Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 19.05.2017, Az. 16 Sa 1502/16

16. Kammer | REWIS RS 2017, 10593

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münter vom 15.11.2016, Az. 3 Ca 727/16, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung von Auslagen zusteht, die er für ein auf Anordnung des Landratsamtes C eingeholtes psychiatrisches Gutachten aufgewendet hat.

Der 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Mitarbeiter im Geld- und Werttransport beschäftigt. Er wurde zuletzt auf den Einsatzfahrzeugen der Beklagten als Fahrer bzw. Bote eingesetzt. Der Fahrer hat dabei die Aufgabe, das Fahrzeug zu fahren und während der Bote das Fahrzeug entlädt, zwingend im Fahrzeug zu verbleiben. Der Bote hat sodann das Geld bzw. die Wertsachen, welche in einem Koffer mit Sicherheitssystemen befindlich sind, vom Auto zum Kunden bzw. vom Kunden zum Auto zu befördern.

Dem Kläger ist durch das zuständige Landratsamt C gem. § 28 Abs. 3 WaffG die Erlaubnis erteilt worden, in Ausübung seiner Tätigkeit für die Beklagte eine auf die Beklagte eingetragene Schusswaffe (Revolver / Pistole) zu führen. Die Erlaubnis gilt nur in Verbindung mit der Kopie des Waffenscheins der Beklagten und verliert ihre Gültigkeit mit der Beendigung der Tätigkeit für die Beklagte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Erlaubnis vom 01.09.2014 (Bl. 55 d. A.) Bezug genommen.

Im Rahmen einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht Münster erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2015, dass er derzeit wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig sei. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung übersandte die Beklagte an das Landratsamt C, welches den Kläger mit Schreiben vom 25.02.2016 zum beabsichtigten Widerruf seiner Erlaubnis zum Führen von Waffen anhörte. Zur Begründung führte es aus, aufgrund der vorliegenden Unterlagen bestehe Grund für die Annahme, dass der Kläger psychisch krank sei und somit nicht mehr über die persönliche Eignung zum Besitz der waffenrechtlichen Erlaubnis verfüge. Da die persönliche Eignung eine zwingende Voraussetzung für die Waffentrageerlaubnis sei, habe der Kläger gem. § 6 Abs. 4 WaffG i. V. m. § 4 Abs. 1 AWaffV auf eigene Kosten ein amts- oder fachärztliches Zeugnis erstellen zu lassen und dem Landratsamt bis zum 31.03.2016 vorzulegen. Verweigere er die Untersuchung oder reiche er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht ein, werde man auf seine Nichteignung schließen und seine Waffentrageerlaubnis widerrufen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Anhörungsschreiben vom 25.02.2016 (Bl. 21 – 22 d. A.) verwiesen.

Für die Erstellung des Gutachtens, nach welchem der Kläger aus psychiatrischer Sicht die persönliche Eignung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzt und kein weiterer Handlungsbedarf besteht, hat der Kläger 759,57 € aufgewandt. Mit der vorliegenden Klage verlangt er von der Beklagten die Erstattung dieses Betrages.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Beklagte habe die ihm entstandenen Kosten in analoger Anwendung von § 670 BGB zu erstatten. Es handele sich um Aufwendungen, die er im Interesse der Beklagten gemacht habe. Es sei nämlich im Interesse der Beklagten, wenn er auf den Geld- und Werttransporten eingesetzt werden kann, was das Tragen einer Schusswaffe erforderlich mache. Die ihm erteilte Erlaubnis berechtige ihn ausschließlich, in Ausübung seiner Tätigkeit für die Beklagte eine auf diese eingetragene Schusswaffe zu führen. Über das Arbeitsverhältnis zur Beklagten hinausgehende Berechtigungen oder sonstige Vorteile beinhalte die Erlaubnis nicht. Insbesondere könne er die Erlaubnis nicht für einen anderen Arbeitgeber nutzen.

