Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.01.2024, Az. 6 CN 1/22

6. Senat | REWIS RS 2024, 1017

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt die Unwirksamkeitserklärung einer Satzung der Antragsgegnerin, mit der diese nach Aufhebung des Diplom-Studiengangs Biochemie infolge des Wechsels auf das konsekutive Bachelor-/Master-System den in einer Übergangsregelung unter Ausnahmevorbehalt gestellten Anspruch der Studierenden auf Ablegung der Diplomprüfung befristet hat.

2

Seit dem Wintersemester 2002/2003 ist der Antragsteller im Diplom-Studiengang Biochemie bei der Antragsgegnerin eingeschrieben. Die Regelstudienzeit beträgt neun Semester. In den [X.], 2016, 2017 und 2019 war er beurlaubt.

3

Am 27. Dezember 2007 veröffentlichte die Antragsgegnerin auf ihrer [X.]seite und im Nachrichtenblatt des [X.] des [X.] die "Satzung zur Aufhebung der Studienordnung und Prüfungsordnung der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät für Studierende des Studiengangs Biochemie mit dem Abschluss Diplom" vom 29. November 2007 ([X.]). Art. 1 dieser Satzung enthält die Aufhebung der Studienordnung für diesen Studiengang, während ihr Art. 2 die zugehörige Prüfungsordnung aufhebt. Nach Art. 3 der [X.] tritt diese am Tage nach ihrer Bekanntmachung, also am 28. Dezember 2007, in [X.]. Zudem enthält Art. 3 der [X.] folgende Übergangsregelung: "Studierende, die an der [X.] für den Diplom-Studiengang Biochemie eingeschrieben sind, können die Diplomprüfung nach In-[X.]-Treten dieser Satzung bis zum 31.03.2012 nach der in Artikel 2 Satz 1 genannten Prüfungsordnung in Verbindung mit der in Artikel 1 Satz 1 genannten Studienordnung ablegen. Darüber hinaus ist die Ablegung der Prüfung nach der in Artikel 2 Satz 1 genannten Prüfungsordnung nur in begründeten Ausnahmefällen möglich; hierüber entscheidet der Prüfungsausschuss auf Antrag."

4

Auf seinen Antrag hin bewilligte der Prüfungsausschuss der Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 16. April 2018 eine Verlängerung der Frist zur Ablegung der Diplomprüfung bis zum 30. September 2020. Hiergegen legte der Antragsteller - beschränkt auf die Dauer der gewährten Fristverlängerung - Widerspruch ein. Aufgrund seiner Beurlaubung im Sommersemester 2019 begehrte er mit Schreiben vom 9. Juni 2019 eine Verlängerung der Frist bis zum 30. September 2021. Die Antragsgegnerin verlängerte daraufhin mit Bescheid vom 20. Juni 2019 die Frist bis zum 31. März 2021 und lehnte den weitergehenden Antrag ab. Auch hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Die Widersprüche hat die Antragsgegnerin noch nicht beschieden.

5

Die Antragsgegnerin entschloss sich im [X.], den Diplom-Studiengang Biochemie endgültig abzuwickeln. Hierzu sollte eine Änderungssatzung erlassen werden, die die in Art. 3 der [X.] enthaltene Übergangsregelung um folgende Sätze ergänzt: "Mit Ablauf des Wintersemesters 2020/2021 erlischt jeglicher Prüfungsanspruch nach der in Artikel 2 genannten Prüfungsordnung. Danach ist eine Ablegung der Diplomprüfung auch in begründeten Ausnahmefällen ausgeschlossen."

6

Der Konvent der Medizinischen Fakultät und der Konvent der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät stimmten dem Entwurf der Satzungsänderung mit Beschlüssen vom 25. bzw. 27. Juni 2018 zu. Der Senat fasste in seiner Sitzung vom 11. Juli 2018 den Beschluss, gegen die beabsichtigte Satzungsänderung keine Einwendungen zu erheben. Die Sitzungstermine der genannten Konvente und des [X.] wurden jeweils im Januar 2018 im [X.] veröffentlicht und waren über die Homepages der jeweiligen Fakultäten oder über das [X.] der Antragsgegnerin einsehbar. Die Tagesordnungen zu den Sitzungen wurden nicht öffentlich bekanntgemacht. Das Präsidium der Antragsgegnerin stimmte der Satzungsänderung am 17. Juli 2018 zu. Die "Erste Satzung zur Änderung der Satzung zur Aufhebung der Studienordnung und Prüfungsordnung der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der [X.] für Studierende des Studiengangs Biochemie mit dem Abschluss Diplom" vom 19. Juli 2018 (Änderungssatzung) wurde am 9. August 2018 auf der [X.]seite der Antragsgegnerin und im genannten Nachrichtenblatt bekannt gemacht.

