Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2012, Az. IV ZB 16/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2444

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 16/12

vom

10. Oktober 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 124 Nr. 2 Alt. 1
Die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemachter falscher Angaben nach §
124 Nr.
2 Alt.
1 ZPO setzt nicht voraus, dass die falschen Angaben des Antragstellers zu [X.] objektiv unrichtigen Bewilligung geführt haben, diese mithin auf den Falschangaben beruht.

[X.], Beschluss vom 10. Oktober 2012 -
IV
ZB 16/12 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterin
[X.] und [X.] Karczewski

am 10. Oktober 2012

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9.
Zivil-senats des [X.]s [X.] vom 18.
April 2012 wird auf Kosten des [X.]n zurückgewiesen.

Gründe:

Der [X.] wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach §
124 Nr.
2 Alt.
1 ZPO.

[X.] Von der
Klägerin auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch genommen, beantragte er
mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtig-ten vom 15.
Juni 2010
beim [X.]
ratenfreie Prozesskostenhilfe. In der beigefügten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war angegeben, er suche nach Arbeit und verfüge weder über eigenes Einkommen noch über Vermögen. Auf Nachfrage des Ge-richts ließ
er in zwei weiteren Schriftsätzen seines
Prozessbevollmäch-tigten ergänzend vortragen, er habe kein "relevantes"
Bankguthaben, 1
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3
-

wohne bei der Mutter seines [X.], welche ihm den Mietanteil stunde und ihn durch [X.] unterstütze; einen PKW
habe er nicht, könne jedoch
ein von dritter Seite leihweise zur Verfügung gestelltes Fahrzeug nutzen, wodurch weitere Schulden entstünden. Er biete sich als [X.] und für Bauarbeiten an, habe aber noch keine Aufträge erhalten und sei mittellos.

Mit Beschluss vom 9.
November 2010 bewilligte ihm das
Landge-richt ratenfreie Prozesskostenhilfe. Am selben Tage wurde
der [X.] durch Vergleich beendet.

Im Juni 2011 regte
die Klägerin beim [X.] an, die [X.] wieder zu entziehen, denn der [X.]
habe schon während des Rechtsstreits einen PKW
Audi [X.] gefahren und dafür monatliche Kosten von rund 800

erklärte
der [X.] auf Anfrage des Gerichts, der PKW
sei das ehemalige Firmenfahrzeug einer GmbH, deren Mitgesellschafter er gewesen sei;
seine Geschäftsanteile habe er inzwischen veräußert. Den Fahrzeugunterhalt nebst Leasingvertrag habe er dabei übernehmen müssen, die Kosten würden ihm von [X.]. Urkunden, welche der [X.] sodann auf richterliche Anordnung vorlegte, ist weiter zu entnehmen, dass er unter Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer mit notariellem Anteilskauf-
und Abtretungs-vertrag vom 23.
Juni 2010
seinen Geschäftsanteil an der GmbH im Nennwert von 13.000

Höhe von 26.429,04

l-schafter verkauft bzw. abgetreten hatte.

Mit Beschluss des [X.] vom 17.
November 2011 hat das [X.] die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben. Die da-3
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4
-

gegen erhobene sofortige Beschwerde hat das [X.] zu-rückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbe-schwerde verfolgt der [X.] sein Rechtsschutzbegehren weiter.

I[X.] Das nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthafte
und auch im Übrigen zulässige
Rechtsmittel
hat keinen Erfolg.

