Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2017, Az. 4 StR 597/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 16399

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:310117B4STR597.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 597/16

vom
31. Januar
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 31.
Januar
2017
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8.
September 2016 mit den Feststellun-gen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:

[X.] in nicht geringer Menge unter [X.] in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlicher Stra-ßenverkehrsgefährdung und einem Verstoß gegen das [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat Erfolg.
1.
Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung ge-mäß §
315c Abs.
1 Nr.
1a), Abs.
3 Nr.
1 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil die zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen widersprüchlich sind und deshalb nicht den Anforderungen des §
267 Abs.
1 Satz
1 StPO genügen.
1
2
-
3
-
a)
Danach sind die für erwiesen erachteten Tatsachen anzugeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Hierzu hat der Tatrichter auf der Grundlage einer vorausgegangenen rechtlichen Subsumtion die Urteilsgründe so abzufassen, dass sie in einer jeden Zweifel ausschließen-den Weise erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und
sie ausfüllen können (vgl. [X.], Urteil vom 29.
November 2007

4
StR
386/07, [X.], 83, 84; Beschluss vom 13.
Januar 2005

3
StR 473/04, [X.]R StPO §
267 Abs.
1 Satz
1 Sachdarstellung
13). Ein Urteil weist daher einen auf die Sachrüge hin zu beachtenden Rechtsfehler auf, wenn die Darstellung des strafbaren Verhaltens in wesentlichen Teilen unvollständig oder widersprüchlich ist und deshalb unklar bleibt, welche Tatsachen das Gericht aufgrund der Hauptverhandlung für erwiesen hält und welchen Sachverhalt es seiner recht-lichen Beurteilung eigentlich zugrunde gelegt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Dezember 2008

2
StR
424/08).
b)
Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe hinsichtlich der [X.] wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung
gemäß §
315c Abs.
1 Nr.
1a), Abs.
3 Nr.
1 StGB nicht gerecht.
Das [X.] hat angenommen, dass der Angeklagte aufgrund des vorangegangenen Konsums von Amphetaminen und Cannabis nicht mehr in der Lage war, ein Kraftfahrzeug
sicher zu führen, als er am 1.
Juni 2016 mit seinem Pkw mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch [X.]
([X.])
fuhr und, nachdem er

inzwischen von der Polizei verfolgt

in falscher Richtung durch eine Einbahnstraße gefahren war, bei einem [X.] frontal ge-gen ein anderes Fahrzeug stieß. Zur inneren Tatseite hat die [X.] zwar zunächst festgestellt, dass der Angeklagte seine Fahruntüchtigkeit 3
4
5
-
4
-
auch erkannt hatte
und die konkrete Gefährdung des am Straßenrand [X.] Pkw vorhersehen und vermeiden konnte
(UA
7 und 8). Dann aber hat sie an erkennen können, dass er aufgrund seines Drogenkonsums nicht fahrtüchtig war und d

8). Auf UA
9 heißt es schließlich, dass dem Angeklagten bewusst war, dass er aufgrund der zuvor genossenen Drogen nahm, dass er dabei fremde Sachen von erheblichem Wert gefährdete. Danach bleibt unklar, ob sich der Angeklagte

wovon das [X.] in der rechtlichen Würdigung ausgegangen ist

einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung ([X.]) oder nur einer [X.] gemäß §
315c Abs.
1 Nr.
1a), Abs.
3 Nr.
2 StGB schuldig gemacht hat. Diese
Unklar-heit lässt sich auch nicht durch eine ergänzende Heranziehung des [X.] auflösen, denn die Beweiswürdigung [X.] habe. Auch die in den Feststellungen zur Sache enthaltenen weite-ren Erwägungen zur Fahruntüchtigkeit des Angeklagten (unangepasste Fahr-weise, Kontrollverlust) geben hierzu keinen weiteren Aufschluss.
2.
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Urteils.
a)
Die

an sich rechtsfehlerfreien

Verurteilungen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß §
21 Abs.
1 Nr.
1 StVG und vorsätzlichen
Verstoßes
gegen das Pflichtversicherungsgesetz
gemäß §
6 Abs.
1 PflVG (dem Angeklagten war bekannt, dass er nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte und das von ihm geführte Fahrzeug nicht haftpflichtversichert war) [X.] wegen Urkundenfälschung gemäß §
267 Abs.
1
3.
Alt. StGB (an dem Pkw des Angeklagten war ein von einem anderen
Fahrzeug abmontiertes
amtliches
6
7
-
5
-
Kennzeichen angebracht)
können nicht bestehen bleiben,
weil sie zu der rechtsfehlerhaften Verurteilung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefähr-dung in Tateinheit stehen. Würden sie in Rechtskraft erwachsen, hätte dies zur Folge, dass einer weiteren Verfolgung der zugrunde liegenden Tat unter dem Gesichtspunkt des §
315c StGB das
Verbot der Doppelbestrafung (Art.
103 Abs.
3 GG) entgegenstünde
(vgl. [X.], Urteil vom 20.
Februar 1997