7

Der gegen die Änderungssatzung am 8. August 2019 beim Oberverwaltungsgericht eingereichte Normenkontrollantrag des Antragstellers blieb ohne Erfolg. Der Antrag sei zwar zulässig. Die Änderungssatzung könne Gegenstand eines Normenkontrollantrags sein. Der Antragsteller habe den Antrag fristgerecht gestellt und sei [X.]. Seine Beschwer beruhe darauf, dass er als Studierender des aufgehobenen Studiengangs durch die Änderungssatzung seinen Anspruch auf Ablegung der für diesen Studiengang vorgesehenen Abschlussprüfung verliere. Jedoch sei der Normenkontrollantrag unbegründet. Die Änderungssatzung sei formell rechtmäßig. Die Befugnis der Antragsgegnerin zum Erlass der Änderungssatzung ergebe sich aus § 52 Abs. 1 und Abs. 10 Satz 1 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 2 [X.]. Die Änderungssatzung sei ordnungsgemäß erlassen worden. Einer Zustimmung des [X.] habe es nach § 49 Abs. 6 Satz 1 [X.] nicht bedurft. Auch sei durch die Sitzungen der Fachbereichskonvente der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht verletzt worden. Dieser Grundsatz diene dazu, der Allgemeinheit Publizität, Information, Kontrolle und Integration zu vermitteln. Dem sei hier entsprochen worden. Die Sitzungen seien öffentlich abgehalten und ihre Termine zuvor in der vorgeschriebenen Form bekanntgemacht worden. Den Mitgliedern der Antragsgegnerin sei es daher möglich gewesen, an den Sitzungen als Zuhörer teilzunehmen. Dies genüge, um dem Grundsatz der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen. Die Bekanntgabe der Tagesordnung habe der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht vorsehen müssen. Zwar sei dies unter dem Gesichtspunkt der Transparenz förderlich, aber nicht geboten. Angesichts von vier Terminen pro Semester könnten sich Interessierte zu Beginn der Sitzung dorthin begeben oder sich vorab beim Dekanat über die Tagesordnung informieren. Hierdurch werde der Zugang zur Tagesordnung nicht über Gebühr erschwert. Auch der materielle Gehalt der Änderungssatzung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Die Aufhebung des Studiengangs sei sowohl nach § 49 Abs. 6 Satz 8 [X.] als auch am Maßstab von Art. 12 Abs. 1 GG sowie des Vertrauensschutzes nicht zu beanstanden. Das [X.] gelte nicht für Satzungen.

8

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Antragsteller geltend, es verstoße gegen den in Art. 20 Abs. 1 und 3 GG verankerten Öffentlichkeitsgrundsatz, dass die Tagesordnungen der Sitzungen der Konvente und des [X.] nicht öffentlich bekanntgemacht worden und daher für Studierende nicht einsehbar gewesen seien. Dem Grundsatz der Öffentlichkeit werde nur Rechnung getragen, wenn auch die Tagesordnung vorab öffentlich bekannt gemacht werde. Die Anstoßfunktion könne nur erfüllt werden, wenn die Bekanntmachung auch die Tagesordnung umfasse. Es sei unzumutbar, Interessierte darauf zu verweisen, sich nach der jeweiligen Tagesordnung in den Gremien zu erkundigen. Zudem werde Art. 12 Abs. 1 GG verletzt, weil eine Zustimmung des [X.] zur Aufhebung der Studien- und der Prüfungsordnung verfassungsrechtlich zur Wahrung der Ausbildungsinteressen der Studierenden geboten gewesen sei. Ein Rechtsschutzbedürfnis für seinen Normenkontrollantrag bestehe, weil der Antragsteller in absehbarer [X.] die Voraussetzungen für die Zulassung sowohl zur [X.] als auch zur Diplomprüfung erlangen könne. Für die Zulassung zur [X.] fehle ihm noch eine Klausur als Nachweis der erfolgreichen Teilnahme in Organischer Chemie. An dieser Klausur könne er im Falle eines Obsiegens noch im Wintersemester 2023/2024 teilnehmen. Innerhalb von vier Wochen könne er dann die Fachprüfungen der [X.] absolvieren, deren ersten Prüfungsabschnitt er bereits bestanden habe. Die Antragsgegnerin habe ihm die Frist zur Ablegung der Diplomprüfung mehrmals verlängert. Es sei nicht auszuschließen, dass ihm die Frist zur Ablegung der Diplomprüfung nochmals verlängert werde. Jedenfalls sei nicht davon auszugehen, dass er auf unabsehbare [X.] seinem Ziel nicht näherkommen könne.

