Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2020, Az. EnVR 104/19

Kartellsenat | REWIS RS 2020, 700

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Gegenstand

Energieversorgung: Kostentragung für unberechtigte Stromentnahmen; Rechtmäßigkeit einer aktiven Abmeldung einer Lieferstelle durch den Grundversorger - Unberechtigt genutzte Lieferstellen


Leitsatz

Unberechtigt genutzte Lieferstellen

1. Stromentnahmen an der Lieferstelle eines Haushaltsanschlusses, die ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage erfolgen, sind dem Bilanzkreis desjenigen Elektrizitätsversorgungsunternehmens zuzuordnen, welches die Kosten für die entnommene Energie trägt und dem spiegelbildlich gegen den Nutzer der Lieferstelle ein Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch zusteht. Dies ist im Niederspannungsbereich der Grundversorger.

2. Die Festlegung der Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität (GPKE) ist rechtmäßig, soweit sie dem Grundversorger eine Abmeldung von Lieferstellen versagt, für die weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Lieferverhältnis besteht und für die ein solches vom Nutzer auch nicht beansprucht werden kann.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 13. November 2019 wird auf Kosten der Betroffenen, die auch die notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur und der weiteren Beteiligten zu tragen hat, zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

A. Die Betroffene, ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen, beliefert Kunden mit Strom in den [X.] beider Beigeladenen auf der [X.]. Sie ist zuständige Grund- und Ersatzversorgerin gemäß §§ 36, 38 [X.] in einem Teil des [X.] der Beigeladenen zu 1 und war dies bis zum 31. Dezember 2018 im gesamten Netzgebiet der Beigeladenen zu 2.

2

In den Jahren 2014 bis 2016 meldete die Betroffene gegenüber den Beigeladenen in mehreren hundert Fällen grundversorgte Haushaltskunden von der Belieferung ab und übernahm nahtlos die Ersatzversorgung dieser Kunden. Einige dieser [X.] meldete sie nach Ablauf von drei Monaten bei der jeweiligen Beigeladenen mit der Begründung "Ende der Ersatzversorgung ohne Folgebelieferung" aus der Ersatzversorgung ab und lehnte zugleich die (erneute) Übernahme der Grundversorgung dieser Kunden ab. Gegenüber der Beigeladenen zu 2 beantragte die Betroffene in der Regel gleichzeitig mit der Abmeldung eine Sperrung des jeweiligen [X.]es wegen Nichterfüllung von Zahlungspflichten durch den Kunden, die jedoch häufig nicht durchgeführt wurde. Gegenüber der Beigeladenen zu 1 erfolgte ein solcher Sperrauftrag in der Regel nicht. Nachdem die Beigeladenen die betreffenden [X.] in ihrem jeweiligen Netzgebiet und die dort nach Ablauf der Ersatzversorgung entnommene Energie zunächst ihrem [X.] zugeordnet hatten, lehnten sie zuletzt gegenüber der Betroffenen derartige Abmeldungen aus der Ersatzversorgung ohne Übernahme der Grundversorgung mit der Begründung "[X.] unplausibel" ab und ordneten die [X.] sowie deren [X.] weiterhin dem [X.] der Betroffenen zu.

3

Mit Beschluss vom 26. März 2018 hat die [X.] mit der Begründung, bis zur Sperrung einer [X.] sei diese bilanziell dem Grundversorger zuzuordnen, festgestellt, dass die Betroffene gegen die ihr obliegende Pflicht gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV i.V.m. § 20 Abs. 1, §§ 36, 38 [X.] verstoße, indem sie grundversorgungsfähige Letztverbraucher aus der Ersatzversorgung aktiv abmelde und eine unmittelbar darauf folgende Neuanmeldung in die Grundversorgung ohne vorherige Versorgungsunterbrechung der jeweiligen Letztverbraucher ablehne. Die Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die Betroffene die Aufhebung des Beschlusses der [X.] anstrebt.

