Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.03.2011, Az. VII ZR 134/10

7. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8233

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Gegenstand

Werkvertrag: Kündigung eines Vertrags über die Erstellung und Pflege eines Internetpräsenz mit einer Mindestvertragslaufzeit von 48 Monaten; Bemessung der dem Unternehmer nach der Kündigung zustehenden Vergütung


Leitsatz

1. Der Besteller darf einen Werkvertrag, mit dem sich der Unternehmer für eine Mindestvertragslaufzeit von 48 Monaten zur Bereitstellung, Gestaltung und Betreuung einer Internetpräsenz verpflichtet hat, jederzeit gemäß § 649 Satz 1 BGB kündigen.

2. Der Unternehmer muss zur Begründung seines Anspruchs aus § 649 Satz 2 BGB grundsätzlich vortragen, welcher Anteil der vertraglichen Vergütung auf die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen entfällt und darüber hinaus vertragsbezogen darlegen, welche Kosten er hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen erspart hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das [X.] der 19. Zivilkammer des [X.] vom 5. August 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin befasst sich gewerblich mit der Erstellung von Internetseiten. Am 15. Januar 2009 schloss sie mit der Beklagten einen so genannten "[X.]/E. CMS". Gegenstand der vertraglichen Leistungsverpflichtung der Klägerin waren die Recherche nach der Verfügbarkeit einer Wunschdomain und gegebenenfalls deren Registrierung, ferner Beratung und Zusammenstellung der Webdokumentation durch einen Webdesigner, die Gestaltung und Programmierung einer individuellen Internetpräsenz, das "Hosten" von Website und Mailbox auf den Servern der Klägerin und weitere Beratung und Betreuung. Für diese Leistungen hatte die Beklagte eine Anschlussgebühr von 236,81 € sowie, halbjährlich im Voraus, ein monatliches Entgelt von 154,70 € zu entrichten. Als Vertragslaufzeit waren 48 Monate vereinbart. Nach § 2 der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Vertrag während der Laufzeit aus wichtigem Grund bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kündbar.

2

Die Klägerin hat mit der im [X.] erhobenen Klage die Anschlussgebühr und das monatliche Entgelt für das erste Vertragsjahr nebst Zinsen beansprucht. Darüber hinaus hat sie die Erstattung vorprozessual angefallener Rechtsanwaltskosten von 130,50 € nebst Zinsen verlangt.

3

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Beklagte unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Abweisung der Klage im Übrigen durch [X.] zur Zahlung von 548,81 € nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageanliegen in dem Umfang weiter, in dem das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision ist unbegründet.

I.

5

Das Berufungsgericht führt aus, der Vertrag, bei dem es sich um einen Werkvertrag handele, sei wirksam mit einer Laufzeit von 48 Monaten geschlossen, jedoch mit der Klageerwiderung der [X.] vom 6. Oktober 2009 gemäß § 649 BGB gekündigt worden. Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der "freien" Kündigung eines Werkvertrages sei nicht, insbesondere nicht durch die Regelungen zur Vertragslaufzeit in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, abbedungen worden. Dies hätte ohnehin nicht wirksam geschehen können.

6

Gemäß § 649 Satz 2 BGB könne die Klägerin von der [X.] grundsätzlich Zahlung der vereinbarten Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen verlangen. Allerdings müsse sie vertragsbezogen zu den erbrachten und nicht erbrachten Leistungen vortragen und beziffern, was sie sich anrechnen lassen wolle. Ihrer dahingehenden Darlegungsverpflichtung sei die Klägerin in Ansehung der Behauptung der [X.], es seien überhaupt keine entgeltpflichtigen Leistungen erbracht worden, nicht nachgekommen. Deshalb sei zu Gunsten der [X.] davon auszugehen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall keine vertraglichen Leistungen erbracht habe. Diese könne somit gemäß § 649 Satz 3 BGB lediglich fünf Prozent der für die gesamte Vertragslaufzeit vereinbarten [X.], insgesamt 312 €, verlangen. Darüber hinaus habe die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Anschlussgebühr von 236,81 €. [X.] Mahnkosten seien aufgrund der erheblichen [X.] nicht erstattungsfähig.

II.

7

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

8

1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte den Vertrag wirksam gemäß § 649 Satz 1 BGB gekündigt hat.

