Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.04.2016, Az. VI ZR 506/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12800

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:190416UVIZR506.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

19. April 2016

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 256 Abs. 1
Der Kläger ist nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs-
und in eine Fest-stellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stel-len lediglich einen Schadensteil in diesem Sinne dar.
[X.], Urteil vom 19. April 2016 -
VI [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der VI. Zivilsenat des [X.] hat am 19. April 2016 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und [X.] und die Richterinnen Dr.
[X.] und Dr.
Roloff

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel des
[X.]
werden
das Teil-Grund-
und Teil-Endurteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 29. Oktober 2014 hinsichtlich des Feststellungsausspruchs im dritten Absatz des Tenors aufgehoben
und das Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2010 weiter [X.].
Der Feststellungsausspruch wird wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen
materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die rechtswidrige Kaiserschnittentbindung am 21. Oktober 2002 ent-standen ist oder entstehen wird, soweit nicht Ansprüche auf Sozi-alversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind [X.] noch übergehen werden.
Eine Entscheidung über die Kosten des Revisionsrechtszuges bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Von Rechts wegen

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3
-
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte
wegen einer bei seiner nicht ausreichend aufgeklärten Mutter in der 34. Schwangerschaftswoche rechtswidrig
vorge-nommenen sectio, die bei ihm zu einer Schwerstbehinderung geführt hat, auf Schmerzensgeld und Feststellung in Anspruch.

Das [X.] hat die Klage
abgewiesen. Das [X.] hat durch Teil-Grund-
und Teil-Endurteil entschieden, dass der auf Zahlung von Schmerzensgeld gerichtete Klageantrag dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Insoweit hat es die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldes an das [X.] zurückverwiesen. Es hat ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche im [X.]-punkt der Klageerhebung noch nicht bezifferbaren oder in der Fortentwicklung befindlichen sowie zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm durch die rechtswidrige Kaiserschnittentbindung entstanden sind oder entstehen wer-den, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Im Übrigen hat es wegen des weitergehenden Feststellungsantrags die Klage abgewiesen und die Beru-fung des [X.] zurückgewiesen.
Mit der vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Fest-stellungsbegehren, soweit das Berufungsgericht ihm nicht bereits entsprochen hat, weiter.

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-
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung -
soweit hier erheblich
-
im Wesentlichen ausgeführt, es sei klarzustellen, dass nur sol-che materiellen
Schäden
umfasst seien, die zur [X.] der Klageerhebung nicht bezifferbar gewesen seien oder sich noch in der Fortentwicklung befunden [X.]. Dass im Fall des [X.] zukünftige oder in der Fortentwicklung befindliche Schäden möglich seien, liege angesichts der erlittenen Hirnschädigung auf der Hand. Mit Blick
auf Schäden, die bereits bei Klageerhebung bezifferbar gewe-sen seien und sich nicht in der Fortentwicklung befunden hätten, fehle es dage-gen an dem notwendigen Feststellungsinteresse. Insoweit sei der [X.] des [X.] wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig.

II.
Das Berufungsurteil hält der
revisionsrechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand.
Das Berufungsgericht hat ein rechtliches Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO) des [X.] an der weitergehenden Feststellung hinsichtlich des bei Klageerhebung bereits bezifferbaren Schadensteils zu Un-recht verneint.
1. Es ist anerkannt, dass der Kläger grundsätzlich nicht gehalten ist, sei-ne Klage in eine Leistungs-
und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leis-tung erreichen kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Fest-4
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stellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungs-klage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der [X.] zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung
anerkannt, dass dann, wenn
eine Schadensentwicklung noch nicht [X.] ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann (st. Rspr., [X.], Urteile vom 4. Dezember 1986 -
III ZR 205/85, NVwZ 1987, 733
mwN; vom 21. Februar 1991 -
III ZR 204/89, [X.], 788
f.
mwN; Senat, Urteil vom 8. Juli 2003 -
VI [X.], NJW 2003, 2827 unter [X.] mwN).
2. So liegt es, wie die Revision zu Recht rügt und das Berufungsgericht verkannt hat, hier. Es hat einen Schadensersatzanspruch des [X.] aus §§
280, 278, § 823 Abs. 1, § 831 Abs. 1, § 249 BGB wegen der am 21. Oktober 2002 rechtswidrig durchgeführten Kaiserschnittentbindung bejaht, nach [X.] eingetretene Schäden und [X.] für möglich gehalten und insoweit der Feststellungsklage stattgegeben. Dann
aber durfte es hinsichtlich des
etwaig vor Klageerhebung entstandenen (Teil-)Schadens
die [X.] nicht mangels Feststellungsinteresses
des [X.] abweisen.
Entgegen der
Ansicht der Revisionserwiderung steht dem nicht entge-gen, dass einzelne Schadenspositionen bei Klageerhebung bereits bezifferbar und die diesen zugrunde liegenden Sachverhalte bereits abgeschlossen gewe-sen sein mögen. Ein Feststellungsantrag erfasst den gesamten dem Kläger entstandenen Schaden, auch solche Positionen, die -
aus welchem Grund auch immer -
nicht mit der Leistungsklage geltend gemacht und auch nicht zur [X.] konkretisiert wurden (vgl. Senat, [X.] vom 26. Oktober 2010 -
VI [X.], [X.], 615 Rn. 8; vom 16. April 7
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2013 -
VI [X.]/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn. 9). Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen daher lediglich einen Scha-densteil im obigen Sinne dar.

3. Da weitere Feststellungen nach alledem nicht erforderlich sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.

Galke
[X.]
[X.]

[X.]
Roloff

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.12.2010 -
8 O 16/09 -

O[X.], Entscheidung vom 29.10.2014 -
5 U 16/11 -

9

Meta

VI ZR 506/14

19.04.2016

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.04.2016, Az. VI ZR 506/14 (REWIS RS 2016, 12800)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12800

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VI ZR 506/14

VI ZB 74/08

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