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts
sind die Vorausset-zungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach §
124 Nr.
2
Alt.
1 ZPO erfüllt, weil der [X.] im Bewilligungsverfahren absichtlich falsche Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht habe. Er habe sowohl seinen vorgenannten GmbH-Geschäftsanteil als auch die Darlehensforderung gegen die GmbH und seine Gesellschafterstellung verschwiegen, aufgrund der er zur Nutzung des Firmenwagens Audi [X.] 3.0
TDI [X.] berechtigt gewesen sei.
Die darin liegende Verletzung der Pflicht, wahre und voll-ständige Angaben zu machen (§
117 Abs.
2 ZPO), entfalle nicht durch den zwischen Beantragung und Bewilligung der Prozesskostenhilfe er-folgten Verkauf seiner Gesellschaftsbeteiligung, die behauptete Verwen-dung des Verkaufserlöses zur Schuldentilgung und die weiteren vorge-nannten Verfügungen vom Juni 2010.
Die diesbezüglichen Informationen habe der [X.] nicht freiwillig, sondern erst auf gerichtliche Nachfra-ge gegeben und selbst dabei noch versucht, den Sachverhalt mit der Angabe zu verschleiern, das Geld für die Fahrzeugkosten werde ihm "von dritter Seite zur Verfügung gestellt".
Das lasse auf den für eine ab-sichtliche Falschangabe i.S.
von §
124 Nr.
2 Alt.
1 ZPO erforderlichen Vorsatz schließen.

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5
-

Dass
nicht der [X.] selbst, sondern sein Prozessbevollmäch-tigter die maßgeblichen Erklärungen gegenüber dem Gericht
abgegeben habe, sei wegen §
85 Abs.
2 ZPO unerheblich.

Es komme nicht darauf an, ob dem [X.]n auch bei wahren und vollständigen Angaben ratenfreie Prozesskostenhilfe hätte bewilligt [X.]n müssen.
Zwar sei §
124 Nr.
2 ZPO nach weit verbreiteter Ansicht in Rechtsprechung und Literatur eine Kostenvorschrift
ohne Strafzweck, die die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nur gestatte, wenn sie auf den falschen Angaben des Antragstellers beruhe.
Zutreffend sei [X.] die Gegenansicht, nach der §
124 Nr.
2 Alt.
1 ZPO Sanktionscha-rakter habe und die Aufhebung der Bewilligung bereits allein als Folge absichtlicher oder grob fahrlässiger falscher Angaben des Antragstellers ermögliche.
Sonderfällen könne im Rahmen des von §
124 Nr.
2 ZPO er-öffneten Ermessens ausreichend Rechnung getragen werden.

Hier sei dieses Ermessen dahingehend auszuüben, dass die ge-samte Prozesskostenhilfebewilligung aufzuheben sei. Ein weniger gra-vierender Verstoß gegen die Pflicht zu wahrheitsgemäßen und vollstän-digen Angaben liege auch unter Zugrundelegung des neueren Vorbrin-gens
des [X.]n nicht vor. Insbesondere genügten seine Angaben und die eingereichten Be[X.] noch immer nicht, um Zweifel an seiner Bedürftigkeit auszuräumen. [X.] auf seinem Konto seien mehrfach
durch Bareinzahlungen unbekannter Herkunft im Gesamtwert von 1.450

über Einkünfte, die er nicht über sein Konto abwickle.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

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a) Die Feststellung
des Beschwerdegerichts, der [X.] habe absichtlich falsche Angaben i.S.
des §
124 Nr.
2
Alt.
1 ZPO gemacht
und seine Darstellung sei darauf gerichtet gewesen, Fragen nach seiner Ge-sellschafterstellung und daraus resultierenden Einkünften und Veräuße-rungserlösen zu vermeiden,
ist frei von [X.]. Soweit der Be-klagte
darauf verweist, er sei im

seiner Auffassung nach

allein maß-geblichen Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung, d.h. am 9.
November 2010, nicht mehr GmbH-Geschäftsführer und Gesellschafter gewesen, so dass seine ursprünglichen Angaben am Ende nicht mehr falsch gewesen seien, hat das Beschwerdegericht dies mit aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Begründung für nicht durchgreifend erachtet. Dass die Angaben des [X.]n unvollständig waren, räumt die Rechtsbe-schwerde ein. Demgegenüber erscheint der Befund, dass der [X.] im November 2010
nicht mehr als Geschäftsführer oder Gesellschafter mit der GmbH verbunden war, lediglich als Momentaufnahme, anhand derer sich seine wirtschaftliche Situation nicht ansatzweise überprüfen ließ.
Weder
im Zeitpunkt der Bewilligungsreife (vgl. dazu OVG Hamburg
NVwZ-RR 2011, 661) noch bei seiner Bewilligungsentscheidung war das [X.] durch die Angaben des [X.]n über dessen wirtschaftli-che
Verhältnisse und insbesondere deren Entwicklung ausreichend un-terrichtet.