Die Aufwendungen habe er auch auf Veranlassung der Beklagten, bzw. auf deren „Wunsch“ hin gemacht. Diese habe das Protokoll der Kammersitzung, ohne ihn vorher zu informieren, an das zuständige Landratsamt weitergeleitet. Hierfür habe keine Veranlassung bestanden, zumal sein Hausarzt bereits am 30.11.2015 bescheinigt habe, dass sich sein psychischer Zustand deutlich verbessert habe und bezüglich des Tragens einer Waffe keine Einschränkungen festgestellt werden könnten.

Ein Erstattungsanspruch ergebe sich zudem aus § 11 Abs. 4 des kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit anwendbaren Mantelrahmentarifvertrages für Sicherheitsdienst- leistungen in der Bundesrepublik Deutschland vom 30.08.2011, gültig ab dem 01.01.2012. Danach trage der Arbeitgeber die Kosten für die Erteilung eines Waffenscheins. Schließlich werde der Erstattungsanspruch auch auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt. Es sei bei der Beklagten üblich, dass sie die entstehenden Kosten im Zusammenhang mit waffenrechtlichen Erlaubnissen übernehme.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 759,57 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2016.

Die Beklagte hat beantragt,

                            die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe kein Erstattungsanspruch zu. Die Begutachtung sei keineswegs auf ihren Wunsch hin erfolgt. Sie habe der zuständigen Behörde aufgrund der ihr obliegenden Meldepflicht lediglich den Sachverhalt hinsichtlich des Klägers mitgeteilt. Welche Maßnahmen die Behörde dann ergreife, obliege einzig und allein dieser und entziehe sich dem Einfluss der Beklagten. Das Gutachten sei entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht in ihrem Interesse erstellt worden, sondern im eigenen Interesse der zuständigen Aufsichtsbehörde und im Interesse des Klägers. Eine Pflicht zur Tragung sämtlicher Kosten im Zusammenhang mit der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis zum Führen von Waffen folge weder aus tarifvertraglichen Regelungen noch aus anderen Bestimmungen. Bei entsprechender behördlicher Anordnung habe vielmehr der Kläger als „Betroffener“ i. S. v. § 6 Abs. 2 WaffG i. V. m. § 4 AWaffV auf seine Kosten ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis vorzulegen. Die Kosten für die Erteilung der Waffentrageerlaubnis würden von ihr getragen, nicht aber die Kosten der Waffensachkundeprüfung oder etwaiger Gutachten.

Mit Urteil vom 15.11.2016 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe vorliegend nicht zum Zwecke der Ausführung des Arbeitsauftrags, also in Erfüllung des Arbeitsverhältnisses Aufwendungen gemacht. Der Nachweis der Eignung nach psychischer Erkrankung folge vielmehr aus öffentlich-rechtlicher Verpflichtung nach dem Waffengesetz. Die eigene Arbeitsfähigkeit müsse der Kläger im Verhältnis zur Beklagten auf eigene Kosten herstellen. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 11 Abs. 4 des Mantelrahmentarifvertrages, da es nicht um die Kosten für die Erteilung eines Waffenscheins gehe. Schließlich ergebe sich auch kein Anspruch nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Beklagte auch bei anderen Mitarbeitern lediglich die Kosten der ersten Ausstellung der Waffentrageerlaubnis übernommen habe, nicht aber Gutachterkosten.

Gegen das ihm am 17.11.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 19.12.2016 Berufung eingelegt und diese mit einem am 17.01.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, die verauslagten Gutachterkosten seien im Interesse der Beklagten gemacht worden. Die Waffentrageerlaubnis liege in deren Interesse, weil sie ihn aus versicherungstechnischen Gründen nur bei deren Vorliegen im Wertsachentransport einsetzen könne. Anders als bei der persönlichen Fahrerkarte eines Lkw-Fahrers, die auch bei anderen Arbeitgebern genutzt werden könne, sei dies bei der Waffentrageerlaubnis gerade nicht der Fall. Diese sei vielmehr an das konkrete Arbeitsverhältnis gebunden und könne nur vom Arbeitgeber beantragt werden. Es gehe vorliegend entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch nicht um die Herstellung der eigenen Arbeitsfähigkeit, sondern um die Überprüfung einer behördlichen Erlaubnis, die nur für das konkrete Arbeitsverhältnis Geltung beanspruche. Bereits aus diesen Gründen könne die Waffentrageerlaubnis nicht zur selbstverständlichen Einsatzpflicht des Arbeitnehmers gehören. Schließlich sei § 11 Abs. 4 des Mantelrahmentarifvertrages für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland vom 30.08.2011 dergestalt auszulegen, dass der Arbeitgeber für sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis zum Führen von Waffen aufzukommen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 15.11.2016 – 3 Ca 727/16 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 759,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