9

Der Antragsteller beantragt,

das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2020 abzuändern und die Erste Satzung zur Änderung der Satzung zur Aufhebung der Studienordnung und Prüfungsordnung der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der [X.] für Studierende des Studiengangs Biochemie mit dem Abschluss Diplom vom 19. Juli 2018 ([X.]. [X.] MBWK Schl.-H. 2018, [X.]), die auf der [X.]seite der Antragsgegnerin am 9. August 2018 bekanntgemacht wurde, für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, dem Antragsteller sei um das [X.] die Erlaubnis erteilt worden, Lehrveranstaltungen aus dem Hauptdiplom belegen zu dürfen, obwohl er das Vordiplom noch nicht bestanden habe. Ihm fehlten Leistungsnachweise für die [X.] und die Diplomprüfung. Die [X.] habe er noch nicht bestanden. Sie biete seit dem 31. März 2012 keine Veranstaltungen mehr im Diplom-Studiengang Biochemie an. Gleiches gelte für die [X.]. Der Antragsteller könne die erforderlichen Leistungsnachweise mit Ausnahme der für den Bachelor-Abschluss und die Zulassung zur [X.] gleichermaßen notwendigen sogenannten [X.] nicht mehr ohne Studiengangwechsel erwerben.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Normenkontrollantrag statthaft ist (1.), der Antragsteller den Antrag fristgerecht gestellt hat (2.) und die Antragsbefugnis gegeben ist (3.). Das Urteil verstößt jedoch gegen [X.] Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, weil es rechtsfehlerhaft ein Rechtsschutzbedürfnis für das Normenkontrollverfahren angenommen hat. Vielmehr erweist sich der Normenkontrollantrag als unzulässig und das angefochtene Urteil gemäß § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig (4.).

1. Das Oberverwaltungsgericht ist ohne Verletzung von Bundesrecht davon ausgegangen, dass das Normenkontrollverfahren statthaft ist. Nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Diese Voraussetzungen liegen nach der den Senat gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO bindenden Auslegung von Landesrecht durch die Vorinstanz vor. Danach öffnet § 67 des [X.] ([X.]) das Normenkontrollverfahren für im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften (Rechtsverordnungen und Satzungen). Die Änderungssatzung findet nach Auffassung des [X.] ihre Rechtsgrundlage in § 52 Abs. 1 und 10 des Gesetzes über die Hochschulen und das [X.] (Hochschulgesetz - [X.]) vom 5. Februar 2016 (GVOBl. [X.]) [X.] des Gesetzes vom 10. Februar 2018 (GVOBl. [X.]) und regelt in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit fallende öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen.

Nach den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil beschränkt sich der Gegenstand des [X.] auf den Inhalt der Änderungssatzung. Mit ihr wird der unter Art. 3 der Aufhebungssatzung in Satz 2 der Übergangsregelung normierte, nur noch in begründeten Ausnahmefällen bestehende Anspruch auf Ablegung der Diplomprüfung im Diplom-Studiengang Biochemie zeitlich befristet; der Anspruch erlischt mit Ablauf des Wintersemesters 2020/2021 zum 31. März 2021 (vgl. [X.], 9, 15 und 18). Allein hierauf bezieht sich die Regelung der Änderungssatzung. An diese Auslegung der Satzung als ir[X.] Landesrecht ist der Senat ebenfalls nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO gebunden (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 CN 1.18 - BVerwGE 166, 65 Rn. 19). Diesem Verständnis folgend sind die weiteren Regelungen der Aufhebungssatzung wie die Aufhebung der Studien- und Prüfungsordnung sowie die übergangsweise Ermöglichung der Fortführung des [X.] bis zum 31. März 2012 nicht Gegenstand des [X.] (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1999 - 4 CN 7.98 - BVerwGE 110, 193 <198>).