b)
Anders als die Rechtsbeschwerde meint, setzt §
124 Nr.
2 Alt.
1 ZPO
nicht voraus, dass die falschen Angaben des Antragstellers zu einer objektiv unrichtigen Prozesskostenhilfebewilligung geführt haben, die Bewilligung mithin auf den Falschangaben beruht.
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-

Die Frage ist
in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

aa) Einer weit verbreiteten Auffassung zufolge dienen die in §
124 ZPO unter den Nummern 1 bis 3 aufgeführten Tatbestände sämtlich [X.] dem Zweck, dem von einer Prozesskostenhilfebewilligung [X.] sachlich nicht gerechtfertigte Vorteile wieder zu entziehen und so ei-ne objektiv zutreffende Entscheidung über die Bewilligung von [X.] herbeizuführen. Auch §
124 Nr.
2 ZPO sei mithin eine rein kostenrechtliche Bestimmung ohne Sanktionscharakter. Sie habe als un-geschriebenes Tatbestandsmerkmal zur Voraussetzung, dass die [X.] auf den Falschangaben des Antragstellers beruhe, mithin objektiv falsch sei
(vgl. [X.]
FamRZ 1987, 1170
f.; [X.] Rpf[X.]r
2001, 503
f.; [X.], 930
f.; OLG Düsseldorf
JurBüro 1986, 296
f.; [X.] 1991, 791; [X.] [X.], 887 f.; [X.] FamRZ 1998, 1523; [X.], ZPO 22.
Aufl. §
124 Rn.
13; Musielak/[X.], ZPO
8. Aufl.
§
124 Rn.
5; [X.]/[X.], ZPO 29.
Aufl. §
124 Rn.
5; [X.]/[X.], ZPO 70.
Aufl. §
124 Rn.
37; BeckOK-ZPO/[X.], Stand 15.
Juli 2012 §
124 Rn.
19, 19.1; [X.]/
[X.], 3.
Aufl. §
124 Rn.
3 und 11;
HK-ZPO/Pukall, 2.
Aufl. §
124 Rn.
3; [X.]/[X.]/[X.], ZPO
32.
Aufl. §
124 Rn.
3).
Befürworter dieser Auffassung verweisen darauf, dass dem Verständnis des §
124 Nr.
2 ZPO als Sanktionsvorschrift das aus Art.
3 Abs.
1 GG abgeleitete Gebot der weitgehenden Angleichung der Situation Bemittelter und [X.] bei der Verwirklichung von Rechtsschutz entgegenstehe. Ein objektiv gegebener Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei bei ei-nem verfassungskonformen Verständnis des §
124 Nr.
2 ZPO höher zu bewerten als eine Oberflächlichkeit oder Unaufrichtigkeit des Antragstel-lers ([X.] Rpf[X.]r
2001, 503, 504; ähnlich BeckOK-14
15
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8
-

ZPO/[X.], Stand 15.
Juli 2012 §
124 Rn.
19.1).
Ergänzend wird ange-nommen, das Zivil(prozess)recht sei kein geeigneter Ort, Sanktionen zwischen der [X.] und dem Staat festzusetzen ([X.] aaO).

