Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.05.2015, Az. 3 StR 460/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 11137

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
460/14
vom
13. Mai 2015
in der Strafsache
gegen

wegen Totschlags

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung
vom 19.
März 2015
in der Sitzung am 13.
Mai 2015, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am [X.]
Becker,

die [X.] am [X.]
Pfister,
[X.],
[X.],
Gericke

als beisitzende [X.],

Staatsanwalt
beim [X.]

-
in der Verhandlung -
,
Staatsanwältin beim [X.]

-
bei der Verkündung -

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Vertreter des [X.]

E.

W.

,

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Vertreter der Nebenklägerin B.

W.

,

Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin D.

W.

,

-
3
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Justizamtsinspektor

-
in der Verhandlung -
,
Justizangestellte

bei der -
Verkündung
-

als Urkundsbeamte
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Die Revisionen der Nebenkläger und des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25.
März 2014 werden verworfen.

Der Angeklagte und die Nebenkläger haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheits-strafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt sowie [X.] getroffen. Die Revisionen der Nebenkläger erstreben
die Verurtei-lung des Angeklagten wegen Mordes; sie beanstanden das Verfahren und rü-gen die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte begründet seine [X.] mit der Sachrüge und beanstandet im Einzelnen die Beweiswürdigung sowie den Strafausspruch des angefochtenen Urteils. Beide Rechtsmittel bleiben
ohne Erfolg.
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I.
Das [X.] hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
Der Angeklagte begab sich am 25.
Juli 2013 gegen 2:30 Uhr nach einem Diskothekenbesuch mit der Studentin A.

W.

, der Tochter bzw. der Schwester der Nebenkläger, auf der Insel [X.] an den Strand, wo sie sich in einem [X.] niederließen, sich küssten und Zärtlichkeiten austausch-ten. Der erheblich alkoholisierte Angeklagte wies eine Blutalkoholkonzentration ihre Verwunderung darüber ausdrückte, dass der Angeklagte keine Erektion bekam, kam es zum Streit zunächst mit wechselseitigen Beleidigungen und sodann mit Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf er ihr mehrere
Faustschläge in den Bereich des Gesichts und des Kopfes versetzte. Auch die Geschädigte schlug dem Angeklagten im Rahmen ihrer Gegenwehr mindestens einmal ins Gesicht. Im [X.] an das nachfolgende Gerangel, bei dem
sich beide im Sand wälzten, hielt der Angeklagte die Geschädigte, die mit dem Gesicht auf dem Sand zu liegen kam, derart fest, dass sie ihren Kopf nicht ausreichend hochnehmen oder drehen konnte, so dass sie gezwungen war, Sand teils hin-unterzuschlucken und teils einzuatmen. Hierdurch gelangten größere Mengen Sand in ihren Magen und in die Atemwege bis in die tiefen Verästelungen der [X.]. Sodann übte der Angeklagte entweder durch Würgen oder durch Ziehen an dem Schal und der Lederhalskette der Geschädigten massive Ge-walt gegen ihren Hals aus. Dabei war ihm -
trotz seiner erheblichen Alkoholisie-rung und der emotionalen Erregung -
bewusst, dass eine solche Gewaltanwen-dung zu erheblichen Verletzungen führen und letztlich tödlich sein kann. Einen solchen Ausgang nahm er bei seinen Handlungen billigend in Kauf. Aufgrund 2
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der Alkoholisierung und der emotionalen Erregung war seine Steuerungsfähig-keit jedoch möglicherweise erheblich eingeschränkt.
Die Gewalteinwirkung gegen den Hals führte gemeinsam mit der [X.] durch Sand zum Ersticken der Geschädigten und war [X.] todesursächlich.

