Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2015, Az. 1 StR 39/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 13579

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 39/15

vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen

wegen
besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 24. März 2015 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten G.

wird das Urteil des [X.] vom 31. Oktober 2014, soweit es ihn betrifft, aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbrin-gung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurück-verwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wie auch den nicht revidierenden Mitangeklagten als Mittäter derselben Tat, zu einer [X.] von fünf Jahren verurteilt.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§
349 Abs.
4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1
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3
-
1.
Nach den Feststellungen des [X.]s fiel der Angeklagte, bei dem es 1998 infolge eines Verkehrsunfalles zu einem Frontalhirnsyndrom nach schwerem Schädelhirntrauma mit Kontusionsblutung gekommen war, seit dem [X.] durch die Begehung von Straftaten auf. Zuletzt wurde er von
dem [X.] Hof am 19.
November 2010 wegen erpresserischen Menschen-raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u.a. zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, zugleich ordnete das [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Diese Taten waren sämtlich dadurch gekennzeichnet, dass der Angeklagte gemeinsam mit seiner Freundin, einer [X.] Prostitu-ierten, Überfälle auf andere [X.] Prostituierte beging, die Angehörige der ethnischen Minderheit [X.] waren. Durch diese Überfälle wollte der Angeklagte seinen bereits langjährig sehr ausgeprägten Rassenhass durch körperliche Misshandlungen und Demütigungen seiner Opfer ausleben und die Gewaltanwendung
zugleich ausnutzen, um diesen mitgeführtes Bargeld abzu-nehmen und für sich zu behalten. Die Misshandlungen der Geschädigten gipfel-ten in einem Fall darin, dass der Angeklagte und seine Freundin die [X.] mit verbundenen Augen im Kofferraum eines Pkws in ein abgelegenes Waldstück verbrachten, ihr über zwei Stunden hinweg Schläge mit Fäusten so-wie einer Metallstange und Fußtritte verabreichten, ihr das lange [X.] und sie dann ihres mitgeführten Bargelds beraubten. Die [X.] war dabei davon überzeugt, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zu den [X.] jeweils aufgrund einer gravierenden hirnorganisch bedingten Persön-lichkeitsstörung im Sinne des §
21 StGB erheblich eingeschränkt war.
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4
-
In der Folgezeit befand sich der Angeklagte in der [X.]klinik in [X.]. Dort lernte er im Dezember 2011 den ebenfalls im Maßregelvollzug
befindlichen
nichtrevidierenden Mitangeklagten R.

kennen, mit dem er ab Juli 2013 Fluchtpläne entwickelte.
Gemeinsam mit dem Mitangeklagten R.

entschloss sich der Ange-klagte, einen als Lockerungsmaßnahme durchgeführten begleiteten [X.] in das örtliche Freibad am 5.
September 2013 zum Entweichen aus dem Maßregelvollzug zu nutzen. In Ausführung des gefassten Tatplans ließen sich die Angeklagten auf ihren Fahrrädern während der Rückfahrt durch das Stadtgebiet [X.] an das Ende der Kolonne zurückfallen und bogen an ge-eigneter Stelle unbemerkt in eine Seitenstraße ab. In einer nahegelegenen Tiefgarage zwangen die Angeklagten einen Passanten unter Verwendung ei-nes zuvor eigens für die Tatausführung entwendeten und angeschliffenen [X.] und unter Einsatz erheblicher körperlicher Gewalt zur Herausgabe seines Pkws. Die anschließende
Verfolgungsjagd mit Beamten des
Polizeivoll-zugsdienstes
durch das Stadtgebiet endete nach einem Unfall der Angeklagten mit ihrer Festnahme.
2.
Sachverständig beraten (§
246a Abs.
1 Satz
1 StPO) ist das [X.] rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge seiner zur Tatzeit fortbestehenden organischen Per-sönlichkeitsstörung sicher erheblich vermindert, aber nicht aufgehoben war, so dass die Voraussetzungen des §
21 StGB gegeben waren und auch die [X.] für eine erneute Unterbringung nach §
63 StGB dem Grunde nach vorliegen.

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6
-
5
-
Die [X.] hat gleichwohl davon abgesehen, den Angeklagten er-neut nach §
63 StGB unterzubringen. Die erneute Anordnung sei nicht verhält-nismäßig (§
62 StGB), weil sie angesichts der bereits bestehenden Anordnung zur besseren Erreichung des Maßregelzieles weder geeignet noch erforderlich sei. Insbesondere werde der Ablauf des derzeitigen [X.] und des-sen Ausgestaltung nicht von einer erneuten Verhängung der Maßregel beein-flusst werden.
3.
Die Entscheidung der [X.], von der erneuten Anordnung der Unterbringung abzusehen, hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Entscheidung liegt insoweit ein fehlerhaftes Verständnis der damit verbun-denen Rechtsfolgen zugrunde.
a)
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die [X.] davon ausgegan-gen, dass die wiederholte Anordnung der Maßregel nach §
63 StGB gegenüber einem bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, der nochmalige
[X.] jedoch voraussetzt, dass dieser in besonderer Weise gemäß §
62 StGB mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht (vgl. [X.], Beschluss vom 14.
Juli 2005