4
StR
642/96, [X.]R StPO §
353 Aufhebung
1).
b)
Auch die ebenfalls für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß §
30a Abs.
2 Nr.
2 BtMG
(Transport von 12,6
Gramm Methamphetamin [6,69
Gramm [X.]] und 39
MDMA-Ecstasy-e-cken mit zwei griffbereit abgelegten Wurfmessern) war mit aufzuheben.
Zwar hat das [X.] insoweit Tatmehrheit (§
53 StGB) angenommen. Dies führt hier aber nicht zur Teilbarkeit der Aufhebung, denn der Auffassung des Land-gerichts zu dem Konkurrenzverhältnis zwischen dieser und den übrigen Geset-zesverletzungen kann nicht gefolgt werden (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Februar 1997

4
StR
642/96, [X.]R StPO §
353 Aufhebung
1). Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Pkw befördert (Einfuhrfahrt, Transport-fahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu Abnehmern etc.),
durch das Führen des [X.] weitere Gesetzesverstöße, so stehen diese zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit nach §
52 StGB (vgl. [X.], Beschluss vom 2.
Juli 2013

4
StR
187/13,
NStZ-RR
2013, 320, 321 mwN). Nach den Feststellungen des [X.] e-

8).
8
-
6
-
3.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
a)
Anders als bei Alkohol kann der Nachweis einer rauschmittelbedingten [X.] gemäß §
315c Abs.
1 Nr.
1a), §
316 StGB nicht allein durch einen bestimmten [X.] geführt werden. Es bedarf daher neben dem [X.] noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betref-fenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (vgl. [X.], Beschluss vom 2.
Juni 2015

4
StR
111/15,
NZV 2015, 562 [Ls]). Grundsätzlich kann hierbei auch aus der Fahrweise auf eine relative Fahruntüchtigkeit geschlossen wer-den. Befand sich der Täter

wie hier

auf der Flucht vor der Polizei, muss dies in die Beurteilung des [X.] seines Fahrverhaltens einbezogen werden. Dabei ist der Tatrichter nicht gehindert, auch bei einem Täter, der sich seiner Festnahme durch die Polizei entziehen will, in einer deutlich unsicheren, wag-halsigen und fehlerhaften Fahrweise ein Beweisanzeichen für eine rausch-mittelbedingte Fahruntüchtigkeit zu sehen (vgl. [X.], Beschluss
vom 25.
Mai 2000

4
StR
171/00, [X.], 173; Beschluss vom 29.
November 1994

4
StR
651/94, [X.] 1995, 166; [X.] in: [X.] Kommentar zum StGB, 12.
Aufl., §
316 Rn.
111
f. mwN).
b)
§ 315c Abs.
1 StGB setzt voraus, dass einer fremden Sache von be-deutendem Wert auch ein bedeutender Schaden
gedroht hat.
Es sind daher stets zwei Prüfschritte erforderlich, zu denen im Strafurteil entsprechende Fest-stellungen zu treffen sind: Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der [X.] um eine solche von bedeutendem Wert handelt, was etwa bei älteren oder bereits vorbeschädigten Fahrzeugen fraglich sein kann. Handelt es sich 9
10
11
-
7
-
um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu [X.], ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der maßgebliche Gefährdungs-schaden. Der Wert der Sache ist hierbei nach dem Verkehrswert und
die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminde-rung zu berechnen (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
April 2008

4
StR
617/07, [X.], 289; [X.] in: SSW-StGB,
3.
Aufl.,
§
315c Rn.
25 mwN).
c)
Der neue Tatrichter wird sich

unter Hinzuziehung eines Sachver-ständigen (§
246a StPO)

auch mit der Frage zu befassen
haben, ob der An-geklagte nach §
64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist.

-rauschenden Mitteln (Amphetaminen, Cannabinoiden und Alkohol) und beging die ausgeurteilte [X.],

hne Drogen leben. Das [X.] hat sich deshalb veranlasst gesehen,
bereits im Urteil seine Zustimmung gemäß §
35 BtMG
zu erklären.
Dies legt nahe, dass die Tat auf einen Hang des Angeklagten zum über-mäßigen Konsum von berauschenden Mitteln zurückzuführen ist und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Unterbringung nach §
64 StGB vorliegen. Bei der Prüfung wird auch zu beachten sein, dass die Unterbringung nach §
64 StGB einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach §
35 BtMG
vorgeht (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Juli 2013

3
StR
193/13; Beschluss vom 19.
Juni 2012

3
StR
201/12, [X.], 314
[Ls]).
12
13
14
-
8
-
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht

358 Abs.
3 Satz
2 StPO). Der [X.] hat die Nichtanwendung des §
64 StGB durch das Tatgericht auch
nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
April 2016

3
StR
554/15,
insofern nicht abgedruckt in
NStZ-RR 2016, 209).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Quentin
Feilcke
15

Meta

4 StR 597/16

31.01.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2017, Az. 4 StR 597/16 (REWIS RS 2017, 16399)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16399

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2 WD 1/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Degradierung wegen fahrlässiger Tötung durch außerdienstliche fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung


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4 StR 597/16

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