9

Der Senat hat sich in seinem beiden Parteien bekannten Urteil vom 27. Januar 2011 ([X.]/10 - bei juris, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) bereits mit einem von der Klägerin vertriebenen "[X.]" befasst. Er hat dort für einen gleich gelagerten Fall im einzelnen ausgeführt, dass ein derartiger Vertrag wirksam gemäß § 649 Satz 1 BGB gekündigt werden kann und ein Ausschluss des Kündigungsrechts des Bestellers sich weder aus der Natur des Vertrages noch aus den von den Parteien durch Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin getroffenen vertraglichen Abreden ergibt. An dieser Rechtsprechung, von der abzuweichen das Vorbringen der Revision keinen Anlass bietet, hält der Senat fest. Insbesondere hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass das freie Kündigungsrecht grundsätzlich nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil der Vertrag eine Laufzeit hat. Er hat dargelegt, dass bei einer Vertragsauslegung dahin, dass die Kündigung nach § 649 BGB ausgeschlossen sein solle, ein berechtigtes, über die Realisierung des Vergütungsanspruchs hinausgehendes Interesse des Unternehmers erkennbar sein müsse, das durch eine freie Kündigung des Vertrages in einer Weise beeinträchtigt würde, die hinzunehmen ihm nicht zugemutet werden könne. Ein solches besonderes Interesse liegt nicht darin, ohne Beeinträchtigung durch eine freie Kündigung auf Referenzen hinsichtlich solcher Kunden verweisen zu können, die damit einverstanden gewesen sind, auf einer Referenzliste der Klägerin geführt zu werden. Es mag sein, dass für einen Unternehmer die Vereinbarung eines Referenzobjektes ein erkennbares und geschütztes Interesse begründen kann, eine freie Kündigung auszuschließen, und dies auch bei der ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen ist. So liegt es hier jedoch nicht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der vereinzelte Ausfall von Referenzkunden, die nach der von ihr geschilderten Vorgehensweise in erheblichem Umfang vorliegen dürften, ihre Geschäftstätigkeit nachhaltig beeinflussen könnte. Dass freie Kündigungen sich auf die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter auswirken könnten, ist im Zusammenhang mit der Auslegung der Verträge unerheblich.

Dementsprechend hat das Berufungsgericht zu Recht auch den vorliegenden Vertrag für "frei" kündbar gehalten und die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltenen Vereinbarungen der Parteien zur Laufzeit und Kündbarkeit des Vertrages ohne Rechtsfehler dahin ausgelegt, dass ihnen ein rechtsgeschäftlicher Ausschluss des Kündigungsrechts nach § 649 Satz 1 BGB nicht entnommen werden kann. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung die Kündigung des Vertrages erklärt, der somit nach Maßgabe der Vorschriften in § 649 BGB abzurechnen ist.

2. Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Klägerin dagegen, dass ihr das Berufungsgericht über den zuerkannten Betrag hinaus keine Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB zugesprochen hat.

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Klägerin keine vertraglichen Leistungen erbracht hat. Dagegen bringt die Revision nichts vor. Gleichwohl meint die Klägerin, die nach den vertraglichen Vereinbarungen für das erste Vertragsjahr zu zahlenden [X.] verlangen zu können, weil sie hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen keine Aufwendungen erspart habe. Damit dringt sie nicht durch.

a) Nach § 649 Satz 2 BGB hat der Unternehmer, dem nach § 649 BGB gekündigt wurde, einen Anspruch auf die vertragliche Vergütung. Diese ergibt sich für nicht erbrachte Leistungen in Ermangelung feststellbaren anderweitigen Erwerbs aus der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Vergütung und den kündigungsbedingt ersparten Aufwendungen. Erspart sind solche Aufwendungen, die der Unternehmer bei Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muss. Dabei ist auf die Nichtausführung des konkreten Vertrages abzustellen. Maßgebend sind die Aufwendungen, die sich auf der Grundlage der vertraglichen Abreden der Parteien unter Berücksichtigung der Kalkulation des Unternehmers ergeben ([X.], Urteil vom 21. Dezember 1995 - [X.], [X.] 131, 362). Dementsprechend muss der Unternehmer zur Begründung seines Anspruchs grundsätzlich zu der für die nicht erbrachten Leistungen vereinbarten Vergütung vortragen und darüber hinaus vertragsbezogen darlegen, welche Kosten er insoweit erspart hat ([X.], Urteil vom 7. November 1996 - [X.], [X.], 304 = [X.] 1997, 78). Erst wenn er eine diesen Anforderungen genügende Abrechnung vorgelegt hat, ist es Sache des Auftraggebers darzulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer höhere Ersparnisse erzielt hat, als er sich anrechnen lassen will ([X.], Urteil vom 21. Dezember 1995 - [X.], [X.] 131, 362; Urteil vom 11. Februar 1999 - [X.], [X.] 140, 365). Welche Anforderungen an die Abrechnung des gekündigten Werkvertrages zu stellen sind, hängt vom Vertrag sowie den seinem Abschluss und seiner Abwicklung zugrunde liegenden Umständen ab. Sie ergeben sich daraus, welche Angaben der Besteller zur Wahrung seines Interesses an sachgerechter Verteidigung benötigt ([X.], Urteil vom 14. Januar 1999 - [X.], [X.] 140, 263). Der Unternehmer muss über die kalkulatorischen Grundlagen der Abrechnung soviel vortragen, dass dem für höhere ersparte Aufwendungen darlegungs- und beweisbelasteten Besteller eine sachgerechte Rechtswahrung ermöglicht wird ([X.]/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 9. Teil Rn. 28).

