Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.02.2024, Az. VIa ZR 593/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1366

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 28. Zivilsenats des [X.] vom 29. März 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb am 30. April 2015 für 35.348,22 € ein von der Beklagten hergestelltes, neues Kraftfahrzeug [X.], das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.

3

Das [X.] hat die im Wesentlichen auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen, Zahlung von [X.], Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.], mit der er sein erstinstanzliches Begehren mit Ausnahme des die Zahlung von [X.] betreffenden Antrags weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Die Berufung des [X.] sei zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe und auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorlägen. Zur Begründung werde auf den vorausgegangenen Hinweis Bezug genommen. Die Ausführungen in der Gegenerklärung gäben keinen Anlass zu einer Änderung der Bewertung, sondern lediglich zu den folgenden Ergänzungen: Soweit der Kläger auf eine Entscheidung des [X.] vom 25. November 2021 ([X.]) Bezug nehme, verkenne er, dass der [X.] hier nicht allein auf die Überschreitung von Grenzwerten im Fahrbetrieb abgestellt, sondern eine Gesamtbetrachtung angestellt habe. Ferner weiche der dort entschiedene Fall von dem vorliegenden insofern ab, als dort - anders als hier - Messwerte desselben Fahrzeugtyps und derselben Schadstoffklasse vorgelegen hätten. Auch die Ausführungen zu einem Kaltstartheizen gäben keinen Anlass zu einer Änderung der [X.]sauffassung. Weil weder ein Rückruf seitens des [X.] erfolgt sei noch die Feststellungen des Sachverständigen Dr. H.  den hier zu beurteilenden Fahrzeugtyp beträfen, komme eine Beweiserhebung nicht in Frage. Der [X.] halte auch mit Rücksicht auf die Gegenerklärung des [X.] daran fest, dass er keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem in Rede stehenden Fahrzeug vorgetragen habe. Die Ausführungen zur internen Organisation der [X.] gingen deshalb ins Leere.

7

In dem in Bezug genommenen Hinweis hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts ausgeführt, dass sich der [X.] mit dem klägerischen Vorbringen intensiv auseinandergesetzt habe, aber keinen nicht schon durch den Berufungssenat oder andere [X.]e des [X.] gewürdigten Sachvortrag sehe. Es werde deshalb auf die Rechtsprechung des Hauses und insbesondere auf vier näher bezeichnete Verfahren verwiesen, an denen die Prozessbevollmächtigten des [X.] beteiligt gewesen seien. Der [X.] mache sich die Erwägungen der dort getroffenen Entscheidungen zu eigen, Wiederholungen seien nicht veranlasst.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.

9

1. Die vor dem Hintergrund des § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht unbedenkliche Vorgehensweise des Berufungsgerichts, seine Entscheidung unter pauschaler Bezugnahme auf Verfahren bei dem [X.], an denen der Kläger selbst nicht beteiligt war, zu begründen, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Denn zum einen liegt in einer Bezugnahme auf eine nicht zwischen den Parteien ergangene Entscheidung zu [X.] kein Verstoß gegen § 547 Nr. 6 ZPO, sofern die in Bezug genommene Entscheidung Gegenstand der mündlichen Verhandlung war und die Parteien deshalb Gelegenheit hatten, sich damit auseinanderzusetzen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 1962 - [X.], [X.]Z 39, 333, 346 mwN zu § 551 Nr. 7 ZPO aF). Dies ist entgegen der Auffassung der Revision der Fall. Der Kläger hatte wegen der Bezugnahme schon im Hinweis hinreichend Gelegenheit zu einer Auseinandersetzung; er hat in der Gegenerklärung auch keine Einwände gegen die Bezugnahme erhoben. Zum anderen zeigt die Revision eine Entscheidungserheblichkeit des gerügten Rechtsverstoßes im Sinne des § 545 Abs. 1 ZPO nicht auf. Ebenso wenig ist unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens ersichtlich, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des [X.] nicht umfassend berücksichtigt und geprüft hat.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zutreffend einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der [X.] wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Götz

      

Rensen     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 593/22

20.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 29. März 2022, Az: 28 U 6425/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.02.2024, Az. VIa ZR 593/22 (REWIS RS 2024, 1366)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1366

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

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