Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.03.2006, Az. II ZB 11/05

II. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4730

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[X.] vom 6. März 2006 in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1 Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen den am Gegenstand des [X.] wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht wer-den können. [X.], [X.]uss vom 6. März 2006 - [X.] - [X.]

LG Siegen - 2 - [X.] [X.] hat am 6. März 2006 durch [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden die [X.] des 27. Zivilsenats des [X.] vom 21. Juni 2005 und der [X.] für Handelssachen des Landge-richts Siegen vom 20. Januar 2005 aufgehoben. Dem Antragsteller wird für das Verfahren erster Instanz [X.] ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. [X.]: 155.000,00 • Gründe: [X.] Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin war im [X.] tember 1999 von der Antragsgegnerin zu 2 als deren Alleingesellschafterin mit einem Stammkapital von 155.000,00 • gegründet worden. Auf dem Konto der Schuldnerin ging das Stammkapital am 22. September 1999 in voller Höhe ein. 1 - 3 - Geschäftsführer der Schuldnerin waren die Antragsgegnerin zu 2 und ihr Vater, der Antragsgegner zu 1. Im November 1999 erwarb die Schuldnerin zumindest weite Teile des einzelkäufmännischen Unternehmens des Antragsgegners zu 1. Der Antragsteller geht davon aus, dass der Erwerb auf der Grundlage einer be-reits vor Gründung der Schuldnerin getroffenen Abrede und damit im Wege einer verdeckten Sachübernahme erfolgte. Im Oktober 2001 veräußerte und übertrug die Antragsgegnerin zu 2 ihren Geschäftsanteil an der Schuldnerin auf die Antragsgegnerin zu 3. Der Antragsteller hat für die Klage, mit der er die Antragsgegner auf [X.] des - aus dem Gesichtspunkt der verdeckten Sachübernahme - offenen Einlagebetrages von 155.000,00 • in Anspruch nehmen will, um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Landgericht und [X.] ha-ben den Antrag wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO abgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Rechtsbe-schwerde, für deren Durchführung der [X.] Prozesskostenhilfe bewilligt hat, verfolgt er sein Begehren weiter. 2 I[X.] Die statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]usses und - ohne Einschränkung - zur Bewilligung der vom Antragsteller für das Verfahren erster Instanz begehrten Prozesskostenhilfe. 3 1. Das Beschwerdegericht hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe ver-sagt, weil nach seiner Ansicht den wirtschaftlich Beteiligten die Aufbringung der Kosten zumutbar ist. In Abgrenzung zur bisherigen Rechtsprechung meint das Beschwerdegericht, jedem Großgläubiger sei ein Prozesskostenvorschuss in der Höhe zuzumuten, wie er ihn aufbringen müsste, wenn er den durch die [X.] - 4 - zessführung des Insolvenzverwalters zu erwartenden, zusätzlich auf ihn entfal-lenden Betrag im Wege der [X.] geltend machte. 5 2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. 6 a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass die Klage Aussicht auf Erfolg hat. Im Hinblick auf den Erwerb von Teilen des ein-zelkaufmännischen Unternehmens des Antragsgegners zu 1 durch die Schuld-nerin kommt eine verdeckte Sachübernahme, die einen Anwendungsfall der Regeln über die verdeckte Sacheinlage darstellt, in Betracht. Die hierfür erfor-derliche Abrede zwischen der Schuldnerin und der Antragsgegnerin zu 2 wird bei Vorliegen eines - hier gegebenen - sachlichen und zeitlichen Zusammen-hangs vermutet ([X.] 132, 133, 139). Eine Identität des Inferenten mit dem Auszahlungsempfänger bzw. dem Gläubiger des Gegengeschäfts ist, wie der [X.] entschieden hat ([X.] 153, 107, 111; 132, 133, 136; 113, 335, 345 f.), für den sachlichen Zusammenhang nicht erforderlich. Daher steht der Annahme einer Erfolgsaussicht der Klage nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin zu 2 Einlageschuldnerin ist, der Kaufpreis für den Erwerb von Teilen des einzel-kaufmännischen Unternehmens des Antragsgegners zu 1 jedoch an diesen ge-flossen ist. b) Ebenfalls zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass die Pro-zesskosten nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können (§ 116 Satz 1 Nr. 1 1. Halbsatz ZPO), weil die vorhandenen Mittel der Gemeinschuldnerin bereits nicht ausreichen, um die Kosten des [X.] zu decken. 