                            die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien richtig bewertet. Letztlich habe der Kläger durch seinen eigenen Vortrag einer nicht näher beschriebenen psychischen Erkrankung selbst die Überprüfung der waffenrechtlichen Eignung veranlasst. Er habe davon ausgehen müssen, dass sie bei derart Besorgnis erregenden Mitteilungen / Erkenntnissen nicht untätig bleibt und ihren Sorgfaltspflichten nachkommen wird. Zur selbstverständlichen Einsatzpflicht gehöre vorliegend – korrespondierend mit der eigenen Arbeits- bzw. Einsatzfähigkeit – die persönliche Eignung zum Umgang mit Waffen und Munition. Die tarifliche Regelung sei nicht einschlägig. Sie beziehe sich ausschließlich auf die Erteilung eines Waffenscheins; die Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG werde offenkundig nicht erfasst.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A)               Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 BGB form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

B)               Die Berufung ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der aufgewandten Kosten für das psychiatrische Gutachten ergibt sich weder aus tarifvertraglichen Regelungen noch aus § 670 BGB analog.

I.               Der Kläger kann den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht mit Erfolg auf § 11 Abs. 4 des Mantelrahmentarifvertrages für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland vom 30. August 2011, gültig ab dem 01. Januar 2012, stützen. Dieser Tarifvertrag ist bereits von seinem fachlichen Geltungsbereich her nicht einschlägig.

1.               Die Beklagte ist nach dem zutreffenden Vortrag des Klägers überwiegend im Bereich Geld- und Werttransporte tätig. Während diese Sicherheitsdienstleistungen vom fachlichen Geltungsbereich des bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Mantelrahmentarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland erfasst wurden, sind sie in § 1 des ab dem 01. Januar 2012 gültigen Mantelrahmentarifvertrags ausdrücklich aus dem fachlichen Geltungsbereich herausgenommen worden. Die Herausnahme erfolgte vor dem Hintergrund, dass seit dem 01. Januar 2012 für Geld- und Wertdienste und / oder Geld- und Werttransporte eigene tarifliche Regelungen vereinbart wurden. So haben die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e. V. und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zunächst in einer Protokollnotiz vom 27. Dezember 2011 vereinbart, dass der Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe vom 01. Dezember 2006 für die Geld- und Wertdienste bis zum Inkrafttreten eines eigenständigen Bundesmanteltarifvertrages Geld- und Wert weiterhin Gültigkeit hat. Mit Wirkung zum 01. Januar 2014 ist dann die Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland vom 11. November 2013, geschlossen zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e. V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di., in Kraft getreten. In § 2 dieser Rahmenvereinbarung ist bestimmt, dass zunächst alle bis zum 31. Dezember 2013 für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen gültigen oder nachwirkenden regionalen Tarifverträge und der Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 01. Dezember 2006 für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen ab dem 01. Januar 2014 weitergelten, sofern in der Rahmenvereinbarung nichts anderes bestimmt ist.

2.               Hiervon ausgehend könnte sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch allenfalls aus § 2 der Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland vom 11. November 2013 in Verbindung mit § 11 Abs. 5 des Mantelrahmentarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 01. Dezember 2006 ergeben. Dort ist, inhaltsgleich mit der vom Kläger angeführten Regelung in § 11 Abs. 4 des Mantelrahmentarifvertrages für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland vom 30. August 2011 bestimmt, dass der Arbeitgeber die Kosten für die Erteilung eines Waffenscheins trägt. Des Weiteren kann von einer Anwendbarkeit dieser Regelung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit ausgegangen werden, da der Kläger nach seinem unstreitigen Vortrag Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist und die Beklagte nach den Angaben in ihrem Internetauftritt Mitglied in der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e. V.

