Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2012, Az. XII ZB 583/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8453

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 583/11

vom

7. März 2012

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §
1896 Abs.
1 und 2
a)
Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen (im [X.] an Senatsbeschluss vom 13.
April 2011 -
XII
ZB 584/10
-
FamRZ 2011, 964 Rn.
15 mwN).
b)
Die Bestellung eines Betreuers muss verhältnismäßig sein, weshalb weniger ein-schneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen dürfen; dabei gilt der Grund-satz der Erforderlichkeit auch im Bereich der Vermögenssorge (im [X.] an Senatsbeschluss vom 6.
Juli 2011 -
XII
ZB 80/11
-
FamRZ 2011, 1391 Rn.
9).
c)
Der Begriff "Aufgabenkreis" im Sinne des §
1896 Abs.
1 Satz
1 BGB schließt nicht aus, dem Betreuer gegebenenfalls nur eine einzige Angelegenheit zuzuweisen (BayObLG NJWE-FER 2001, 151).
BGH, Beschluss vom 7. März 2012 -
XII ZB 583/11 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 7.
März 2012
durch
die Vorsitzende
Richterin Dr.
Hahne
und [X.], Dr.
Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen und des Beteiligten zu
1 wird der Beschluss der 8.
Zivilkammer des [X.] vom 26.
Oktober 2011 aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Betroffenen und des Beteiligten zu
1 wird der Beschluss des [X.] vom 31.
August 2011 auf-gehoben.
Das Beschwerde-
und das Rechtsbeschwerdeverfahren sind ge-richtsgebührenfrei (§
131 Abs.
5 KostO). Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt (§
307 FamFG).

Beschwerdewert: 3.000

Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Anordnung der Betreuung.
Mit notarieller Urkunde vom 25.
Januar 2005 erteilte der Betroffene dem Beteiligten zu
1 Generalvollmacht und damit Vollmacht und Auftrag, ihn
in allen 1
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-
Angelegenheiten gegenüber jedermann, insbesondere Gerichten, Behörden, Privaten, Banken und Sparkassen zu vertreten.
Im Dezember 2010 hat ein Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht die Be-stellung eines Betreuers für den Betroffenen
beantragt und dies damit begrün-det,
dass gegen den Betroffenen ein Vollstreckungstitel bestehe und der Betei-ligte zu
1 neben der Liquidation der Forderung auch die Abgabe der eidesstatt-lichen Versicherung verhindere, weshalb bereits Haftbefehl ergangen sei.