7 - 5 - c) Danach kommt es entscheidend darauf an, ob es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die [X.] aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 2. Halbsatz ZPO). Diese Voraussetzung liegt entgegen der Ansicht des [X.] vor. 8 9 aa) Wie das Beschwerdegericht im Ansatz nicht verkennt, sind [X.] auf die Prozesskosten nur solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das [X.] angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird ([X.], [X.]. v. 27. September 1990 - [X.], [X.], 1490; [X.] ZIP 2003, 1947, 1948). Ob Zumutbarkeit in diesem Sinne vorliegt oder nicht, soll nach Ansicht des [X.] im Rahmen einer komplexen Berechnung festgestellt werden. Hiernach müssen zunächst diejenigen Großgläubiger ermittelt werden, auf die mindestens 5 % der festgestellten Forderungen entfallen. Für diese Gläubiger soll sodann unter Berücksichtigung des Prozess- und des [X.] der Betrag berechnet werden, der jeweils auf sie entfiele, wenn der [X.] die Klage gerichtlich geltend machen würde. Sodann sollen für die jeweiligen Gläubiger die Prozesskosten ermittelt werden, die sie aufbringen müssten, wenn sie den auf sie entfallenden Betrag im Wege der [X.] geltend machen würden. Sofern die Summe dieser hypothetischen [X.] jedes einzelnen in die Betrachtung einzubeziehenden Gläubigers höher ist als der tatsächlich erforderliche Prozesskostenvorschuss, soll den wirtschaftlich Beteiligten die Finanzierung des Rechtsstreits zumutbar sein. 10 - 6 - Dass diese Berechnungsweise in der Praxis gut handhabbar ist, er-scheint dem [X.] in hohem Maße zweifelhaft. Das Beschwerdegericht selbst hat den Nachweis hierfür jedenfalls nicht geführt, vielmehr ist seine Entschei-dung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft und inkonsequent. Der [X.] vermag nicht zu erkennen, dass das von dem Beschwerdegericht entwickelte System - entgegen der dem angefochtenen [X.]uss zugrunde liegenden Auffassung - zu eher voraussehbaren und deshalb rechtssicheren Ergebnissen führt. Denn es suggeriert durch seine Mathematisierung lediglich Objektivität, beruht jedoch letztlich entscheidend auf wertenden Elementen, weil z.B. das Ergebnis der Einschätzung des Prozess- und Vollstreckungsrisikos in die Bewertung eingeht. 11 Die Frage, ob die vom Beschwerdegericht vorgeschlagene [X.] grundsätzlich abzulehnen ist, kann jedoch offen bleiben. Denn sowohl bei einer konsistenten Anwendung des vom Beschwerdegericht zugrunde gelegten Berechnungsverfahrens (bb) als auch bei einer wertenden Abwägung aller [X.] ([X.]) gelangt man zu dem Ergebnis, dass den wirtschaftlich Betei-ligten die Vorfinanzierung des Prozesses nicht zumutbar ist. 12 bb) Das Beschwerdegericht nimmt an, dass die einzuklagende Forde-rung keinem Vollstreckungsrisiko unterliege und sich eine Forderung von 77.500,00 • realisieren lasse, während der Antragsteller umgekehrt ein [X.] nicht für gegeben hält, aber meint, dass allenfalls mit einem Erlös von 50.000,00 • gerechnet werden könne. Als Kosten des Insolvenzverfahrens berücksichtigt das Beschwerdegericht bei seinen Berechnungen einen Betrag von [X.] •. Dabei übersieht es, worauf die Rechtsbeschwerde mit Recht hinweist, dass dieser Betrag zwar bei einem Erlös von 50.000,00 •, wie ihn der Antragsteller annimmt, gerechtfertigt wäre, dass die Kosten des [X.] - 7 - fahrens, die sich im Wesentlichen nach dem Wert der Insolvenzmasse zur [X.] der Beendigung des Verfahrens bestimmen, § 58 GKG, bei einem Erlös von 77.500,00 • jedoch 24.866,11 • ausmachen. 