4

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

5

I. Das Beschwerdegericht ([X.], [X.], 89) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Der Erlass einer Feststellungsverfügung sei nicht zu beanstanden. Insoweit fänden auch im Rahmen des § 65 Abs. 1 [X.] die im Kartellverwaltungsrecht entwickelten Grundsätze Anwendung, dass sich die Behörde bei einer andauernden Zuwiderhandlung auf die Feststellung des kartellrechtswidrigen Zustands beschränken könne, wenn ihr dies nach den Umständen des Falles als ausreichend erscheine, um einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen. Auch sei die Entscheidung der [X.] hinreichend bestimmt. Die Betroffene könne aus dem Tenor der Entscheidung jedenfalls in Verbindung mit den Gründen mit hinreichender Bestimmtheit ohne weiteres erkennen, was in der sie betreffenden Angelegenheit geregelt worden sei.

7

Die [X.] habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Betroffene gegen die ihr aus § 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV in Verbindung mit § 20 Abs. 1, §§ 36, 38 [X.] obliegenden Pflichten verstoßen habe, indem sie grundversorgungsfähige Letztverbraucher aus der Ersatzversorgung aktiv abgemeldet und eine bilanzielle Zuordnung der unmittelbar anschließenden [X.] der jeweiligen Letztverbraucher bis zu einem Lieferantenwechsel oder bis zur aktiven Versorgungsunterbrechung abgelehnt habe. Zutreffend habe die [X.] angenommen, [X.] von grundversorgungsfähigen Letztverbrauchern, denen weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Schuldverhältnis zugrunde liege, seien so lange bilanziell dem Grundversorger zuzuordnen, bis ein Lieferverhältnis (wieder) bestehe oder die [X.] gesperrt sei, was der Grundversorger gemäß § 24 Abs. 3 [X.] beim Netzbetreiber veranlassen könne.

8

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV müsse jede Einspeise- oder [X.] einem [X.] eindeutig zugeordnet werden, um [X.] zu vermeiden, wenn ein Letztverbraucher über das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in Niederspannung Energie beziehe, ohne dass dieser Bezug einer bestimmten Lieferbeziehung zugerechnet werden könne. Die Frage der bilanziellen Zuordnung von [X.], die an [X.] erfolgten, an denen ein Grund- oder Ersatzversorgungsverhältnis mit dem Grundversorger nicht (mehr) bestehe und auch kein Lieferverhältnis mit einem Drittversorger begründet worden sei, sei losgelöst von den Fragen des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses, dem Fortbestand eines Kontrahierungszwangs sowie der Vergütung der entnommenen Energie zu beantworten. Dies folge aus den Vorgaben der Festlegung der Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität ([X.], nachfolgend: [X.]-Festlegung), wonach eine Zuordnung zum Ersatz- und Grundversorger immer dann erforderlich werde, wenn der Netzbetreiber eine [X.] erkenne, ihm also zum Zeitpunkt der erforderlichen Zuordnung keine anderweitige Lieferbeziehung bekannt sei, und stehe weder in Widerspruch zu der zivilrechtlichen Zuordnung unberechtigter [X.] noch zu den Wertungen der § 36 Abs. 1, § 38 [X.].

9

Die von der Betroffenen propagierte bilanzielle Zuordnung unberechtigter [X.] zum Netzbetreiber sei mit den Entflechtungsvorgaben der §§ 6 ff. [X.] unvereinbar. Da es sich weder um [X.] noch um Verlustmengen handele, komme eine Zuordnung zu einem [X.] des [X.] nicht in Betracht. Zudem sei der Netzbetreiber anders als der Grundversorger nicht berechtigt, solche [X.] aus eigenem Recht zu sperren und damit fortgesetzte [X.] zu unterbinden.

II. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

1. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die [X.] im Streitfall eine Feststellungsverfügung erlassen konnte. Die Möglichkeit der [X.], in Ausübung des ihr in § 65 Abs. 1 [X.] eingeräumten Ermessens in geeigneten Fällen eine isolierte Feststellung zu treffen, ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der das gesamte öffentliche Handeln beherrscht und in § 65 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausdrücklich erwähnt wird. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit stellt im Verhältnis zu einer Abstellungsverfügung das mildere Mittel dar und ist zudem zentrales und immanentes Begründungselement jeder Abstellungsverfügung. § 65 Abs. 3 [X.] ist nicht im Umkehrschluss zu entnehmen, dass eine isolierte Feststellungsverfügung vor Beendigung der Zuwiderhandlung unzulässig ist. Vielmehr sollen durch diese Vorschrift die Handlungsmöglichkeiten der Behörde sachgerecht erweitert, nicht aber die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Beendigung der Zuwiderhandlung beschränkt werden (vgl. für Feststellungsverfügungen der Kartellbehörden [X.], Beschluss vom 7. April 2020 - [X.] 13/19, [X.] 2020, 321 Rn. 10).

2. Zutreffend ist auch die Annahme des [X.], die in Streit stehende Feststellungsverfügung sei hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG). Wie sich aus dem [X.] in Verbindung mit den Gründen hinreichend klar ergibt, zielt die Feststellung der [X.] darauf, dass [X.] aus [X.], die zu Haushaltskunden gehören und daher grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 36 [X.] fallen und für die jedenfalls kein Stromlieferungsverhältnis mit einem anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen als der Betroffenen besteht, unabhängig davon, ob diese [X.] im Rahmen eines [X.] mit der Betroffenen, eines [X.]s mit der Betroffenen oder ohne eine solche rechtliche Grundlage und damit unbefugt erfolgen, so lange dem bei den beiden Beigeladenen geführten [X.]en der Betroffenen zugeordnet werden können und müssen, bis die [X.] entweder gesperrt oder für diese ein neues Stromlieferungsverhältnis mit einem Dritten begründet worden ist.

Dieses Ziel will die [X.] dadurch erreichen, dass sie das bisherige Verhalten der Betroffenen, solche [X.], für deren Versorgung sie sich rechtlich nicht mehr zuständig erachtet, bei den Beigeladenen im Sinne der [X.]-Festlegung "aktiv abzumelden", als rechtswidrig qualifiziert, um so bei der Betroffenen eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Dies hat auch die Betroffene so verstanden, die sich gerade gegen die Zuschreibung von [X.], die bei [X.] erfolgen, für die sie zivilrechtlich weder eine vertragliche Lieferpflicht als Grundversorger noch eine gesetzliche Leistungspflicht als Ersatzversorger trifft, zu ihrem jeweiligen [X.] und damit gegen ihre wirtschaftliche Einstandspflicht für diese Energiemengen zur Wehr setzt.

3. Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht den Beschluss der [X.] auch für materiell rechtmäßig erachtet.

a) Der rechtlichen Beurteilung der Feststellungsverfügung ist, wie es auch das Beschwerdegericht getan hat, die bilanzielle Behandlung der [X.] am [X.] eines Haushaltskunden zugrunde zu legen, für den ein vertragliches oder gesetzliches Lieferverhältnis mit dem Grundversorger oder einem anderen Stromlieferanten nicht (mehr) besteht und vom Grundversorger auch nicht begründet werden muss. Eine solche Situation kann durch den Regelungsmechanismus der §§ 36, 38 [X.] nur im Regelfall, nicht aber ausnahmslos verhindert werden.

aa) Die in §§ 36, 38 [X.] geregelte Grund- und Ersatzversorgung soll in dem insbesondere für Haushaltskunden relevanten Bereich der allgemeinen Versorgung im Bereich der Niederspannung einerseits eine nahtlose Stromversorgung aller Haushalte sicherstellen, anderseits [X.] ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage verhindern. Aus diesem Grund ist der Grundversorger gesetzlich verpflichtet, mit jedem Haushaltskunden einen [X.] zu feststehenden Konditionen abzuschließen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Hat ein solcher Kunde keinen anderweitigen Versorgungsvertrag geschlossen, ist der von ihm veranlassten Stromentnahme regelmäßig der objektive Erklärungswert zu entnehmen, dass er die [X.] des Grundversorgers auf Abschluss eines Grundversorgungsvertrages annimmt (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 2. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 17 Rn. 10 mwN). Lehnt der Kunde einen Vertragsschluss ab, weil er zum Beispiel mit einem anderen Stromlieferanten in Vertragsverhandlungen steht, greift nach § 38 Abs. 1 Satz 1 [X.] ipso iure das [X.]; die Stromentnahme erfolgt dann auf Grundlage eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, dem sich der Grundversorger ebenfalls nicht entziehen kann. Schließt der Kunde während der laufenden Ersatzversorgung keinen Stromlieferungsvertrag - sei es mit dem Grundversorger, sei es mit einem anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen - ab, so kommt nach Ablauf der Dreimonatsfrist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 [X.]) wiederum ein Grundversorgungsvertrag zustande, wenn der Kunde an der [X.] weiter Strom entnimmt und sich nicht ausdrücklich gegen einen Vertragsschluss verwahrt. Anders als die übrigen in demselben Netzgebiet tätigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen unterliegt der Grundversorger also sowohl einem Kontrahierungszwang als auch einer potenziellen gesetzlichen Leistungspflicht gegenüber den Haushaltskunden. Er kann sich seine ([X.] mithin nicht aussuchen.

