Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2004, Az. I ZR 65/02

I. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1740

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[X.] DES VOLKES URTEIL I ZR 65/02 Verkündet am: 9. September 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

mho.de
[X.] §§ 5, 15; BGB § 12

Grundsätzlich liegt bereits in der durch einen Nichtberechtigten vorgenommenen Registrierung eines Zeichens als Domainname unter der in [X.] üblichen Top-Level-Domain "de" eine [X.] und damit eine Verletzung des Namensrechts desjenigen, der ein identisches Zeichen als Unternehmenskenn-zeichen benutzt. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Registrierung des [X.] einer [X.] für sich genommen rechtlich unbedenklichen [X.] Benutzungs-aufnahme als Unternehmenskennzeichen in einer anderen Branche unmittelbar vorausgeht (im Anschluß an [X.] 149, 191, 199 [X.] shell.de und [X.] 155, 273, 276 f. [X.] maxem.de)

[X.], [X.]. v. 9. September 2004 [X.]/02 [X.] OLG Oldenburg

LG [X.]

- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2004 durch [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], Pokrant, Dr. Schaffert und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.] wird das [X.]eil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 25. Februar 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin ist Trägerin des [X.]. Seit 1995 verwen-det sie bzw. ihr Rechtsvorgänger für das Krankenhaus die Abkürzung —[X.] in einer gleichbleibenden bildlichen Darstellung auf dem Briefkopf im Verkehr mit Krankenkassen, Geschäftspartnern und Patienten sowie in Stellenanzeigen in der Presse und auf der Übersichtstafel am Eingang des Krankenhauses. Seit der Ausgabe 1996/97 ist das Krankenhaus (auch) unter —[X.] im örtlichen Telefon-buch zu finden. - 3 - Die Beklagte, die in [X.] eine Werbeagentur betreibt, ließ Anfang 1998 den Domainnamen —mho.defi für sich registrieren. Sie nimmt für sich in Anspruch, die Bezeichnung —mho.defi seitdem zum Aufbau von Datenbanksystemen für Kun-den zu verwenden, wobei —[X.] für —Medienhaus [X.]fi stehe. Es bedeute für sie einen erheblichen Aufwand, die bestehenden Datenbanksysteme ihrer Kunden auf eine neue [X.]adresse umzustellen. Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die [X.]adresse —mho.defi bewußt besetzt, um ihr den Zugang zum [X.] unter der bekannten Abkürzung —[X.] zu vereiteln; sie ist der Ansicht, daß es sich um einen Fall einer mißbräuch-lichen Registrierung eines Domainnamens (—Domain grabbingfi) handele. Sie hat die Beklagte auf Freigabe des Domainnamens —mho.defi in Anspruch genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Unter Zurückweisung des [X.] Rechtsmittels hat das Berufungsgericht die Beklagte auf den Hilfsan-trag der Klägerin verurteilt, 1. die weitere Nutzung der für sie bestehenden [X.]-Domain-An-schrift —mho.defi zu unterlassen; 2. gegenüber dem [X.] den Verzicht und die Freigabe des Domainnamens —mho.defi zu erklären. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der [X.], mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. - 4 - Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 12 BGB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt: Indem die Beklagte unter der Abkürzung —[X.] auftrete, greife sie rechts-widrig in das Namensrecht der Klägerin ein. Dieses Namensrecht stehe der Kläge-rin bereits seit 1995 zu, weil sie seit diesem Zeitpunkt unter dieser Bezeichnung auftrete. [X.] sei, daß die Beklagte die Bezeichnung —mho.defi als erste für sich habe registrieren lassen. Vielmehr komme es darauf an, wer als erster ei-nen Namen verwende; dies sei unzweifelhaft die Klägerin, während sich die [X.] erst seit 1998 der Abkürzung —[X.] bediene. Die Beklagte könne auch nicht mit Erfolg einwenden, daß der lediglich regionale Gebrauch der Bezeichnung —[X.] durch die Klägerin keinesfalls ein Verbot der weltweiten Benutzung dieser Bezeichnung rechtfertigen könne; denn für beide Parteien beschränke sich die Bedeutung der [X.]benutzung auf den regionalen Bereich. I[X.] Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen [X.]eils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht Ansprüche aus §§ 5, 15 [X.] ungeprüft gelassen. Denn der Klägerin stehen gegenüber der [X.] keine Ansprüche aus der Unternehmensbezeichnung —[X.] zu. a) Allerdings geht der zeichenrechtliche Schutz aus §§ 5, 15 [X.] in seinem Anwendungsbereich grundsätzlich dem Namensschutz des § 12 BGB vor (vgl. [X.] 149, 191, 196 [X.] shell.de; [X.], [X.]. v. 11.4.2002 [X.] I ZR 317/99, [X.] - 5 - 2002, 706, 707 = [X.], 691 [X.] vossius.de). In seinem Anwendungsbereich vermittelt der zeichenrechtliche Schutz dem Inhaber des älteren Zeichens eine stärkere Rechtsposition, weil das prioritätsältere Zeichen grundsätzlich ein priori-tätsjüngeres Zeichen verdrängt, so daß der Inhaber des jüngeren Zeichens auch dessen Verwendung als Domainname unterlassen muß (vgl. [X.], [X.]. v. 21.2.2002 [X.] I ZR 230/99, [X.] 2002, 898, 900 = [X.], 1066 [X.] defacto; vgl. auch [X.] [X.] 2002, 706, 707 f. [X.] vossius.de). Aus dem Namensrecht des § 12 BGB kann dagegen in der Regel nur gegen den Inhaber eines registrierten Domainnamens vorgegangen werden, dem an diesem Namen selbst keine eige-nen Rechte zustehen (vgl. [X.] 155, 273, 275 [X.] maxem.de). Kann sich der In-haber des Domainnamens dagegen auf ein eigenes Namensrecht stützen, kommt das Recht der Gleichnamigen zum Zuge. Dies bedeutet, daß sich im Streit um den registrierten Namen grundsätzlich derjenige durchsetzt, der als erster diesen Na-men für sich hat registrieren lassen ([X.] 149, 191, 200 [X.] shell.de; [X.] [X.] 2002, 898, 900 [X.] defacto). Es gilt insoweit das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität (vgl. [X.] 148, 1, 10 [X.] Mitwohnzentrale.de), das nur unter besonderen Umstän-den zurücktritt (vgl. [X.] 149, 191, 201 f. [X.] shell.de). b) Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß die Klägerin die Unternehmensbezeichnung —[X.] in der von ihr verwende-ten bildlichen Darstellung durch Benutzung erworben hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Mar-kenG). Grundsätzlich kann dieses aus einer Wort-/Bildkombination bestehende Kennzeichen auch einen Schutz gegenüber der Verwendung des Wortzeichens —[X.] vermitteln, weil die Unternehmensbezeichnung der Klägerin durch die Buchstabenfolge —[X.] geprägt wird. Im übrigen ist davon auszugehen, daß mit der festgestellten Verwendung der Wort-/Bildkombination eine Benutzung der blo-ßen Buchstabenfolge —[X.], etwa im Fernsprechverkehr, einhergeht, so daß der Klägerin auch ein Recht an der Unternehmensbezeichnung —[X.] als reiner - 6 - Buchstabenfolge zusteht. Ungeachtet der Frage, ob die behauptete Verkehrsgel-tung besteht, kann dieser Bezeichnung [X.] auch wenn es sich um eine nicht als Wort aussprechbare Buchstabenkombination handelt [X.] die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden (vgl. [X.] 145, 279, 280 ff. [X.] DB Immobilienfonds). c) Die Beklagte verletzt jedoch die Unternehmensbezeichnung der Klägerin nicht. Die Gefahr einer Verwechslung mit dem [X.] (§ 15 Abs. 2 Mar-kenG) wird durch die beanstandete Verwendung des Domainnamens —mho.defi nicht hervorgerufen, weil die Tätigkeitsbereiche der Parteien derart weit auseinan-der liegen, daß es am Merkmal der [X.] fehlt. Auch ein Schutz aus § 15 Abs. 3 [X.] scheidet aus. Weder den getroffenen Feststellungen noch dem Parteivorbringen läßt sich entnehmen, daß es sich bei dem [X.] um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung handelt. 2. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme, daß die Beklagte ein Namensrecht der Klägerin nach § 12 BGB verletzt hat. a) Grundsätzlich steht der Klägerin an ihrer Unternehmensbezeichnung mit Namensfunktion auch ein Namensrecht nach § 12 BGB zu. Allerdings geht der Schutzbereich des Namensrechts in der Regel nicht über den Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens hinaus. Denn der aus § 12 BGB abgeleitete namens-rechtliche Schutz einer Unternehmensbezeichnung ist auf den Funktionsbereich des betreffenden Unternehmens beschränkt und reicht nur so weit, wie geschäftli-che Beeinträchtigungen zu befürchten sind (vgl. [X.], [X.]