II.
Die zulässigen (§
400 Abs. 1, §
401 Abs. 1 und 2 [X.]) Rechtsmittel der Nebenkläger sind unbegründet.
1. Die erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den in den Antragsschrif-ten des [X.] dargelegten Gründen ohne Erfolg.
2. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten oder zulas-ten des Angeklagten (§
301 [X.] analog; vgl. [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., §
301 Rn. 2) ergeben.
Das [X.] hat das Vorliegen von [X.] im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der näheren Erörterung bedürfen nur die Merkmale der Heim-tücke und der niedrigen Beweggründe. Insoweit gilt:
a) [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass heim-tückisch handelt, wer sein Opfer unter Ausnutzung von dessen Arg-
und Wehr-losigkeit tötet. [X.] ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tö-4
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tungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unver-sehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen -
tätlichen -
Angriff rech-net. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat (vgl. [X.], Urteil vom 15. Februar 2007 -
4
StR 467/06, juris Rn.
8 [X.]). Das Opfer muss gerade aufgrund seiner [X.]igkeit wehrlos sein.
Das [X.] hat die Verneinung der Arg-
und Wehrlosigkeit im [X.] damit begründet, dass der Angeklagte bei den Schlägen gegen Gesicht und Kopf der Geschädigten noch nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt habe. Diese Schlussfolgerung ist angesichts der dadurch zugefügten, geringfü-gigeren Verletzungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Soweit die [X.] weiter ausgeführt hat, die Geschädigte habe durch diesen Angriff ihre [X.]igkeit verloren, weshalb die Voraussetzungen einer heimtückischen Begehungsweise nicht erfüllt seien, erweist sich dies als nicht frei von [X.]. Denn eine auf [X.]igkeit beruhende [X.] kann auch dann gegeben sein, wenn der Täter sein argloses Opfer [X.] nur mit [X.] angreift, diesen -
die [X.]igkeit des Opfers in der Regel [X.] -
Angriff ohne zeitliche Zäsur mit [X.] fortsetzt und es dem Opfer wegen des unmittelbaren Übergangs des überraschenden ersten Angriffs zur Tötungshandlung nicht mehr möglich ist, sich erfolgversprechend zur Wehr zu setzen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 1.
März 2012 -
3 [X.], [X.], 691, 693; vom 28.
Juni 2007
-
3 [X.], juris Rn.
5; sowie schon Urteil vom 9. Dezember 1986 -
1 [X.], [X.]R StGB §
211 Abs. 2 Heimtücke 3; MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., §
211 Rn. 151 jew. [X.]).
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Es gefährdet den Bestand des Urteils indes nicht, dass das [X.] die sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden -
geringeren -
Anforderungen an das Merkmal der auf [X.]igkeit beruhenden Wehrlosigkeit nach den [X.] nicht erkennbar im Blick gehabt hat. Denn der [X.] kann aus-schließen, dass es bei Anwendung dieses zutreffenden Prüfungsmaßstabes zur Annahme eines heimtückischen Mordes gelangt wäre. Nach den rechts-fehlerfrei getroffenen Feststellungen liegt ein Tathergang, wie ihn diese Recht-sprechung voraussetzt, nicht nahe: Die Geschädigte setzte sich mit mindestens einem Schlag zur Wehr, brachte dem Angeklagten damit eine -
wenn auch eher geringfügige -
Verletzung und Hämatome bei und rangelte anschließend noch mit ihm; all dies spricht -
auch mit Blick darauf, dass sie erheblich größer und schwerer als der Angeklagte war -
deutlich gegen eine auf [X.]igkeit beru-hende Wehrlosigkeit im Sinne der genannten Rechtsprechung.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die gegen 2:30 Uhr in un-mittelbarer Nähe des [X.] anwesenden Zeuginnen K.

und Ka.

keine auffälligen Wahrnehmungen bekundet haben, denn das [X.] hat den Tatzeitpunkt nicht sicher feststellen können. Damit bleibt offen, ob sich das vom Angeklagten angegebene Geschehen zu einem Zeitpunkt ereignete, als die Zeuginnen "wenige zehn Meter"
vom Tatort entfernt anwesend waren, oder den von ihnen belegten [X.] bereits verlassen hatten.
b) Auch die vom [X.] vorgenommene Prüfung des Vorliegens niedriger Beweggründe im Sinne von §
211 Abs. 2 StGB ist im Ergebnis revisi-onsrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings ist nicht unbedenklich, dass die [X.] lediglich ausgeführt hat, dass sie für sonst niedrige Beweggründe vorliegend keine Anhaltspunkte zu sehen vermochte.

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aa) Beweggründe sind niedrig im Sinne von §
211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung dieser Voraussetzung erfordert grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Hand-lungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. nur etwa [X.], Beschlüsse vom 15. Mai 2003 -
3
StR 149/03, [X.], 34 und vom 22. Juli 2010 -
4 [X.], [X.], 35 jew. [X.]).
[X.]) Eine solche umfassende Gesamtwürdigung kann den Urteilsgründen zwar nicht entnommen werden. Der [X.] kann aber ausschließen, dass das [X.] bei Vornahme einer solchen die Voraussetzungen dieses Mord-merkmales bejaht hätte. Denn es hat die maßgeblichen Beweggründe des [X.] für die Tötung nicht aufzuklären und mithin nicht festzustellen ver-mocht, dass es sich dabei um niedrige im Sinne von § 211 Abs.
2 StGB handel-te. Angesichts der gegebenen Beweislage schließt der [X.] auch aus, dass weitergehende Feststellungen insoweit getroffen werden könnten.

III.
Die aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge des Angeklagten ver-anlasste umfassende Rechtsprüfung des Urteils hat aus den in der Antrags-schrift des [X.] dargelegten Gründen keinen durchgreifen-den, zum Nachteil des Beschwerdeführers wirkenden Rechtsfehler erbracht (§
349 Abs. 2 [X.]).
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9
-
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
473 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Eine ge-genseitige Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten und der [X.] findet nicht statt, da sämtliche Rechtsmittel erfolglos geblieben sind ([X.], [X.], 7.
Aufl. §
473 Rn. 13).
Becker

Pfister [X.]

[X.] Gericke
18

Meta

3 StR 460/14

13.05.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.05.2015, Az. 3 StR 460/14 (REWIS RS 2015, 11137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11137

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