bb) Die mit diesem System für den Grund- und Ersatzversorger verbundenen ökonomischen Risiken sind allerdings begrenzt. Zum einen ist er berechtigt, staatlich geregelte, "allgemeine" Preise zu verlangen, die höher sind als die frei ausgehandelten Preise in [X.]. Zum anderen trifft ihn nach § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] keine Pflicht zum Vertragsschluss, wenn ihm dies wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Gleiches gilt gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] für [X.]. Der Grundversorger ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, dem Inhaber der [X.] daher nicht (mehr) zur Lieferung von Strom verpflichtet, wenn er den Grundversorgungsvertrag berechtigt gekündigt hat, den Abschluss eines [X.] berechtigt verweigert oder wenn der potenzielle Kunde nach Ablauf der dreimonatigen Ersatzversorgung einen Vertragsschluss mit dem Grundversorger ablehnt.

cc) Besteht für die betreffende [X.] zu diesem Zeitpunkt kein Stromlieferungsvertrag mit einem anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, erfolgen weitere [X.] unberechtigt. Verhindert werden können diese nur durch eine Versorgungsunterbrechung in Form einer Sperre des betreffenden Netzanschlusses, die der Netzbetreiber - gegebenenfalls auf Anweisung des Stromlieferanten - einrichten kann (§ 24 [X.]). Für die technische Einrichtung der [X.]sperre benötigt der Netzbetreiber allerdings regelmäßig Zutritt zum Grundstück. Wird dieser vom [X.]nutzer verweigert, kann es - bis zur Durchsetzung des Zutrittsrechts - auch gegen den Willen von Netzbetreiber und Stromlieferanten zu anhaltenden unberechtigten [X.] kommen.

b) Aus der in den §§ 36, 38 [X.] angelegten [X.] des Grundversorgers folgt, dass die an einer - nicht von einem Drittunternehmen versorgten - [X.] entnommenen Strommengen dem [X.] des Grundversorgers auch dann zuzuordnen sind, wenn mit diesem kein vertragliches oder gesetzliches Lieferverhältnis (mehr) besteht und ein solches vom Nutzer der [X.] auch nicht beansprucht werden kann.

aa) Auch in einem solchen "rechtlosen Zustand" ist, wie das Beschwerdegericht zu Recht festgestellt hat, die betreffende [X.] zwingend einem [X.] zuzuordnen. Das folgt nicht nur aus § 4 Abs. 3 der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV), sondern bereits aus dem Prinzip der Netzstabilität, dem das in § 20 Abs. 1a Satz 5 [X.] angelegte [X.]system dient, welches beim Stromnetz den Ausgleich zwischen Einspeisung und Entnahme gewährleisten soll.