bb) Die Gegenmeinung
([X.] FamRZ 1989, 1204; [X.] NJ 2007, 25; OLG Braunschweig
[X.], 373, 374
f.; OLG Hamm Rpf[X.]r
1986, 238; [X.] FamRZ 1987, 1169; 1988, 740; [X.]/Schütze, ZPO 3.
Aufl. §
124 Rn.
9), der sich das [X.] angeschlossen hat, verweist demgegenüber vorwiegend auf Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des §
124 ZPO. Gegen die behauptete Zielsetzung, lediglich eine objektiv zutreffende Bewilligungsentscheidung herbeizuführen,
und die Verneinung jeglichen Sanktionscharakters der Vorschrift
spreche bereits, dass §
124 ZPO le-diglich von einer "Aufhebung", nicht aber einer "Änderung"
oder "Anpas-sung"
der Bewilligungsentscheidung spreche. Nach dem [X.] könne die Bewilligungsentscheidung aufgehoben werden,
"wenn"

und nicht nur "soweit"

die Tatbestände der Nummern 1 bis 4 erfüllt seien ([X.] FamRZ 1987, 1169; OLG Braunschweig [X.], 373, 374). Im Übrigen habe der Gesetzgeber die Fälle absichtlicher und grob fahrlässiger Falschangaben des Antragstellers in den Nummern 1 und 2 des §
124 ZPO getrennt vom Fall des bloßen Fehlens der [X.] (Nr.
3) geregelt. Daraus sei zu schließen,
dass das Gesetz diesen unterschiedlichen Tatbeständen auch unterschiedli-che Bedeutung für
eine Aufhebung der Bewilligung beimesse. Da sämtli-che Fälle des §
124 ZPO eine Ermessensentscheidung eröffneten, [X.] in diese auch der unterschiedliche Unwertgehalt der einzelnen Tatbe-standsvarianten einfließen, woraus sich ergebe, dass die Vorschrift nicht allein auf einen objektiven kostenrechtlichen Ausgleich ziele, sondern Strafcharakter habe ([X.] FamRZ 1988, 740).
Dafür spreche auch 16
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9
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die Entstehungsgeschichte des Gesetzes.
In der amtlichen Begründung des [X.] zum Gesetz vom 13.
Juni 1980 (BGBl.
I, 677), mit welchem das frühere Armenrecht durch das [X.] abgelöst wurde, heißt
es zur Begründung des §
122 [X.], der später als §
124 in die Zivilprozessordnung aufgenommen worden ist:

"Ob das Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes
1 die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufhebt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Bei weniger gravierenden Verstößen gegen die Verpflichtung, zutref-fende Angaben über die maßgebenden
Verhältnisse zu m-angemessenere
Reaktion des Gerichts sein."
(BT-Drucks.
8/3068
S. 31).

Hieraus wird gefolgert, §
124 Nr.
1 und 2 ZPO ermögliche in schwerer wiegenden Fällen von Falschangaben die Aufhebung der [X.], ohne dass es auf Weiteres ankäme ([X.] FamRZ 1987, 1169, 1170).

cc) Eine vermittelnde Meinung nimmt
das [X.] Zwei-brücken ein ([X.], 958-960): Für einen Strafcharakter der [X.] in §
124 Nr.
1 und 2 ZPO
spreche, dass eine nachträgliche An-passung der Prozesskostenhilfebewilligung an die objektive Sach-
und Rechtslage

wenngleich auf vier Jahre
befristet

bereits in §
124 Nr.
3 ZPO geregelt sei, so dass die Aufstellung zweier weiterer Tatbestände (in den Nr.
1 und 2) mit gleicher Rechtsfolge, jedoch zusätzlichen qualifi-zierten [X.] keinen Sinn ergebe. Kennzeichnend für die in §
124 Nr.
2 ZPO geregelten Sachverhalte sei
allerdings, dass dem Gericht keine ausreichende Grundlage für die Feststellung gewährt [X.], der Antragsteller sei bedürftig. Das Gericht müsse deshalb im Rah-
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10
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men der ihm eröffneten Ermessensentscheidung prüfen, ob sich die wirt-schaftlichen und persönlichen Verhältnisse trotz der mittels Falschanga-ben heraufbeschworenen Unsicherheit noch ausreichend sicher feststel-len ließen. Die Darlegungslast hierfür liege beim Antragsteller. Ergebe diese Prüfung hinreichend sicher, dass der Antragsteller bedürftig sei, könne ihm die Prozesskostenhilfe belassen werden, anderenfalls sei die Aufhebung der Bewilligung keine Strafe, sondern lediglich beweisrechtli-che Folge der vom Antragsteller geschaffenen
Unsicherheit.

