Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.08.2014, Az. V R 7/14

5. Senat | REWIS RS 2014, 3233

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Gegenstand

Abgrenzung Bauwerk und Betriebsvorrichtung


Leitsatz

Betriebsvorrichtungen sind keine Bauwerke i.S. von § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F..

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Anlagebau tätige Kommanditgesellschaft, entwickelte eine aus 18 Einzelbauteilen bestehende [X.] für industrielle Großfeuerungsanlagen, speziell für sog. [X.]. Die Anlage diente der Abfilterung der von den [X.] ausgehenden Abwärme und der von ihnen abgegebenen Staubpartikel, um einen störungsfreien Betrieb der in den Werk- und Maschinenhallen von Produktionsunternehmen aufgebauten [X.] zu gewährleisten. Die Klägerin baute die von ihr entwickelte [X.] in die Produktionshallen eines Kunden ein. Für den Einbau und die Montage nahm die Klägerin die Leistungen von zwei Fremdunternehmen in Anspruch, die ihre Leistungen gegenüber der Klägerin mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer abrechneten. Die Klägerin nahm hieraus den Vorsteuerabzug in Anspruch.

2

Im [X.] an eine [X.] ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) davon aus, dass die Klägerin für die von ihr von den beiden Firmen für Einbau und Montage bezogenen Leistungen Steuerschuldner nach § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in seiner im Streitjahr (2009) geltenden Fassung (UStG a.F.) gewesen sei und änderte mit den Bescheiden vom 2. Dezember 2009 die [X.] Januar bis April 2009. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2014, 596 veröffentlichten Urteil statt. Bei der [X.] handele es sich um eine Betriebsvorrichtung, so dass § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 UStG a.F. unter Berücksichtigung der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) nicht anzuwenden sei.

4

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erging am 14. November 2012 der [X.], der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Mit seiner Revision macht das [X.] geltend, dass das [X.] rechtsfehlerhaft entgegen Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 2 des [X.] (UStAE) entschieden habe. Es komme auf den Begriff des Bauwerks nach §§ 1 und 2 der Verordnung über die Betriebe des Baugewerbes, in denen die ganzjährige Beschäftigung zu fordern ist (Baubetriebe-Verordnung) an. Zu den Bauleistungen gehöre auch der Einbau von Einrichtungsgegenständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden seien und nicht ohne größeren Aufwand getrennt werden könnten, wie es auf [X.], [X.] und [X.] zutreffe. Auf den Begriff der Betriebsvorrichtung komme es insbesondere aus Gründen der Praktikabilität nicht an. Eine derartige Abgrenzung entspreche nicht dem Unionsrecht.

6

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

8

Bei der Auslegung des Begriffs der Bauleistung sei die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zu beachten. Zwischen der Leistung und dem Bauwerk müsse ein kausaler Zusammenhang bestehen. Es fehle an der erforderlichen Auswirkung auf die Bausubstanz. Die Anlage sei kein fester Gebäudebestandteil geworden und wirke sich auch nicht auf die Gebäudesubstanz aus. Die gesamte Anlage könne an einem Tag wieder entfernt werden. Die Anlage ergänze bestehende Produktionsanlagen. Die Anlage sei kein Bauwerksbestandteil.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin nicht als Leistungsempfänger Steuerschuldner für die von ihr bezogene Leistung war.

1. Nach § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.[X.] entsteht bei "Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen" die Steuer "mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats". Hierfür schuldet der Leistungsempfänger gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG a.[X.] "die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 erbringt".

2. Bauwerke i.S. von § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.[X.] sind unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sachen. [X.] (zum Begriff s. § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes --[X.]--; § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) gehören nicht hierzu.

Das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Entrauchungsanlage eine Betriebsvorrichtung ist. Dies ergibt sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) daraus, dass die Werkshallen, in die die streitgegenständliche Entrauchungsanlage eingebaut wurde, bereits über ein eigenes Klimaanlagensystem verfügten und die Entrauchungsanlage demgegenüber der Herstellung von Reinraumbedingungen für einen betrieblichen Produktionsvorgang (hier: Herstellung von Solarzellenplatten) diente. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] --BFH-- zu § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. August 2001 III R 43/98, [X.], 429, [X.], 100 zur Be- und Entlüftungsanlage in einem Friseursalon).

a) § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.[X.] definiert den Begriff des Bauwerks nicht. Eine unionsrechtskonforme Auslegung dieses Begriffs ist nur eingeschränkt möglich. Die ursprüngliche Ermächtigungsgrundlage für § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 UStG a.[X.], Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung [X.] zur Anwendung einer von Art. 21 der [X.]/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, [X.], 20, [X.] 2014, 128, unter [X.]) verwendete den Begriff des Bauwerks nicht. Der im Streitjahr geltende Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL stellt auf Leistungen "im Zusammenhang mit Grundstücken" ab.

b) Nach allgemeinem Begriffsverständnis ist ein Bauwerk eine unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache (vgl. z.B. Urteil des [X.] --BGH-- vom 9. Oktober 2013 VIII ZR 318/12, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 845, unter [X.] zur Frage der Verjährung von Mängelansprüchen nach § 438 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- bei Bauwerken). Auch die Finanzverwaltung geht davon aus, dass zu den Bauwerken neben Gebäuden auch andere mit dem Erdboden verbundene Anlagen wie z.B. Brücken oder Straßen gehören (vgl. Abschnitt 182a Abs. 3 der [X.] 2008 --UStR 2008-- und später Abschnitt 13b.2 Abs. 1 UStAE).

c) In das Bauwerk eingebaute Anlagen sind nur dann Bestandteil des Bauwerks, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind. Die Anlage muss hierfür eine Funktion für das Bauwerk selbst haben. Dient die Anlage demgegenüber eigenen Zwecken, indem sie z.B. durch Stromerzeugung eine Einnahmequelle verschaffen soll, ist sie kein Bauwerksbestandteil (vgl. [X.] in NJW 2014, 845, unter [X.] zu § 438 BGB). Nicht zu den Bauwerksbestandteilen gehören danach [X.]. Sie dienen gegenüber dem Bauwerk eigenständigem Zweck. Sie haben keine Funktion für das Bauwerk, sondern sind dort lediglich untergebracht (vgl. auch [X.] vom 15. Mai 1997 VII ZR 287/95, Neue Juristische [X.] Zivilrecht 1998, 89, unter [X.]). Ihr Einbau führt zu keiner Änderung des Bauwerks.

Dass [X.] für die Frage der Steuerschuldnerschaft keine Bauwerks- und damit auch keine Grundstücksbestandteile sind, wird durch das Unionsrecht bestätigt. So beschränkt sich die Befugnis, eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers anzuordnen, nach Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL auf Leistungen "im Zusammenhang mit Grundstücken". Bei der Entscheidung, welche Anforderungen an diesen Zusammenhang zu stellen sind, ist zu berücksichtigen, dass zwar die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL steuerfrei ist, sich diese Steuerfreiheit aber nach Art. 135 Abs. 2 Buchst. [X.] nicht auch auf dauerhaft eingebaute "Vorrichtungen und Maschinen" und damit nicht auf eigenen Zwecken dienende [X.] erstreckt.

d) Demgegenüber kommt entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschnitt 182a Abs. 4 Satz 2 UStR 2008 und Abschnitt 13b.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE) eine Auslegung entsprechend der Baubetriebe-Verordnung, die nach ihrem § 1 Abs. 1 zur Durchführung von § 101 Abs. 2 des [X.] dient, nicht aber zur Anwendung von § 13b UStG a.[X.] ergangen ist, nicht in Betracht.

Soweit die Finanzverwaltung schließlich in Abschnitt 182a Abs. 7 Nr. 2 UStR 2008 und Abschnitt 13b.2 Abs. 5 Nr. 2 UStAE davon ausgehen sollte, dass, wie es das [X.] annimmt, [X.], [X.] und [X.] auch dann als Teile eines Bauwerks anzusehen sein sollen, wenn es sich bei ihnen um [X.] i.S. von § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] handelt, schließt sich der erkennende Senat dem nicht an.

3. Danach ist die Revision des [X.] unbegründet. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Einbau von [X.] in ein Gebäude und damit in ein Bauwerk im Hinblick auf die eigenständige Betriebsfunktion der Betriebsvorrichtung weder eine Werklieferung noch eine Leistung ist, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient.

Meta

V R 7/14

28.08.2014

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 13. November 2013, Az: 7 K 7001/13, Urteil

§ 13b Abs 1 Nr 4 S 1 UStG 2005, Art 199 Abs 1 Buchst a EGRL 112/2006, § 68 Abs 2 S 1 Nr 2 BewG 1991, UStG VZ 2009, Abschn 182a Abs 7 Nr 2 UStR 2008, Abschn 13b.2 Abs 5 Nr 2 UStAE

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.08.2014, Az. V R 7/14 (REWIS RS 2014, 3233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3233

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