bb) Dabei ist die bilanzielle Zuordnung der an solchen [X.] entnommenen Strommengen zu einem [X.], wie die Verfahrensbeteiligten zu Recht übereinstimmend annehmen, nicht allein buchhalterischer Natur. Vielmehr folgt aus ihr auch die wirtschaftliche Einstandspflicht des [X.]verantwortlichen für diese Quantitäten, da er sie unabhängig davon, ob er sich bei dem Nutzer der [X.] schadlos halten kann oder nicht, auf eigene Kosten beschaffen oder dem Übertragungsnetzbetreiber als Ausgleichsenergie vergüten muss. Dementsprechend führt im Normalfall, nämlich bei [X.] auf Grundlage eines Vertragsverhältnisses oder eines gesetzlichen Schuldverhältnisses wie der Ersatzversorgung, die vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung zur Stromlieferung an eine bestimmte [X.] überhaupt erst dazu, dass die dort entnommene Energie als von einem bestimmten Elektrizitätsversorgungsunternehmen geliefert gilt und seinem [X.] (oder Unterbilanzkreis) zugeschrieben wird. Die Zuordnung der an einer bestimmten [X.] aus dem Stromnetz entnommenen Strommengen zum [X.] eines bestimmten Elektrizitätsversorgungsunternehmens folgt somit den zivilrechtlichen Gegebenheiten.

Davon ist auch der [X.] ausgegangen, als er in einer die Gasversorgung betreffenden Entscheidung den in der [X.]-Festlegung vorgesehenen Prozessablauf für gerechtfertigt erachtet hat, wonach eine vorübergehend inaktive [X.], die nicht einem anderen Lieferanten zugeordnet werden kann, dem Grundversorger zuzuordnen ist, wenn ein [X.] jederzeit möglich ist ([X.], Beschluss vom 29. September 2009 - [X.] 14/09, [X.] 2010, 168 Rn. 28 ff. - Verwaiste [X.]). Er hat dies damit begründet, dass durch die Prozessschritte die Zuordnung der [X.] an den bei einem nachfolgenden [X.] richtigen Lieferanten gewährleistet werden soll, und darauf hingewiesen, dass die bilanzielle Zuordnung an den Grundversorger den zukünftigen zivilrechtlichen Beziehungen entspricht, weil die [X.] mangels einer anderweitigen Lieferbeziehung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit ihrer Aktivierung ohne Weiteres in die Zuständigkeit des Grundversorgers fällt.

cc) Auch [X.] ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage sind demjenigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen bilanziell zuzuordnen, welches die Kosten für die entnommene Energie trägt und dem spiegelbildlich gegen den Nutzer der [X.] ein Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch zusteht. Dies ist im Niederspannungsbereich der Grundversorger.

(1) Der Netzbetreiber kommt, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, als Gläubiger eines Schadensersatz- oder [X.] wegen unberechtigter [X.] an einer [X.] für Haushaltskunden nicht in Betracht. Aus den Entflechtungsvorgaben der §§ 6 ff. [X.] folgt, dass ein Netzbetreiber ausschließlich fremden Strom transportieren, nicht aber die Funktion eines Stromlieferanten übernehmen darf. Die von ihm zu unterhaltenden [X.]e dienen allein der Erfassung der Strommengen, die er entweder selbst verbraucht hat oder die als verbleibende Differenz keinem anderen [X.]verantwortlichen zuzuordnen sind. Dementsprechend legt § 12 Abs. 3 Satz 2 StromNZV fest, dass im [X.] des [X.] keine Letztverbraucher bilanziert werden dürfen. Die im Netz eines [X.] weitergeleiteten und von einem Letztverbraucher entnommenen Strommengen können daher wirtschaftlich nicht ihm zugeordnet werden. Die Zuordnung solcher Strommengen zum [X.] eines anderen Stromlieferanten scheidet ebenfalls aus.

(2) Die Zuordnung der unerlaubt entnommenen Strommengen zum [X.] des Grundversorgers beruht auf dem Umstand, dass an den betreffenden [X.] gerade mit ihm zuletzt ein vertragliches oder gesetzliches Lieferverhältnis bestanden hat. Demgemäß greift der Haushaltskunde in den Rechtskreis des Grundversorgers ein und stehen etwaige Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche für unbefugt entnommene Strommengen zivilrechtlich auch grundsätzlich dem Grundversorger und nicht dem Netzbetreiber zu.