II.               Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 11 Abs. 5 des Mantelrahmentarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 01. Dezember 2006.

1.               § 11 Abs. 5 des Mantelrahmentarifvertrages regelt nach seinem Wortlaut die Pflicht des Arbeitgebers, die Kosten für die Erteilung eines Waffenscheins zu tragen. Dabei haben die Tarifvertragsparteien weder definiert, was unter einem Waffenschein im Sinne der tariflichen Regelung zu verstehen ist, noch welche Kosten im Einzelnen vom Arbeitgeber zu tragen sind.

2.               Geht man davon aus, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff „Waffenschein“ ausschließlich einen Waffenschein im Sinne von § 10 Abs. 4 WaffG gemeint haben, wäre die tarifliche Regelung bereits nicht einschlägig. Dem Kläger ist kein Waffenschein nach § 10 Abs. 4 WaffG erteilt worden, sondern eine Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG.

3.               Die dem Kläger nach § 28 Abs. 3 WaffG erteilte Erlaubnis kann allerdings als Waffenschein im Sinne von § 11 Abs. 5 des Mantelrahmentarifvertrages angesehen werden.

a)               Gegen die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff „Waffenschein“ ausschließlich einen Waffenschein nach § 10 Abs. 4 WaffG gemeint haben, spricht bereits der Umstand, dass dann für die tarifliche Regelung überhaupt kein Anwendungsbereich verbliebe. Wie sich aus den Bestimmungen des Waffengesetzes und insbesondere aus § 28 WaffG ergibt, wird der eigentliche Waffenschein nach § 10 Abs. 4 WaffG dem Bewachungsunternehmer erteilt, und nicht den bei ihm beschäftigten Wachpersonen. Diese erhalten vielmehr nur eine Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG, in Ausübung ihrer Tätigkeit eine auf den Unternehmer eingetragene Schusswaffe zu führen. Wollte man diese Erlaubnis nicht als Waffenschein im Sinne der tariflichen Regelung ansehen, liefe diese komplett ins Leere, da ein Waffenschein nach § 10 Abs. 4 WaffG für die Arbeitnehmer weder beantragt noch erteilt wird.

b)               Die Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG kann auch begrifflich ohne weiteres als Waffenschein im Sinne der tariflichen Regelung verstanden werden. Nach § 10 Abs. 4 WaffG ist unter dem Begriff Waffenschein „die Erlaubnis zum Führen einer Waffe“ zu verstehen. Eine solche Erlaubnis wird aber auch nach § 28 Abs. 3 WaffG erteilt. Die Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG berechtigt den Kläger, in Ausübung seiner Tätigkeit für die Beklagte eine auf die Beklagte eingetragene Schusswaffe zu führen.

4.               Auch wenn die Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG demnach als Waffenschein im Sinne von § 11 Abs. 5 des Mantelrahmentarifvertrages anzusehen ist, gehören die vom Kläger verauslagten Kosten für die Einholung des psychiatrischen Gutachtens nicht zu den Kosten für die Erteilung eines Waffenscheins.

a)               Eine direkte Anwendung von § 11 Abs. 5 des Mantelrahmentarifvertrages scheidet vorliegend aus. Dem Kläger sind keine „Kosten für die Erteilung eines Waffenscheins“ entstanden. Die Kosten für die Erteilung des Waffenscheins sind von der Beklagten getragen worden. Der Kläger hat vielmehr Kosten im Zusammenhang mit dem drohenden Widerruf der (zuvor auf Kosten der Beklagten) erteilten Erlaubnis aufgewendet. Dieser Sachverhalt lässt sich damit zumindest nicht direkt unter § 11 Abs. 5 des Mantelrahmentarifvertrages subsumieren.