. v. 12.2.1998 [X.] I ZR 241/95, [X.] 1998, 696, 697 = [X.], 604 [X.] [X.] mit [X.]; [X.] 149, 191, 197 f. [X.] shell.de, m.w.N.). Eine Anwendung des § 12 BGB scheidet daher meist aus, weil sich der Funktionsbereich des Unternehmens in der - 7 - Regel mit dem Anwendungsbereich des [X.] das Namensrecht verdrängenden [X.] Kennzeichenschutzes aus §§ 5, 15 [X.] deckt. Ausnahmsweise kann jedoch der Funktionsbereich des Unternehmens auch durch eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des Anwen-dungsbereichs des Kennzeichenrechts berührt werden. In diesen Fällen kann der Namensschutz ergänzend gegen Beeinträchtigungen der [X.] herangezogen werden, die [X.] weil außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche und damit außerhalb der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr [X.] nicht mehr im Schutzbereich des [X.] liegen. b) Eine Beeinträchtigung berechtigter geschäftlicher Interessen ist im [X.] dann gegeben, wenn ein [X.] ein fremdes Kennzeichen als Domainname unter der in [X.] üblichen Top-Level-Domain —defi benutzt und sich damit unbefugt ein Recht an diesem Namen anmaßt. Ein solcher unbe-fugter Namensgebrauch liegt grundsätzlich schon in der Registrierung, weil bereits damit die den berechtigten Namensträger ausschließende Wirkung einsetzt ([X.] 149, 191, 199 [X.] shell.de). Daher kann derjenige, dem an dieser Bezeich-nung ein eigenes Namensrecht zusteht, im allgemeinen bereits gegen die Regi-strierung eines Domainnamens durch einen Nichtberechtigten vorgehen ([X.] 155, 273, 276 f. [X.] maxem.de). Der Nichtberechtigte kann demgegenüber in der Regel nicht auf schützenswerte Belange verweisen, die im Rahmen der [X.]n Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären. Eine Ausnahme muß allerdings für den Fall gemacht werden, daß die Regi-strierung der erste Schritt im Zuge der [X.] für sich genommen rechtlich unbedenkli-chen [X.] Aufnahme einer entsprechenden Benutzung als [X.] ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß es der Inhaber eines identischen - 8 - Unternehmenskennzeichens im allgemeinen nicht verhindern kann, daß in einer anderen Branche durch Benutzungsaufnahme ein Kennzeichenrecht an dem [X.] Zeichen entsteht. Ist ein solches Recht erst einmal entstanden, muß auch die Registrierung des entsprechenden Domainnamens hingenommen werden. Da es vernünftiger kaufmännischer Praxis entspricht, sich bereits vor der Benut-zungsaufnahme den entsprechenden Domainnamen zu sichern, führt die [X.] Interessenabwägung dazu, daß eine der Benutzungsaufnahme unmittelbar vo-rausgehende Registrierung nicht als [X.] und damit als unberech-tigter Namensgebrauch anzusehen ist. c) Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, ob die Beklagte vor oder alsbald nach der Registrierung des Domainnamens die Be-zeichnung —[X.] oder [X.] was hier allerdings nicht in Rede steht [X.] —mho.defi in der Weise benutzt hat, daß ihr an diesem Zeichen ein eigenes Recht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] zusteht. Liegen diese Voraussetzungen vor, stehen den Parteien an der Bezeichnung —[X.] oder —[X.] unabhängig voneinander Kennzeichen-rechte zu, die im Hinblick auf die bestehende Branchenverschiedenheit zu keiner Kollision führen. Die Beklagte wäre unter diesen Umständen eine berechtigte Na-mensträgerin, die ihren Namen als Domainnamen unabhängig davon registrieren lassen darf, ob ihre Berechtigung zur Führung des Namens schon länger besteht als die anderer berechtigter Namensträger. - 9 - II[X.] Das angefochtene [X.]eil kann unter diesen Umständen keinen Bestand haben. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung verwehrt, weil [X.] zu einem eigenen Unternehmenskennzeichen der [X.] fehlen. v. Ungern-Sternberg Bornkamm Pokrant

Schaffert Bergmann

Meta

I ZR 65/02

09.09.2004

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2004, Az. I ZR 65/02 (REWIS RS 2004, 1740)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1740

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