(3) Auch [X.] sprechen dafür, an Haushaltsanschlüssen unberechtigt entnommene Strommengen dem [X.] des Grundversorgers zuzuordnen. Aufgrund des vorangegangenen Lieferverhältnisses weiß der Grundversorger - anders als der Netzbetreiber, der mit den Haushaltskunden üblicherweise nicht vertraglich verbunden ist - regelmäßig, wer sein Schuldner ist. Er kann daher die genannten zivilrechtlichen Ansprüche wegen unrechtmäßiger [X.] leichter durchsetzen als jener und dies zudem mit der Durchsetzung seiner typischerweise ebenfalls nicht oder nicht vollständig erfüllten Ansprüche aus der Grund- oder Ersatzversorgung verbinden.

Darüber hinaus kann regelmäßig allein er einschätzen, ob im konkreten Fall die in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] genannten Voraussetzungen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Eingehung oder Fortsetzung eines Grund- oder [X.]s und die aus dem Leistungsverhältnis resultierenden Voraussetzungen für eine Sperre des Netzanschlusses an der betreffenden [X.] tatsächlich vorliegen. Dies ist insofern relevant, als darüber zwischen dem Grundversorger und dem Stromkunden vielfach Uneinigkeit bestehen wird. Denn aufgrund der elementaren Bedeutung der Stromversorgung für jeden Haushalt stellt eine Kündigung des [X.] oder die Verweigerung der ([X.] in die Grund- oder Ersatzversorgung selbst bei erheblichen Zahlungsrückständen grundsätzlich die ultima ratio dar. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Grundversorger im Falle eines Zahlungsverzuges des grundversorgungsfähigen [X.] daher zu prüfen, ob ihm nicht im konkreten Einzelfall ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Verfügung steht. Insofern muss er eine Kündigung und eine damit gegebenenfalls verbundene Versorgungsunterbrechung nicht nur zunächst ankündigen, sondern kann nach der Stromgrundversorgungsverordnung zur Sicherung seiner Vergütungsansprüche auch Vorauszahlungen oder Sicherheitsleistungen beanspruchen, wenn zu besorgen ist, dass der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt (§§ 14, 15 StromGVV).

(4) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hängt das mit der bilanziellen Einstandspflicht auch für unberechtigte [X.] verbundene wirtschaftliche Risiko des Grundversorgers auch nicht vom Gutdünken des [X.] ab. Zwar trifft es zu, dass dieser faktisch für die Einrichtung der [X.] zuständig ist und für den Fall, dass er diese unterlässt, eine fortgesetzte Stromentnahme auf Kosten des Grundversorgers ermöglicht. Kommt der Netzbetreiber jedoch schuldhaft einer vom Grundversorger berechtigt erteilten Anweisung nach § 24 Abs. 3 [X.] zur Einrichtung einer [X.] nicht nach, können dem Grundversorger gegen den Netzbetreiber Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses zustehen. Nichts anderes gilt, wenn der Grundversorger eine solche Anweisung in seiner Funktion als Ersatzversorger erteilt.

c) Die [X.]-Festlegung ist demnach rechtmäßig, soweit sie dem Grundversorger eine Abmeldung von [X.] versagt, für die weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Lieferverhältnis besteht und für die ein solches vom Nutzer auch nicht beansprucht werden kann. Zugleich liegt auf Seiten des Grundversorgers eine Zuwiderhandlung gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV auch dann vor, wenn er mit der Begründung, er sei dort weder aus einem bestehenden oder zwingend abzuschließenden Grundversorgungsvertrag noch aus einem Ersatzversorgungsverhältnis nach § 38 [X.] zur Stromlieferung verpflichtet, die Abmeldung einer [X.] vornimmt, solange dort keine [X.] eingerichtet ist.

III. [X.] beruht auf § 90 [X.].

Meier-Beck     

      

Schoppmeyer     

      

Tolkmitt

      

Picker     

      

Rombach     

      

Meta

EnVR 104/19

27.10.2020

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 13. November 2019, Az: VI-3 Kart 801/18 (V), Beschluss

§ 36 Abs 1 S 1 EnWG, § 36 Abs 1 S 2 EnWG, § 38 EnWG, § 65 Abs 1 EnWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2020, Az. EnVR 104/19 (REWIS RS 2020, 700)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 700

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