14 Mit Recht rügt die Beschwerde des Weiteren eine inkonsequente Be-handlung der für den Ausfall anerkannten Forderungen durch das Beschwerde-gericht. Dieses zählt die [X.] mit einer für den Ausfall festgestellten Gesamtforderung von [X.] • zwar zu dem Kreis der Gläubiger, denen ein Prozesskostenvorschuss zumutbar ist. Es berücksichtigt die für den Ausfall an-erkannten Forderungen - bei Abzug von Drittrechten in Höhe von 2.100,50 • sind dies insgesamt 111.103,22 • - jedoch nicht bei der Berechnung der für den Fall der Rechtsverfolgung zu erwartenden Quotenerhöhung. Auf Grund dieses Fehlers geht das Beschwerdegericht zu Unrecht von einer aus der beabsichtig-ten Klage resultierenden Quotenerhöhung von 19,7 % aus statt von ca. 12,88 %. Legt man die letztgenannte geringere Quote zugrunde, so ergeben sich hieraus nach dem [X.] des [X.] für die Einzelgläubiger in der Summe zumutbare Prozesskosten in Höhe von 7.887,30 •. Dieser Betrag liegt unter den für die Prozessführung erforderlichen Kosten in Höhe von 8.087,80 •, so dass aus Sicht des [X.] Prozesskostenhilfe hätte gewährt werden müssen. [X.]) Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man - wie in der bewährten Praxis üblich - die Entscheidung offen auf eine wertende Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls stützt. Dazu gehört zunächst die [X.], dass die im Falle der Rechtsverfolgung zu erwartende Insolvenzquote ebenso wie die Quotenerhöhung unter 13 % liegt. Zu berück-sichtigen sind außerdem das vom Beschwerdegericht mit 50 % veranschlagte 15 - 8 - Prozessrisiko sowie das von ihm einseitig ohne jede Rückfrage beim [X.] zu Unrecht vernachlässigte Vollstreckungsrisiko, das den [X.] zu einem Forderungsabschlag von 68 % veranlasst hat. In Betracht zu zie-hen ist ferner die Gläubigerstruktur. Es handelt sich um 34 Einzelgläubiger, von denen das Beschwerdegericht insgesamt sieben Großgläubiger benannt hat. Selbst wenn man - darin dem Beschwerdegericht folgend - die [X.] sowie die [X.] als [X.] außer Betracht lässt (zur alten Rechtslage [X.], [X.]. v. 7. Juli 1997 - [X.], [X.], 1553, 1554; [X.] 119, 372, 378; zweifelnd für die [X.] etwa [X.], 275 m.w.Nachw.), verbleiben fünf Groß-gläubiger, von denen der größte, nämlich die [X.], zudem nur für den Ausfall anerkannte Forderungen inne hat. Alle fünf Großgläubiger zu einem gemeinsamen Kostenvorschuss zu bewegen, erfordert einen hohen Ko-ordinationsaufwand seitens des Insolvenzverwalters, zumal bekanntermaßen die Gefahr groß ist, dass jeder einzelne Gläubiger auf die Finanzierung der Kosten durch die anderen vertraut. Das macht eine Prozessfinanzierung durch die wirtschaftlich Beteiligten wenig wahrscheinlich. Zieht man schließlich noch in Betracht, dass der Rechtsverfolgung des Insolvenzverwalters im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens grundsätzlich ein eigenständiges, schutzwürdiges Interesse beizumessen ist ([X.] 119, 372, 376 f.; [X.], [X.]. v. 27. September 1990 - [X.], [X.], 1490, 1491) und dies gerade für die hier in Rede stehende Forderung wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften gilt, führt auch die wertende Abwägung der - 9 - Gesamtumstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis, dass es den wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen. [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 20.01.2005 - 6 O 94/04 - [X.], Entscheidung vom 21.06.2005 - 27 W 17/05 -

Meta

II ZB 11/05

06.03.2006

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.03.2006, Az. II ZB 11/05 (REWIS RS 2006, 4730)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4730

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