dd) Der [X.] hat lediglich vor Inkrafttreten der 2.
[X.] des §
124 Nr.
2 ZPO (vgl. [X.] 1986
BGBl.
I 1986, 2326, 2338) ausgesprochen, dass der Antragsteller seinen Anspruch auf Pro-zesskostenhilfe im sachlich gerechtfertigten Umfang nicht dadurch [X.], dass er seine Offenbarungspflicht in Bezug auf eine Veränderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse verletze ([X.], Beschluss vom 14.
März 1984
[X.], [X.], 677, 678 unter II 1 a).
Im Übrigen hat er die hier erörterte Frage bisher ausdrücklich offen gelas-sen ([X.], Beschluss vom 12. Dezember 2000 -
X ZR
119/99, juris Rn.
6).

ee) Die oben unter bb) vorgestellte Rechtsauffassung trifft zu.

Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Gesetzeszweck des §
124 Nr.
2 Alt.
1 ZPO sprechen dafür, dass das Gericht die [X.] bei absichtlich oder aus grober Nachlässig-keit
gemachten falschen Angaben des Antragstellers auch dann aufhe-ben kann, wenn die Bewilligung nicht auf diesen Angaben beruht, sofern die falschen Angaben jedenfalls generell geeignet erscheinen, die Ent-scheidung über die Prozesskostenhilfe zu beeinflussen.
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(1) §
124 ZPO nennt unter den Nummern 1 bis 3 drei unterschied-liche Tatbestände, die
die Ermessensentscheidung eröffnen, eine frühere Prozesskostenhilfebewilligung mit Blick auf die [X.], bzw. ihre Darlegung,
aufzuheben. In den Nummern 1 und 2, welche zum einen eine unrichtige Darstellung des Streitstandes, zum anderen unrichtige
Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
des Antragstellers zum Gegenstand haben, ist nicht davon die Rede, die Aufhebung der Bewilligung setze zusätzlich voraus, dass letztere auf den falschen Angaben beruhe, mithin nicht der objektiven Sachlage entspreche. Dies wird ausdrücklich nur in Nummer
3 vorausge-setzt
und bildet dort den alleinigen [X.]. Wollte man an-nehmen, dieselbe Voraussetzung gelte

ungeschrieben

auch im Rah-men der Nummern 1 und 2, beschränkte sich deren
Regelungsgehalt da-rauf, die Befristung der in Nummer
3 ohnehin eröffneten [X.] in Fällen schuldhaft falscher Angaben entfallen zu lassen.

Ein solches Verständnis wird dem Aufbau der Vorschrift nicht ge-recht. Ihm liegt stattdessen erkennbar zugrunde, dass derjenige Antrag-steller, der im Bewilligungsverfahren schuldhaft falsche Angaben macht, sich mithin subjektiv falsch verhält, hinsichtlich des Bestandes seiner
Bewilligung weniger schutzwürdig erscheint,
als derjenige, dessen [X.] sich lediglich als objektiv unzutreffend erweist. Dementsprechend regeln die Tatbestände in §
124 Nr.
1 und 2 ZPO und in §
124 Nr.
3 ZPO Aufhebungsgründe von unterschiedlichem Unwertgehalt, was in der zeit-lichen Begrenzung der
Aufhebung der Bewilligung nach
Nummer
3 sei-nen Ausdruck findet. Hätten alle Tatbestände eine objektive Unrichtigkeit der ursprünglichen Bewilligung zur gemeinsamen Voraussetzung, wäre zu erwarten gewesen, dass dies "vor [X.] gezogen", d.h. den 22
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Nummern 1 bis 3 vorangestellt worden wäre. Im Übrigen hätten die quali-fizierten subjektiven Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 in diesem Falle nur noch Bedeutung für die in Nummer
3 geregelte Befristung. Es hätte dann kein Anlass bestanden, sie vor der Regelung der Nummer
3 als gesonderte Tatbestände zu formulieren, sondern genügt, es bei der Regelung der Nummer
3 bewenden zu lassen und ihr einen
letzten [X.] hinzuzufügen, demzufolge die Befristung nicht gelte, wenn die Be-willigung auf einer unrichtigen Darstellung des Streitstandes oder ab-sichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemachten unrichtigen Angaben des Antragstellers zu seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhält-nissen beruht.