b)               Eine analoge Anwendung von § 11 Abs. 5 des Manteltarifvertrages scheidet vorliegend ebenfalls aus. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit dieser Regelung eine allgemeine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für alle behördlich geforderten Dokumente und Nachweise des Arbeitnehmers vereinbaren wollten, und zwar unabhängig davon, ob sie im Zusammenhang mit der Erteilung einer Erlaubnis oder aber dem Widerruf einer bereits auf Kosten des Arbeitgebers erteilten Erlaubnis stehen, sind nicht ersichtlich. Zwar mögen Sinn und Zweck von § 11 des Mantelrahmentarifvertrages darauf gerichtet sein, Arbeitnehmer von bestimmten Kosten freizustellen, die ihnen regelmäßig auf Grund des Arbeitsverhältnisses entstehen. Vorliegend geht es aber zum einen nicht um Kosten, die den Arbeitnehmern regelmäßig entstehen. So haben beide Parteien übereinstimmend vorgetragen, dass ihnen kein einziger Fall bekannt sei, in dem die zuständige Behörde von einem über 25-jährigen die Beibringung eines psychiatrischen Gutachtens verlangt habe. Insofern geht es um außergewöhnliche Kosten, die gerade nicht regelmäßig anfallen. Zum anderen lässt sich ein Regelungswille der Tarifvertragsparteien, die Arbeitnehmer generell von allen Kosten freizustellen, nicht feststellen. Dagegen spricht schon § 11 Abs. 2 des Mantelrahmentarifvertrages, wonach die Kosten für das Unterrichtungsverfahren und die Sachkundeprüfung gemäß § 34a der Gewerbeordnung vom Arbeitnehmer zu tragen sind. Hier sind die Tarifvertragsparteien offenbar davon ausgegangen, dass die Erfüllung und der Nachweis der persönlichen Voraussetzungen für die Erbringung der geschuldeten Tätigkeit zur „selbstverständlichen Einsatzpflicht“ des Arbeitnehmers zählt und die hierbei entstehenden Kosten daher von diesem zu tragen sind. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien eine allgemeine Erstattungspflicht für behördlich geforderte Dokumente und Nachweise des Arbeitnehmers vereinbaren wollten. Dies gilt vorliegend umso mehr, als es auch hier um den Nachweis der persönlichen Voraussetzungen, nämlich den Nachweis der persönlichen Eignung i. S. v. § 6 WaffG geht.

c)               Der Mantelrahmentarifvertrag enthält auch keine Regelungslücke, die von den Gerichten für Arbeitssachen geschlossen werden könnte. Dabei kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien die Frage der Kostentragung für die Beibringung eines Gutachtens im Zusammenhang mit dem drohenden Widerruf eines Waffenscheins bewusst nicht geregelt haben oder ob sie diese Frage nicht erkannt und deshalb   ungeregelt gelassen haben. Im Falle einer bewussten Regelungslücke sind die Gerichte zu einer Lückenfüllung nicht befugt, weil hierin ein Eingriff in die Tarifautonomie läge. Im Falle einer unbewussten Regelungslücke scheidet eine Lückenfüllung aus, wenn mehrere Möglichkeiten der Lückenschließung bestehen. Dies ist vorliegend der Fall, da sich die Tarifvertragsparteien sowohl für eine als auch gegen eine Erstattungspflicht entscheiden könnten.

III.               Der Kläger hat gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen aus einer analogen Anwendung von § 670 BGB.

1.               Nach § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz der Aufwendungen des Beauftragten verpflichtet. Diese Bestimmung findet auf einen Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, entsprechende Anwendung. Wer im Interesse des Arbeitgebers und auf dessen Wunsch Aufwendungen macht, die durch keine Vergütung abgegolten werden, kann Ersatz dieser Aufwendungen verlangen. Dabei wird durch die Vergütungszahlung regelmäßig nur das ausgeglichen, was zur selbstverständlichen Einsatzpflicht des Arbeitnehmers bei der Arbeit gehört Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2007 – 9 AZR 170/07 -).