Durch Beschluss vom 31.
August 2011 hat das Amtsgericht die Beteiligte zu
2 zur Betreuerin des Betroffenen bestellt mit dem Aufgabenkreis der [X.], Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen [X.] und Vertretung gegenüber Behörden, Versiche-rungen, Renten-
und Sozialleistungsträgern, wobei die Entscheidung spätes-tens
bis zum 31.
August 2018 zu überprüfen sei.
Die Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich der Betroffene und der Beteiligte zu
1 mit ihrer Rechtsbeschwerde.
Der Senat hat auf Antrag der Beschwerdeführer mit Beschluss vom 7.
Dezember 2011 die Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses ausge-setzt.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
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a) Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, infolge der unstreitig bei dem Betroffenen
wegen seiner Demenzerkrankung vorliegenden Betreuungsbedürftigkeit sei er nicht in der Lage, die Aufgabenbereiche der Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden etc. sowie Entgegen-nahme der entsprechenden Post selbständig zu regeln. Die Bestellung einer Betreuerin für die im Beschluss des Amtsgerichts aufgeführten Bereiche sei trotz bestehender Vollmacht für den Beteiligten zu
1 auch erforderlich. Dieser verhindere bzw. verzögere die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bzw. die Liquidation eines rechtskräftigen Titels des Amtsgerichts. Es bedürfe daher der Bestellung eines Betreuers,
um die ordnungsgemäße Abwicklung der ent-sprechenden Vorgänge zu gewährleisten.
b) Diese Ausführungen halten einer rechtsbeschwerderechtlichen Über-prüfung nicht stand.
aa) Gemäß §
1896 Abs.
2 BGB darf ein Betreuer nur für [X.] bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevoll-mächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
Eine -
wie hier zugunsten des Beteiligten zu
1 erteilte
-
Vorsorgevoll-macht steht der Bestellung eines Betreuers allerdings dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen. Dies ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen er-heblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint (Senatsbe-schluss vom 13.
April 2011 -
XII
ZB
584/10
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FamRZ 2011, 964 Rn.
15 mwN).
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Die Bestellung eines Betreuers muss zudem
verhältnismäßig sein, wes-halb weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen
dürfen; dabei gilt der
Grundsatz der Erforderlichkeit auch im Bereich der [X.] (Senatsbeschluss vom 6.
Juli 2011 -
XII
ZB
80/11
-
FamRZ 2011, 1391 Rn.
9). Der Begriff "Aufgabenkreis"
im Sinne des §
1896 Abs.
1 Satz
1 BGB schließt nicht aus, dem Betreuer gegebenenfalls nur eine einzige Angelegenheit zuzuweisen (BayObLG NJWE-FER 2001, 151).
Der Tatrichter entscheidet über Art und Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdi-gung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Senatsbeschluss vom 13.
April 2011 -
XII
ZB
584/10
-
FamRZ 2011, 964 Rn.
16 mwN).
bb) Gemessen hieran kann die angegriffene Entscheidung keinen Be-stand haben.
(1) Das [X.] hat sich bei seiner Entscheidung auf die Feststellung beschränkt, dass der Beteiligte zu
1 die Abgabe der eidesstattlichen Versiche-rung bzw. die Liquidation eines rechtskräftigen Titels des Amtsgerichts [X.] bzw. verzögere. Weitere Feststellungen
zu der Frage, ob der [X.] ungeeignet ist, finden sich weder in der landgerichtlichen noch in der amtsgerichtlichen Entscheidung. Erwägungen zu der Frage, warum der Beteilig-te zu
1 nicht kooperativ ist, lassen sich der Begründung nicht entnehmen. Nach
der Entscheidung bleibt offen, ob es möglicherweise berechtigte Einwendungen
seitens des Bevollmächtigten gegen die Forderung bzw. Vollstreckung gibt. [X.] lässt die Begründung nicht erkennen, ob der Beteiligte zu
1 tatsächlich ungeeignet ist und ob
das Beschwerdegericht alle maßgeblichen Gesichtspunk-13
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te in Betracht gezogen hat sowie seine Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht.
(2) Im Übrigen ist die vom Amtsgericht angeordnete Betreuung mit den uneingeschränkten [X.]n Vermögenssorge, Entgegennahme, Öff-nen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen [X.] und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten-
und Sozialleistungs-trägern bei einer Überprüfung erst zum 31.
August 2018 unverhältnismäßig. Anlass für die Einrichtung der Betreuung war der "Antrag" des [X.], den er gestellt hat, um die Zwangsvollstreckung aus einem
bestimmten Titel
sicherzustellen, der sich auf eine Gesamtforderung von rund 39

Demgemäß ist der Begründung
der Beschwerdeentscheidung zu entnehmen, dass es der Bestellung eines Betreuers allein
deshalb bedürfe, um die [X.] Abwicklung der entsprechenden Vorgänge zu gewährleisten. Ob es hier angezeigt gewesen wäre, einen Betreuer nur zur Sicherstellung
der ge-nannten Zwangsvollstreckung zu bestellen, seine Bestellung mithin auf diese konkrete Maßnahme zu beschränken, kann dahinstehen. Denn
ein Bedürfnis hierfür ist entfallen, weil die titulierte Forderung mittlerweile beglichen worden
ist, was bereits in
der Rechtsbeschwerde ausgeführt
sowie von der Betreuerin bestätigt
wurde und demgemäß vom Senat zu berücksichtigen ist (vgl.
Musielak/Ball ZPO 8.
Aufl. ZPO §
559 Rn.
10).

3. Gemäß §
74 Abs.
5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuhe-ben, wobei der
Senat gemäß §
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG in der Sache abschlie-ßend entscheiden
kann.
Neben der Beschwerdeentscheidung ist somit auch der amtsgerichtliche Beschluss aufzuheben, und zwar auf die Beschwerden des Betroffenen
und des Beteiligten zu
1. Soweit das [X.] lediglich die Beschwerde des Be-17
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teiligten zu
1 beschieden hat, hat es verkannt, dass dieser -
jedenfalls auch
-
im Namen des Betroffenen
Beschwerde eingelegt hat.

Hahne

[X.]

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.08.2011 -
2 XVII 293/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 26.10.2011 -
8 [X.]/11 -

Meta

XII ZB 583/11

07.03.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2012, Az. XII ZB 583/11 (REWIS RS 2012, 8453)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8453

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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