Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.02.2024, Az. VIa ZR 1208/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 966

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 28. Juli 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufungsantrag zu 1 in Höhe von 13.531,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Juni 2020 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs sowie die [X.] zu 2, zu 3 und zu 4 zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 28. Dezember 2012 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten [X.] [X.], der mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Den Kaufpreis finanzierte er teilweise über ein Darlehen der [X.], das er in der Folgezeit tilgte. In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert und unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" bei bestimmten Außentemperaturen reduziert. Das Fahrzeug verfügt über eine [X.] (KSR).

3

Der Kläger hat zuletzt den Ersatz der geleisteten Kaufpreisanzahlung und der gezahlten Darlehensraten abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1), die Feststellung der Erledigung des ursprünglich weitergehenden [X.] (Berufungsantrag zu 4) und des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 2) sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen (Berufungsantrag zu 3) verlangt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat weitgehend Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB nicht zu. Ein [X.] Verhalten der Beklagten sei nicht festzustellen. Der Kläger habe weder konkrete Anhaltspunkte für eine prüfstandsbezogene Steuerung des [X.]s oder der [X.] noch sonstige Umstände aufgezeigt, aus denen sich eine besonders verwerfliche Vorgehensweise der Beklagten ergäbe. Dabei könne zugunsten des [X.] unterstellt werden, dass das [X.] als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren sei. Die Beklagte hafte auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 [X.]. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liege nicht im Aufgabenbereich der Vorschriften der [X.].

II.

7

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

8

1. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

9

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Das Berufungsurteil hat gleichwohl Bestand, soweit der Kläger mit dem Berufungsantrag zu 1 vom 28. April 2020 bis zur Zustellung der Klageschrift am 5. Juni 2020 Zinsen begehrt hat. Die Beklagte ist durch die vorgerichtliche Mahnung des [X.] nicht in Verzug geraten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises ohne die Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen verlangt und hiervon die Rückgabe des Fahrzeugs abhängig gemacht. Er hat daher - selbst wenn ihm ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf großen Schadensersatz zustünde - eine weit übersetzte Leistung begehrt (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 64 ff.). Unter diesen Umständen scheidet ein Schuldnerverzug aus (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 2020, aaO, Rn. 86; Urteil vom 9. Oktober 2023 - [X.], [X.], 2190 Rn. 12; Urteil vom 24. Oktober 2023 - [X.], [X.], 218 Rn. 34). Die Beklagte hat daher allenfalls Prozesszinsen seit dem 6. Juni 2020 zu entrichten (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

IV.

Im Übrigen ist das angefochtene Urteil aufzuheben, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der [X.] kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 1208/22

27.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 28. Juli 2022, Az: I-5 U 80/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.02.2024, Az. VIa ZR 1208/22 (REWIS RS 2024, 966)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 966

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIa ZR 460/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 840/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 717/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 1318/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 14/22 (Bundesgerichtshof)

Deliktische Haftung des Fahrzeugherstellers in einem sog. Dieselfall: Umfang des Anspruchs auf Ersatz des Differenzschadens


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZR 131/20

VI ZR 252/19

VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.