2. Der Antragsteller hat mit dem am 8. August 2019 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Normenkontrollantrag die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von einem Jahr gewahrt. Die Änderungssatzung wurde am 9. August 2018 auf der Internetseite der Antragsgegnerin bekannt gemacht; im Nachrichtenblatt des [X.] des [X.] wurde auf die Bekanntmachung hingewiesen (vgl. auch § 36 Abs. 1 Satz 1 der Grundordnung der Antragsgegnerin sowie § 95 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Die Jahresfrist endete am 9. August 2019.

3. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eine natürliche Person [X.], wenn sie geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Hiervon ist die Vorinstanz ohne [X.] ausgegangen. Der Antragsteller ist [X.], da er als in dem Diplom-Studiengang Biochemie eingeschriebener Studierender geltend machen kann, durch die Änderungssatzung in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt zu werden. Mit der Änderungssatzung wird die Ablegung der Diplomprüfung in diesem Studiengang nach Ablauf des Wintersemesters 2020/2021 ausgeschlossen.

4. Das angefochtene Urteil verletzt aber [X.] Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, weil es ein Rechtsschutzbedürfnis für das Normenkontrollverfahren unterstellt hat (a)), obwohl es im vorliegenden Fall nicht gegeben ist (b)). Insoweit stellt sich das angefochtene Urteil jedoch nach § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (c)).

a) Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist eine für alle der Verwaltungsgerichtsordnung unterliegenden Verfahren einheitliche, ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung und unterfällt als prozessrechtliches Erfordernis dem Begriff des Bundesrechts im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Es beruht auf dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben, dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Im Zusammenhang mit § 47 VwGO soll es verhindern, dass Gerichte in eine Normprüfung eintreten, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos bzw. nutzlos ist (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - [X.]E 104, 220 <232>; BVerwG, Urteile vom 16. April 2015 - 4 CN 6.14 - BVerwGE 152, 49 Rn. 15, vom 13. Dezember 2018 - 4 CN 3.18 - BVerwGE 164, 74 Rn. 14 und vom 24. Januar 2023 - 4 CN 8.21 - BVerwGE 177, 314 Rn. 9 m. w. N.).

Nach der Rechtsprechung des [X.] liegt ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Normenkontrollverfahren regelmäßig vor, wenn der Antragsteller [X.] ist (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 4 CN 3.18 - BVerwGE 164, 74 Rn. 14 und vom 12. Juli 2022 - 4 CN 3.21 - NVwZ 2022, 1569 Rn. 18). Hiervon ist die Vorinstanz ersichtlich ausgegangen, weil sie in dem angefochtenen Urteil nach der Feststellung der Antragsbefugnis ohne weitere Erörterung von anderen Sachentscheidungsvoraussetzungen die Begründetheit des Normenkontrollantrags geprüft hat.

b) Auf Seiten des Antragstellers ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des [X.] jedoch nicht anzuerkennen. Der Senat hat im Revisionsverfahren die Sachurteilsvoraussetzungen eines Rechtsbehelfs von Amts wegen zu prüfen, da ihm eine Sachentscheidung verwehrt ist, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Die für die Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen notwendigen Tatsachen hat der Senat als Prozesstatsachen, die nicht an der Bindungswirkung des § 137 Abs. 2 VwGO teilnehmen, selbst festzustellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 1985 - 2 C 14.84 - BVerwGE 71, 73 <74 f.> und vom 28. November 2018 - 6 C 2.17 - BVerwGE 164, 1 Rn. 12 m. w. N.).

aa) Die Beurteilung des [X.] richtet sich nach den jeweiligen Verhältnissen im Einzelfall (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. August 1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <91>, vom 9. Februar 1989 - 4 NB 1.89 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 37 S. 25 und vom 11. Oktober 2016 - 3 [X.] 1.15 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 210 Rn. 4). Das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines [X.] ist anzunehmen, wenn der Antragsteller durch die von ihm angestrebte Nichtigerklärung der Rechtsvorschrift seine Rechtsstellung verbessern kann. Es ist nicht erforderlich, dass die begehrte Nichtigerklärung unmittelbar zum eigentlichen Rechtsschutzziel führt. Vielmehr reicht es aus, dass die begehrte Entscheidung des [X.] für den Antragsteller zumindest aus tatsächlichen Gründen vorteilhaft ist bzw. es sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für ihn von Nutzen sein kann, um sein gegebenenfalls außerhalb des [X.] liegendes tatsächliches Ziel zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 2002 - 4 CN 3.01 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 156 S. 87 f. und vom 16. April 2015 - 4 CN 6.14 - BVerwGE 152, 49 Rn. 15).