3
StR
216/05, [X.]St 50, 199, 201 mwN).
Indes betreffen die auf die Rechtsprechung des [X.] ge-stützten Erwägungen, welche das [X.] nachfolgend angestellt hat, die Rechtslage bezüglich einer erneuten [X.] bei [X.] Personen. Bei diesen kommt nur die isolierte Anordnung der Unterbringung gemäß §
63 StGB in Betracht, die unter Wahrung des Grundsatzes der [X.] immer

und zugleich nur

dann eine geeignete und erforder-liche Maßnahme ist, wenn das erneute Erkenntnis Auswirkungen auf die Aus-7
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-
gestaltung oder die Dauer des
[X.] haben kann, die der bisherige Vollzug nicht zeitigt,
und das Erkenntnisverfahren in besserer Weise als das Vollstreckungsverfahren dazu geeignet ist, die neue [X.] sowie die sich darin widerspiegelnde Gefährlichkeit des Beschuldigten für alle an der Maßre-gelvollstreckung Beteiligten verbindlich festzustellen und damit Änderungen in der Ausgestaltung des Vollzugs oder die Anordnung von dessen Fortdauer zu legitimieren (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 14.
Juli 2005

3
StR
216/05, [X.]St 50, 199, 205; vom 9.
Mai 2006

3
StR
111/06, [X.], 8, 9; vom 23.
November 2010

5
StR
466/10 und vom 17.
Juli 2012

4
StR
179/12, [X.], 369; Urteile vom 17.
September 2009

4
StR
325/09, Rn.
8; und
vom 16.
Oktober 2014

3
StR
329/14,
Rn.
8 ff.).
Hat der bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Angeklagte die in dem neuen Verfahren angeklagte Tat hingegen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen (§
21 StGB), während Schuldunfähig-keit (§
20 StGB) sicher ausgeschlossen werden kann, und muss daher gegen ihn eine Freiheitsstrafe verhängt werden, so ist der erneute [X.] nach §
63 StGB nicht nur zulässig, sondern geboten, um die Anrechenbarkeit der Zeit des [X.] auf die Strafe zu gewährleisten. [X.] Strafe und Maßregel in demselben Urteil festgesetzt und wird die Unterbringung der gesetzlichen Regel entsprechend vor der Freiheitsstrafe vollzogen (§
67 Abs.
1 StGB), ist die Zeit des [X.] auf die Strafe anzurechnen, bis diese zu zwei Dritteln erledigt ist (§
67 Abs.
4 StGB). Wurde der Maßregelvollzug hin-gegen nicht in demselben Urteil wie die Strafe angeordnet, findet eine Anrech-nung auf die isoliert verhängte Freiheitsstrafe nicht statt. Das Absehen
von
der wiederholten [X.] hat deshalb nicht ausschließbar eine sach-lich ungerechtfertigte Benachteiligung des Angeklagten zur Folge (vgl. [X.] 130, 372
ff.; [X.], Beschlüsse vom 14.
Juli 2005

3
StR
216/05, [X.]St 50, 11
-
7
-
199, 202; vom 23.
November 2010

5
StR
466/10 und vom
17.
Juli 2012

4
StR
179/12, [X.], 369; Urteile vom 17.
September 2009

4
StR
325/09, Rn.
8; und
vom 16.
Oktober 2014

3
StR
329/14, Rn.
11), die im vorliegenden konkreten Einzelfall einen Rechtsfehler zum Nachteil
des An-geklagten darstellt.
b)
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils,
soweit die Anord-nung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Kranken-haus unterblieben ist. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich [X.] bei ansonsten
fehlerfrei getroffenen Feststellungen vorliegen. Auch eine mit dem freigesprochenen Angeklagten vergleichbare Konstellation, in der die fehlerfreien Feststellungen aufzuheben sind, weil der freigesprochene Angeklagte das Urteil nicht hätte anfechten können (vgl. [X.], Urteile vom 15.
Dezember 1999

5
StR
537/99 und vom 18.
März 2004

4
StR
533/03, [X.], 499; Beschlüsse vom 25.
September 2007

4
StR 348/07 und vom 23.
April 2013

4
StR
485/12, [X.], 612), liegt
nicht vor.
Ohnehin umfasst der Revisionsangriff hier die Feststellungen, soweit sie im Hinblick auf die Voraussetzungen des §
21 StGB doppelrelevant sind.
Das zur neuen Entscheidung berufene Tatgericht wird unter Anwendung des zutreffenden rechtlichen [X.] über die erneute
Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §
63 StGB zu befinden haben, wobei ergänzende Feststellungen getroffen werden können, die den bisherigen nicht widersprechen.
4.
Die weitergehende Revision des Angeklagten war zu verwerfen; das Urteil erweist sich insoweit, entsprechend der Antragsschrift des [X.], als rechtsfehlerfrei.
12
13
14
-
8
-
5.
Eine Erstreckung der Aufhebung auf den Mitangeklagten R.

gemäß §
357 Satz
1 StPO kommt nicht in Betracht. Zwar liegt dem Absehen von der [X.] dieselbe ihn benachteiligende Gesetzesverletzung zugrunde. Da die Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus gemäß §
63 StGB jedoch an höchstpersönliche Charaktermerkmale und Dispositionen des [X.] anknüpft und diese individuellen Wertungsfragen für die Entschei-dung bestimmend sind, war keine Erstreckung vorzunehmen (vgl. dazu [X.],
Beschlüsse vom 29.
Juni 1994

2
StR
265/94, [X.]R StPO §
357 Er-streckung
4; vom 4.
September 1998

2
StR
390/98, [X.], 15;
vom 16.
April 2003

2
StR 60/03 [jeweils zu §
64 StGB]; Beschluss vom 24.
November 2009

4
StR
422/09 [zu §
67 Abs.
2 StGB]; Urteil vom 4.
No-vember 2014

1
StR
233/14, Rn.
12 [zu §
69 Abs.
1 StGB]).
Rothfuß

Graf Cirener

Mosbacher Fischer
15

Meta

1 StR 39/15

24.03.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2015, Az. 1 StR 39/15 (REWIS RS 2015, 13579)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13579

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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