b) Den sich aus diesen Grundsätzen ergebenden Anforderungen an die schlüssige Darlegung des Anspruchs aus § 649 Satz 2 BGB genügt der Sachvortrag der Klägerin nicht.

Die Klägerin hat mit ihrem in der Revisionsbegründung in Bezug genommenen Vorbringen im Berufungsverfahren geltend gemacht, sie müsse sich keine ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, weil die Beklagte sich im Zeitpunkt der Kündigung in Schuldnerverzug befunden habe. Das ist unzutreffend und wird von der Klägerin mit der Revision auch nicht mehr aufgegriffen.

Im Übrigen hat die Klägerin allenfalls die pauschale Behauptung aufgestellt, keine Aufwendungen erspart zu haben. Der pauschale Vortrag des Unternehmers, Aufwendungen nicht erspart zu haben, wird seiner Darlegungslast jedenfalls dann nicht gerecht, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Beklagte mit dem Hinweis auf die Darlegungslast der Klägerin für die Kalkulation der erbrachten und nicht erbrachten Leistungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, den mit der Klage geltend gemachten Vergütungsanspruch anhand einer nachvollziehbaren, vertragsbezogenen Abrechnung überprüfen zu wollen. Eine solche Überprüfung war nicht möglich, weil die Klägerin keine vertragsbezogenen Angaben zu ihren kündigungsbedingt ersparten Aufwendungen gemacht hat. Damit war der [X.] zugleich die Möglichkeit genommen, ihrerseits konkret vorzutragen, dass und in welcher Höhe die Klägerin tatsächlich Ersparnisse erzielt hat.

3. Das Berufungsgericht hat die mit der Klage geltend gemachten Kosten der vorprozessualen Rechtsverfolgung wegen einer erheblichen [X.] für nicht erstattungsfähig erachtet. Die hiergegen von der Revision allein vorgebrachte Rüge, die Beklagte müsse diese Kosten erstatten, weil der angemahnte Betrag im Verhältnis zu der sich auf der Grundlage des § 649 BGB ergebenden Vergütung keine erhebliche Zuvielforderung darstelle, bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil der Klägerin ein Vergütungsanspruch aus § 649 Satz 2 BGB tatsächlich nicht zusteht. Das gilt auch hinsichtlich der vom Berufungsgericht zuerkannten Anschlusskosten, für die nicht erkennbar ist, dass sie außerhalb des für die Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB maßgeblichen vertraglichen Äquivalenzgefüges angefallen sind.

III.

Die Revision ist nach allem zurückzuweisen. Der Beurteilung des Senats unterlag nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist, § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die von der Klägerin unter Vorlage eines in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatzes begehrte Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht kommt nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Das Berufungsurteil beruht insbesondere nicht auf einem Verfahrensfehler. Die Klägerin ist von den Instanzgerichten ausreichend auf die Erforderlichkeit einer Abrechnung nach § 649 Satz 2 BGB hingewiesen worden, wie auch die Revision nicht in Frage stellt. Allein der Umstand, dass Gerichte in anderen Prozessen der Klägerin die Auffassung vertreten haben, eine Kündigung nach § 649 BGB sei unwirksam und deshalb die Klägerin in diesen Prozessen keinen Anlass gesehen hat, nach dieser Vorschrift abzurechnen, ändert nichts.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

        

Kuffer     

        

Bauner

        

Halfmeier     

        

Leupertz     

        

Meta

VII ZR 134/10

24.03.2011

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Düsseldorf, 5. August 2010, Az: 19 S 76/09, Urteil

§ 649 S 1 BGB, § 649 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.03.2011, Az. VII ZR 134/10 (REWIS RS 2011, 8233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8233

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 134/10 (Bundesgerichtshof)


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