(2) Das Argument, die Zivilprozessordnung sei nicht der Ort, [X.] zwischen Staat und Bürger zu regeln, überzeugt ebenso
wenig wie das allgemeine, von seinen Befürwortern nicht näher begründete Postulat, §
124 ZPO wohne als rein kostenrechtlicher Bestimmung kein Sanktionscharakter inne. Dabei wird bereits verkannt, dass das [X.] über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenngleich aus Grün-den der [X.] in der Zivilprozessordnung geregelt, nicht Teil des kontradiktorischen Rechtstreits, sondern ein eigenes, seinem Wesen nach öffentlich-rechtliches Subventionsverfahren der Daseinsvorsorge darstellt, bei dem die bedürftige [X.] dem bewilligenden Staat als An-tragsteller gegenübertritt, während der Prozessgegner keine [X.]rolle
einnimmt, sondern lediglich ein Anhörungsrecht
hat
(vgl. [X.], Beschluss vom 15.
November 1983

VI ZR 100/83, [X.]Z 89, 65
f.).
Es ist deshalb nicht möglich, aus dem allgemeinen Wesen des Zivilprozesses Rück-schlüsse auf den Regelungsgehalt der allein das Verfahren zur Bewilli-gung von Prozesskostenhilfe betreffenden
Bestimmungen zu ziehen. Die §§
114
ff. ZPO
regeln insoweit eigenständig die Voraussetzungen, unter 24
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denen eine Rechtsschutz suchende [X.] staatliche Unterstützung be-anspruchen kann, umgekehrt aber in §
124 ZPO auch die Voraussetzun-gen für die Rücknahme der Bewilligung. Dass es dem Gesetzgeber dabei nicht möglich sein sollte, auch Verwirkungstatbestände für den Fall un-lauteren Verhaltens des Antragstellers zu schaffen, ist nicht ersichtlich.
Für einen Sanktionscharakter der in §
124 Nr.
1 und 2 ZPO getroffenen Regelungen spricht insoweit gerade die
alleinige Anknüpfung an ein [X.] des Antragstellers im Kontrast zu der verschuldensunabhängi-gen Korrektur der Bewilligung nach §
124 Nr.
3 ZPO.

(3) Dieses Verständnis stützt
auch die amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
der Zivilprozessordnung und an-derer Gesetze vom 18.
März 1985 (BT-Drucks.
10/3054).
Danach wurde mit dem Gesetz zur Änderung von Kostengesetzen vom 9.
Dezember 1986 ([X.] 1986 BGBl.
I 2326) §
124 Nr.
2 ZPO erklärtermaßen als "erforderliche Sanktion bei einer Verletzung der [X.] nach §
120 Abs.
4 Satz
2 ZPO"
(BT-Drucks. 10/3054 S.
22) um die zweite [X.] erweitert. Auch der [X.] in §
124 Nr.
4 ZPO wird als reine Sanktion für die Missachtung der richterlichen Zahlungsanord-nung verstanden (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Juli 2005

[X.], NJW-RR 2006, 197 unter [X.] b).

