erklärt, nicht freiwillig ausreisen zu wollen.

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach §
62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige
Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die notwendigen Feststellungen zu dem Vorliegen eines Haftgrundes nicht getroffen worden sind.

1. Die von dem Amtsgericht angenommenen Haftgründe des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4 [X.] liegen nicht vor. Der Haftgrund des nicht ange-zeigten [X.] nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] setzt [X.], dass die Ausländerbehörde dem Ausländer die Anzeigepflicht und
die mit einem Unterlassen der Anzeige des [X.] verbundenen ein-schneidenden
Folgen durch einen Hinweis deutlich vor Augen führt
(vgl. Senat,
Beschluss vom 20. Oktober 2016 -
V [X.], [X.] 2017, 60 Rn. 11;
Be-schluss vom 14. Januar 2016 -
V [X.], [X.] 2016, 87 Rn. 6).
Der er-forderliche Hinweis muss dem
Betroffenen, der die [X.] Sprache
nicht [X.], in seine Muttersprache oder eine andere Sprache übersetzt werden, die er beherrscht (Senat, Beschluss vom 14. Januar 2016 -
V [X.], aaO
Rn. 9). Dazu hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen getroffen. Auch die Voraussetzung des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 [X.], dass sich der [X.] in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat, liegen nicht vor. Die-ser Haftgrund setzt ein Verhalten des Betroffenen voraus, mit dem er eine [X.], auf seine Abschiebung gerichtete Maßnahme der Behörde vereitelt hat (Senat, Beschluss vom 22. Juni 2017 -
V [X.], [X.] 2017, 231 Rn.
6).
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Hiervon kann nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil der Betroffene am
8. August 2016 nicht in der Unterkunft angetroffen wurde; denn die an [X.] geplante Abschiebung war nach den Feststellungen des Beschwerde-gerichts
dem Betroffenen nicht angekündigt worden.

2. Ob -
wie das Beschwerdegericht annimmt -
der
Haftgrund der [X.] nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 5 [X.] erfüllt
ist, kann dahinstehen. Denn
das Beschwerdegericht durfte seine Entscheidung nicht auf einen neuen Haftgrund stützen, ohne den Betroffenen hierzu persön-lich anzuhören (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juni 2017 -
V [X.], [X.] 2017, 231 Rn. 8; Beschluss vom 16. Februar 2017 -
V [X.], juris Rn. 9; Beschluss vom 7. Juli 2016 -
V [X.], [X.] 2016, 278 Rn. 6; vgl.
dage-gen für die Änderung eines Anhaltspunkts
für eine Fluchtgefahr nach § 2 Abs.
14 [X.]:
Senat,
Beschluss vom 23. Januar 2018 -
V [X.], [X.]
2018, 135
Rn. 7); nachdem die angeordnete Haftzeit im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits abgelaufen war, schied eine solche Anhörung ohnehin aus.

3. Der Senat kann daher in der Sache selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG)
und die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung bis zur [X.] des Betroffenen feststellen.
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IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430
FamFG, Art. 5 [X.]. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann

Schmidt-Räntsch Weinland

Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 27.09.2016 -
220 [X.] B -

LG Kleve, Entscheidung vom 23.05.2017 -
4 [X.]/16 -

8

Meta

V ZB 129/17

21.06.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2018, Az. V ZB 129/17 (REWIS RS 2018, 7382)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7382

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V ZB 33/15

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