Mit Blick auf den bei Erfüllung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen grundsätzlich bestehenden Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung ist ein strenger Maßstab anzulegen; das Rechtsschutzbedürfnis darf nur in engen Grenzen verneint werden. Es entfällt lediglich dann, wenn die Normprüfung für den Antragsteller wert- bzw. nutzlos ist. Dies ist der Fall, wenn das Ergebnis der Normprüfung die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessern kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2022 - 4 CN 3.21 - NVwZ 2022, 1569 Rn. 18; Beschlüsse vom 18. Juli 1989 - 4 N 3.87 - BVerwGE 82, 225 <231> und vom 11. Oktober 2016 - 3 [X.] 1.15 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 210 Rn. 4) bzw. die Feststellung der Nichtigkeit nichts dazu beizutragen vermag, das eigentliche Rechtsschutzziel zu erreichen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Mai 1993 - 4 NB 50.92 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 79 S. 140, vom 26. Mai 1993 - 4 NB 3.93 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 80 S. 145 und vom 7. März 2002 - 4 [X.] 60.01 - [X.] 406.13 § 5 ROG Nr. 3 S. 2 f.). Der Antragsteller darf unabhängig vom Ausgang des [X.] keine reale Chance haben, sein eigentliches Ziel zu erreichen; nur dann wird das Normenkontrollgericht unnütz in Anspruch genommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2002 - 4 CN 3.01 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 156 S. 88; Beschluss vom 7. März 2002 - 4 [X.] 60.01 - [X.] 406.13 § 5 ROG Nr. 3 S. 2 f.).

bb) Der Antragsteller verfolgt das hinter dem Normenkontrollantrag stehende Ziel, die Diplomprüfung im Studiengang Biochemie noch ablegen zu können. Dieses Ziel kann er jedoch tatsächlich nicht mehr erreichen, sodass sich das Normenkontrollverfahren für ihn als nutzlos erweist. Zwar würde im Fall der Unwirksamkeitserklärung der Änderungssatzung der auf begründete Ausnahmefälle beschränkte Anspruch auf Ablegung der Diplomprüfung im Studiengang Biochemie nach Satz 2 der in Art. 3 der Aufhebungssatzung enthaltenen Übergangsregelung unbefristet fortbestehen. Jedoch erweist sich dieser auf die Ablegung der Diplomprüfung gerichtete Anspruch für den Antragsteller als nutzlos, weil er keine reale Chance mehr hat, diese Prüfung noch ablegen zu können. Letzteres setzt voraus, dass der Studierende die Voraussetzungen für die Zulassung zur Diplomprüfung erfüllt. Hierzu gehört unter anderem nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 der bereits aufgehobenen Prüfungsordnung, dass der Antragsteller die [X.] in demselben oder in einem verwandten Studiengang oder eine als gleichwertig angerechnete Prüfung bestanden hat. Diese Voraussetzung kann der Antragsteller nicht mehr erfüllen.

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Antragsteller die [X.] in einem verwandten Studiengang oder eine als gleichwertig angerechnete Prüfung bestehen kann. Der Antragsteller erachtet es vielmehr für zumutbar, dass die Antragsgegnerin ihm die Ablegung der [X.] weiterhin ermöglicht. Hierauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, dass die Antragsgegnerin nach dem 31. März 2012 nicht mehr rechtlich verpflichtet ist, die [X.] anzubieten. Sie hat im [X.] an die gesetzliche Vorgabe in § 46 Abs. 3 Satz 5 [X.], wonach bestehende Diplom- und Magisterstudiengänge auslaufen, nach Einrichtung des Bachelor- und Masterstudiengangs Biochemie die Studienordnung und die Prüfungsordnung für den Diplom-Studiengang Biochemie mit Wirkung vom 28. Dezember 2007 aufgehoben. Des Weiteren hat sie es in Umsetzung von § 49 Abs. 6 Satz 8 [X.] den eingeschriebenen Studierenden im Diplom-Studiengang Biochemie durch die in Satz 1 der in Art. 3 der Aufhebungssatzung enthaltene Übergangsregelung ermöglicht, den Abschluss innerhalb der Regelstudienzeit bis zum 31. März 2012 zu erreichen. Nach Ablauf dieses Übergangszeitraums war die Antragsgegnerin nicht mehr verpflichtet, die [X.] anzubieten und diese wird von ihr auch nicht mehr angeboten. Damit ist es dem Antragsteller unmöglich, diese Voraussetzung für die Zulassung zur Diplomprüfung noch erfüllen zu können.