Ferner geben die Gesetzgebungsmaterialien zu §
124 Nr.
1 und 2 ZPO Hinweise darauf, dass die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewil-ligung nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch allein als Folge [X.] Angaben des Antragstellers möglich sein sollte. In der amtlichen Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über die Prozesskostenhilfe vom 17.
Juli 1979 heißt es zum dortigen §
122, aus dem später der §
124 ZPO hervorgegangen ist:
25
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14
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"Absatz 1 erlaubt die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe aufzuheben, wenn die [X.] die Bewilligung durch bewußt falsche Angaben über das [X.] oder über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erschlichen hat, wenn sie grob fahrlässig unrichtige Angaben über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, wenn sie bewußt oder grob fahrlässig ihrer Anzeigepflicht nach §

-kommen ist oder wenn sie mit den angeordneten Zahlungen erheblich in Rückstand ist.

Nach Absatz 2 kann das Gericht die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe aufheben, wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von diesen Fällen soll jedoch eine zeitliche Grenze für die

(BT-Drucks. 8/3068 S.
31).

Daraus wird ersichtlich, dass der Entwurf in zwei getrennten Absätzen zwischen einer verschuldensabhängigen und einer lediglich auf objektiven Gründen beruhenden Aufhebung der Bewilligung unterschied, und
der Gesetzgeber neben dem Erschleichen der Bewilligung auch grob fahrlässig unrichtige Angaben des Antragstellers für die Aufhebung ausreichen lassen wollte. Der Entwurf hat, wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat, im nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren zwar redaktionelle Änderungen
erfahren (vgl. dazu BT-Drucks.
10/3054 S.
22), insbesondere ist davon abgesehen worden, die objektiven Aufhe-bungsgründe in einem gesonderten Absatz
2 zu regeln; eine sachliche Änderung ging damit indes nicht einher.

(4) Der Gesetzeszweck spricht ebenfalls dafür, §
124 Nr.
2 ZPO als Verwirkungstatbestand anzusehen, bei dem es auf eine Kausalität der falschen Angaben für die Bewilligung nicht ankommt.

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15
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Im Prüfungsverfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, das unter einem besonderen Beschleunigungsgebot steht (vgl. dazu [X.]/
[X.], ZPO 29.
Aufl. §
118 Rn.
13),
ist der Antragsteller

wie sich insbesondere aus §
117 Abs.
2 Satz
1
und
§ 118 Abs.
2 ZPO ergibt

bei der Aufklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in besonderem Maße zur Mitwirkung verpflichtet. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab-lehnen. Zu eigenen Ermittlungen ist es dann in der Regel nicht verpflich-tet. §
118 Abs.
2 Satz
4 ZPO enthält insoweit ebenfalls
eine Sanktion für unvollständige oder nicht rechtzeitige Angaben des Antragstellers
(vgl. dazu OLG Saarbrücken OLGR 2009, 336, 337), für die es nicht darauf ankommt, ob der Antragsteller die Voraussetzungen für die Bewilligung materiell erfüllt. Es wird vielmehr allein auf seine unzureichende Mitwirkung im Bewilligungsverfahren abgestellt.
Die genannten Rege-lungen beruhen darauf, dass das Gericht im Bewilligungsverfahren, welches sich im Interesse des Antragstellers an einer schnellen Ent-scheidung mit einer Glaubhaftmachung der Bewilligungsvoraussetzungen begnügt, in besonderem Maße auf ein [X.] Verhalten des [X.] angewiesen ist. Begründet der Antragsteller in vorwerfbarer Weise Zweifel an seiner Redlichkeit, erscheint es angemessen, ihm die nachgesuchte finanzielle Unterstützung zu versagen, weil ein [X.] Prüfungsverfahren dann nicht mehr möglich ist.