2.               Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein Aufwendungsersatzanspruch des Klägers in analoger Anwendung von § 670 BGB nicht anzuerkennen.

a)               Das Bundesarbeitsgericht hat für die Bewertung der Interessenlage u. a. darauf abgestellt, wem der Gesetzgeber eine Beschaffungspflicht zugewiesen hat. Das zum Ersatz der Aufwendungen gehörige Interesse des Arbeitgebers kann sich nach dieser Rechtsprechung aus den gesetzlichen Beschaffungsvorschriften ergeben (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. August 1985 – 7 AZR 199/83 -; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2007 – 9 AZR 170/07 -).

aa)               Die Frage, wer die Erlaubnis / Zustimmung nach § 28 Abs. 3 WaffG zu beantragen hat, ist eindeutig geregelt. Nach § 28 Abs. 3 WaffG sind Wachpersonen, die auf Grund eines Arbeitsverhältnisses Schusswaffen des Erlaubnisinhabers nach dessen Weisung besitzen oder führen sollen, der zuständigen Behörde zur Prüfung zu benennen und die Zustimmung der Behörde einzuholen. Dabei hat die Benennung, wie sich aus § 28 Abs. 3 S. 1 HS. 2 WaffG ergibt, durch den Bewachungsunternehmer, und damit durch den Arbeitgeber zu erfolgen. Die Zustimmung zu beantragen hat demnach der Arbeitgeber.

bb)               Allerdings kann der Arbeitgeber die Zustimmung nur erlangen, wenn der Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung erfüllt. Nach § 28 Abs. 3 S. 3 WaffG ist die Zustimmung zu versagen, wenn die Wachperson nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 WaffG erfüllt, also nicht die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und persönliche Eignung (§ 6 WaffG) besitzt oder die erforderliche Sachkunde nicht nachgewiesen hat (§ 7 WaffG).

Bestehen Zweifel an der persönlichen Eignung, hat die zuständige Behörde „dem Betroffenen“ nach § 6 Abs. 2 und 4 WaffG i. V. m. § 4 AWaffV auf seine Kosten die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses aufzugeben. Gleiches gilt nach § 45 WaffG, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen und daher einen Widerruf der Erlaubnis rechtfertigen. „Betroffener“ im Sinne dieser Regelungen kann im Zusammenhang mit der Erteilung oder dem Widerruf einer Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG aber nur die jeweilige Wachperson und damit der Arbeitnehmer sein. Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass es gerade nicht um die Zuverlässigkeit und Eignung des Bewachungsunternehmers als Inhaber des Waffenscheins nach § 10 Abs. 4 WaffG geht, sondern um die Zuverlässigkeit und Eignung der Wachperson, die nach § 28 Abs. 3 WaffG benannt wurde. Zum anderen ist der Bewachungsunternehmer als Arbeitgeber regelmäßig gar nicht in der Lage, ggf. auch gegen den Willen des Arbeitnehmers ein Gutachten in Auftrag zu geben und der Behörde vorzulegen.

cc)               Nach den Bestimmungen des Waffengesetzes ist damit der Arbeitnehmer für den Nachweis der persönlichen Voraussetzungen, nämlich der erforderlichen Zuverlässigkeit, der persönlichen Eignung und der erforderlichen Sachkunde zuständig. Dies spricht zunächst einmal gegen eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers und dafür, in dem Nachweis der persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis eine selbstverständliche Einsatzpflicht des Arbeitnehmers zu sehen, so dass er auch die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten zu tragen hat.

b)               Hierfür spricht auch die unterschiedliche Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien.

aa)               Im Fall der Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG ist die Bestimmung, in wessen Interesse die Beschaffung der Erlaubnis vorrangig liegt, nicht eindeutig zu beantworten. Zwar kann der Arbeitnehmer regelmäßig darauf verweisen, dass die Erlaubnis auf Wunsch des Arbeitgebers und allein für einen Einsatz im Rahmen des Arbeitsverhältnisses eingeholt wurde. Der Arbeitgeber hat ein betriebliches Interesse daran, dass seine Arbeitnehmer über die für das Führen einer Schusswaffe erforderliche Erlaubnis verfügen. Andererseits hat aber auch der Arbeitnehmer ein eigenes Interesse an der Erlangung und der Beibehaltung der Erlaubnis. Ohne die Erlaubnis könnte er die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht anbieten. Jedenfalls überwiegt das Interesse der Beklagten nicht so weit, dass das Interesse des Klägers völlig vernachlässigt werden könnte.

