Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.08.2016, Az. VIII R 37/14

8. Senat | REWIS RS 2016, 7250

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Gegenstand

Außerordentliche Einkünfte aus einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit; keine Tarifbegünstigung bei Teilzahlungen


Leitsatz

1. Eine Nachzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung, die insgesamt mehrere Jahre betrifft, ist eine mehrjährige Vergütung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

2. Erfolgt die Auszahlung der Gesamtvergütung in zwei Veranlagungszeiträumen in etwa gleich großen Teilbeträgen, kommt eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht in Betracht.

3. Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen und grundsätzlich nicht daran an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20. November 2013  3 K 2762/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR, die eine psychotherapeutische Praxis betreibt. Die beiden Gesellschafter der GbR besitzen jeweils eine eigene Kassenzulassung zur Abrechnung der Einnahmen, die in der gemeinsamen Praxis erzielt werden. Die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit ermittelt die Klägerin durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre (2005 und 2006) geltenden Fassung (EStG).

2

Die [X.] zahlte der Klägerin in den Streitjahren zusätzliche Honorare für die Tätigkeit der Gesellschafter in dem Zeitraum 2000 bis 2004 in vier fast gleich hohen Raten nach. [X.] floss der Klägerin hieraus insgesamt ein Betrag in Höhe von 60.600 € und im [X.] insgesamt ein Betrag in Höhe von 61.931 € zu.

3

In ihren Feststellungserklärungen gab die Klägerin neben laufenden Gewinnen in Höhe von 119.115 [X.] und 111.282 € im [X.] die Nachzahlungen der [X.] als tarifbegünstigte Einkünfte aus Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG an.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) stellte die Einkünfte der Klägerin für das [X.] zunächst mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 18. Juni 2007 antragsgemäß fest. Mit dem geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2005 vom 30. Juli 2007 und bei dem erstmaligen Erlass des Gewinnfeststellungsbescheids für 2006 vom 12. März 2008 versagte es den von der Klägerin begehrten Ansatz der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG. Der hiergegen erhobene Einspruch wurde zurückgewiesen. Das Finanzgericht ([X.]) hat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2014, 1883 veröffentlichen Urteil vom 20. November 2013  3 K 2762/10 die Klage als unbegründet abgewiesen.

5

Mit der vom [X.] ([X.]) zugelassenen Revision macht die Klägerin die Verletzung des § 34 EStG geltend. Die Rechtsprechung des [X.] schließe eine Anwendung der begünstigten Besteuerung nach § 34 EStG nicht generell aus, wenn die außerordentlichen Einkünfte zu gleichen Teilen in zwei [X.] gezahlt würden. Die Gesellschafter der Klägerin hätten auf die ratenweise Auszahlung keinen Einfluss gehabt. Zudem beliefen sich die außerordentlichen Einkünfte der Klägerin in den Streitjahren auf mehr als 50 % der laufenden Einkünfte. Dies führe zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung.

6

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz sowie den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2005 vom 30. Juli 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2006 vom 12. März 2008 dahingehend zu ändern, dass von den laufenden Einkünften 61.931 € als tarifbegünstigte Einkünfte festgestellt werden.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

9

Die Nachzahlungen der [X.] stellen keine außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 EStG dar. Es fehlt an der erforderlichen Zusammenballung von Einkünften, da die Vergütung für die mehrjährige Tätigkeit nicht in einem Jahr zugeflossen ist.

1. Nach § 34 Abs. 1 EStG sind außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern. Als außerordentliche Einkünfte kommen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht. [X.] ist eine Tätigkeit, wenn sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Dies ist bei der Nachzahlung der [X.] für die Jahre 2000 bis 2004 der Fall. Der Umstand, dass sich die zugeflossene Vergütung aus mehreren Beträgen zusammensetzt, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr zugerechnet werden können, steht der Annahme einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nicht entgegen ([X.]-Urteil vom 14. Dezember 2006 IV R 57/05, [X.], 247, [X.], 180).

2. Jedoch werden außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG nach ständiger Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

a) Zwar ist der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 34 EStG. Der unbestimmte Rechtsbegriff der außerordentlichen Einkünfte ist jedoch im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Danach sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG (vgl. [X.]-Urteil vom 14. April 2015 IX R 29/14, [X.]/NV 2015, 1354).

b) Danach liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei [X.] gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, [X.]E 214, 319, [X.], 835, m.w.N.). Andernfalls könnte die Grenze zwischen außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 EStG und den nach dem Regeltarif zu versteuernden Einkünften nicht hinreichend trennscharf gezogen werden ([X.]-Urteil vom 2. September 1992 XI R 63/89, [X.]E 171, 416, [X.] 1993, 831).

c) Jedoch ist nach der Rechtsprechung des [X.] § 34 Abs. 1 EStG trotz des Zuflusses in zwei [X.] ausnahmsweise auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in einem Betrag ausgezahlt wird (z.B. [X.]-Urteile vom 13. Oktober 2015 IX R 46/14, [X.]E 251, 331, [X.] 2016, 214; vom 26. Januar 2011 IX R 20/10, [X.]E 232, 471, [X.] 2012, 659). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Nachzahlung in den Streitjahren in nahezu gleich großen Beträgen erfolgte. Es handelt sich nicht um eine geringfügige Nebenleistung i.S. der zitierten [X.]-Rechtsprechung.

d) Auch der Umstand, dass der Klägerin die [X.] in zwei statt in einem Veranlagungszeitraum von der [X.] aufgezwungen wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen und nicht daran an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden (vgl. [X.]-Urteil in [X.]/NV 2015, 1354).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Meta

VIII R 37/14

02.08.2016

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 20. November 2013, Az: 3 K 2762/10, Urteil

§ 34 Abs 2 Nr 4 EStG 2002, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.08.2016, Az. VIII R 37/14 (REWIS RS 2016, 7250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7250

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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