(5) Wie das Beschwerdegericht zutreffend annimmt, ist eine ein-schränkende Auslegung des
§
124 Nr.
2 Alt.
1 ZPO auch aus [X.] nicht geboten. Zwar folgt aus dem Sozialstaatsprinzip (Art.
20 Abs.
1 GG), dem Rechtsstaatsgrundsatz (Art.
20 Abs.
3 GG) und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art.
3 Abs.
1 GG) die Verpflichtung des Staates, die Situation Bemittelter und Unbemittelter im Bereich des 29
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Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen, insbesondere letzteren den Zugang zu den Gerichten nicht unverhältnismäßig zu erschweren (vgl. [X.] NJW 2009, 209
f. m.w.N.). Dem trägt die von der [X.] eröffnete Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu erhalten, Rech-nung. Die vorgenannten verfassungsrechtlichen Vorgaben besagen indes nicht, dass dem um Prozesskostenhilfe [X.] nicht auferlegt werden könnte, die persönlichen und wirtschaftlichen Bewilligungsvo-raussetzungen in redlicher Weise darzu[X.]n. Ebenso
wenig verstößt es gegen die vorgenannte staatliche Verpflichtung zur Angleichung, wenn das Gesetz an ein schuldhaftes un[X.] Verhalten
des Antragstellers die Verwirkung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe knüpft. Dem [X.] ist darin zuzustimmen, dass §
124 Nr.
2 Alt.
1 ZPO der Gefahr einer unverhältnismäßigen Erschwernis des Zugangs zu den [X.] schon dadurch ausreichend begegnet, dass die Aufhebung der Bewilligung lediglich bei
einem qualifizierten Verschulden des [X.] ermöglicht wird und zudem besonderen Härtefällen im Rahmen der durch die Vorschrift eröffneten Ermessensentscheidung ausreichend Rechnung getragen werden kann.

c) Das gemäß §
124 ZPO eröffnete Ermessen hat das Besch[X.]gericht ohne Rechtsfehler ausgeübt.
Seine Feststellung, der [X.] habe seine frühere Beteiligung an der GmbH und seine Darlehensforderung gegen diese nicht von
sich aus mitgeteilt und selbst auf Nachfrage des Gerichts noch bewusst verschleiert, um weitere Nachfragen zu vermeiden, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Rechtsbeschwerde rügt die Feststellung
des Beschwerde-gerichts, dem Konto des [X.]n seien Bareinzahlungen unbekannter Herkunft in Höhe von insgesamt 1.450

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17
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tung eigener Einkünfte nahe [X.]. Dabei habe das Beschwerdegericht übergangen, dass der [X.]

unter anderem mittels einer schrift-lichen Bestätigung der Mutter seines [X.]

dargelegt habe, die Ein-zahlungen stammten von
dieser. Das verkennt aber, dass das Besch[X.]gericht die Glaubwürdigkeit des [X.]n infolge seiner vorsätzlichen Falschangaben insgesamt in Zweifel gezogen und aus diesem Grunde weder sein Vorbringen im Aufhebungs-
und Beschwerdeverfahren noch die dazu vorgelegten Nachweise als ausreichend angesehen hat, um Zweifel an seiner Bedürftigkeit auszuräumen. Die Rechtsbeschwerde versucht insoweit ohne Erfolg, diese Beweiswürdigung durch eine eigene Würdigung zu ersetzen.

Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich,
dass hier lediglich ein weniger gravierender Verstoß gegen die Verpflichtung, zutreffende An-gaben über die maßgeblichen Verhältnisse zu machen, vorliegt, bei dem

33
-
18
-

lediglich eine rückwirkende Änderung der Bestimmungen über die [X.] des [X.]n angemessen wäre (vgl. dazu BT-Drucks.
8/3068
S.
31).

[X.]
[X.]
[X.]

[X.]
Dr. Karczewski

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.11.2011 -
5 [X.]/10 T -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 18.04.2012 -
9 [X.] -

Meta

IV ZB 16/12

10.10.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2012, Az. IV ZB 16/12 (REWIS RS 2012, 2444)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2444

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Aufhebung von Prozesskostenhilfebewilligung


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IV ZB 16/12

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