bb)               Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht daraus, dass die Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG ausschließlich für ein konkretes Arbeitsverhältnis ausgestellt wird, mit der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses automatisch seine Gültigkeit verliert und von Kläger daher nicht für andere Arbeitsverhältnisse genutzt werden kann. Denn dies gilt nur für die konkret erteilte Erlaubnis nach § 28 Abs. 3 WaffG, nicht aber für den Nachweis der persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis. Die einmal abgelegte Sachkundeprüfung nach § 7 WaffG und der erfolgte Nachweis der Zuverlässigkeit und Eignung nach §§ 5 und 6 WaffG kann für beliebig viele Arbeitsverhältnisse genutzt werden. Insbesondere muss der Kläger nicht für weitere oder spätere Arbeitsverhältnisse jeweils erneut eine Sachkundeprüfung ablegen und seine Zuverlässigkeit und persönliche Eignung durch Vorlage eines psychologisches Gutachten nachweisen. Diese Nutzbarkeit für weitere Arbeitsverhältnisse stellt ein gewichtiges Argument gegen eine Pflicht zur Kostenerstattung dar. Aus Sicht der Kammer ist daher zwischen den Kosten für die Erteilung der Zustimmung nach § 28 Abs. 3 WaffG, d. h. den in diesem Zusammenhang anfallenden Gebühren und Kosten, und den Kosten für den Nachweis der persönlichen Voraussetzungen zu unterscheiden. Erstere sind nach § 11 Abs. 5 des Mantelrahmentarifvertrages vom Arbeitgeber zu tragen, letztere vom Arbeitnehmer; dass der Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis und damit für die Erbringung der geschuldeten Tätigkeit erfüllt und ggf. auf behördliche Anforderung nachweist, gehört zu dessen „selbstverständlichen Einsatzpflicht“.

Differenziert man demnach zwischen den Kosten für die Erteilung eines Waffenscheins und den Kosten für den Nachweis der persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Waffenscheins, gehören die vom Kläger aufgewendeten Kosten für das psychologische Gutachten nicht zu den Kosten für die Erteilung des Waffenscheins. Diese Kosten dienten vielmehr dem Nachweis seiner persönlichen Eignung.

IV.               Der Umstand, dass letztlich die Beklagte das Widerrufsverfahren durch Übersendung des Protokolls der Kammerverhandlung an die zuständige Behörde in Gang gesetzt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere kann hieraus nicht geschlossen werden, die Begutachtung sei auf Wunsch der Beklagten erfolgt. Hier übersieht der Kläger, dass die Beklagte selbst Inhaberin des Waffenscheins nach § 10 Abs. 4 WaffG ist und daher auch ihre Zuverlässigkeit und Eignung regelmäßig überprüft wird. Will sie verhindern, dass die für ihren Betrieb zwingend erforderliche Erteilung des Waffenscheins nicht widerrufen wird, ist sie geradezu gezwungen, die zuständige Behörde umgehend zu informieren, wenn sie von Umständen Kenntnis erlangt, die möglicherweise Zweifel an der persönlichen Eignung eines ihrer Mitarbeiter zum Führen einer Schusswaffe begründen. Ob und ggf. welche Maßnahmen dann von der Behörde ergriffen werden, liegt allein in deren Zuständigkeit.

V.               Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

VI.               Die Kammer hat die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Meta

16 Sa 1502/16

19.05.2017

Landesarbeitsgericht Hamm 16. Kammer

Urteil

Sachgebiet: Sa

Zitier­vorschlag: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 19.05.2017, Az. 16 Sa 1502/16 (REWIS RS 2017, 10593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10593

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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