Angesichts dessen kann es vorliegend dahinstehen, ob der Antragsteller noch die ihm fehlenden Leistungsnachweise für die Zulassung zur [X.] bzw. Diplomprüfung etwa durch den Besuch anderer Veranstaltungen der Antragsgegnerin und deren Anerkennung für den Diplom-Studiengang erlangen kann. Denn dies wäre allenfalls im Hinblick auf die - kumulativ zu erfüllende - weitere Voraussetzung für die Zulassung zur Diplomprüfung nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 der aufgehobenen Prüfungsordnung von Bedeutung.

Aus dem Verhalten der Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber ergibt sich ebenso wenig, dass noch eine reale Chance für ihn besteht, die Diplomprüfung ablegen zu können. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller bereits im [X.] erlaubte, ohne bestandene [X.] Leistungsnachweise aus dem Hauptdiplom zu erwerben, lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Antragsteller noch nach Ablauf des 31. März 2012 die [X.] hätte ablegen können. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller als in den Diplom-Studiengang Biochemie eingeschriebener Studierender nach dem 31. März 2012 die sogenannte Reaktionsmechanismen-Klausur des Bachelor-Studiengangs Biochemie wiederholt hat schreiben können, lässt nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin ihm die Ablegung der [X.] weiterhin hat ermöglichen wollen. Die Zulassung des Antragstellers zu dieser Klausur beruht nach den nachvollziehbaren Angaben der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung allein auf dem Umstand, dass diese Klausur sowohl ein Leistungsnachweis für die Zulassung zur [X.] war als auch - insoweit als einzige Klausur - unverändert im Bachelorstudiengang angeboten wird. Sie ist ein Modul des Bachelor- und keine Veranstaltung des [X.]. Schließlich lässt sich den dem Antragsteller gewährten Fristverlängerungen zur Ablegung der Diplomprüfung nicht entnehmen, dass ihm die Antragsgegnerin hiermit die Beendigung des Diplomstudiums einschließlich der Ablegung der [X.] als Zwischenschritt hat ermöglichen wollen. Aus den vorliegenden Umständen ergibt sich, dass die Fristverlängerungen gewährt worden sind, um dem Antragsteller einen Wechsel in den Bachelor-Studiengang weiterhin offen zu halten. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Antragsgegnerin nach dem 31. März 2012 keine Veranstaltungen und [X.]en in dem Diplom-Studiengang Biochemie mehr angeboten hat. Überdies hat sie den Antragsteller etwa im [X.] vom 16. April 2018 explizit darauf hingewiesen, dass infolge der Umwandlung in das [X.] keine dem Diplom-Studiengang entsprechenden Kurse mehr angeboten werden und der Prüfungsausschuss mit Nachdruck den Wechsel in den Bachelor-Studiengang unter Anrechnung erbrachter Studienleistungen über eine Äquivalenzanerkennung empfohlen hat.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

6 CN 1/22

24.01.2024

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: CN

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 15. Oktober 2020, Az: 3 KN 12/19, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.01.2024, Az. 6 CN 1/22 (REWIS RS 2024, 1017)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1017

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AN 2 K 15.02339 (VG Ansbach)

Fehlender Nachweis der Qualifikation zum Masterstudium Psychologie


M 3 K 15.1632 (VG München)

Endgültiges Nichtbestehen der Diplomprüfung


4 Nc 50/21 (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen)


4 Nc 44/21 (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen)


M 3 K 13.3578 (VG München)

Gesetzesvorbehalt im Prüfungsrecht und Anspruch auf einmalige Wiederholung berufsrelevanter Prüfungen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.