Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2023, Az. VIa ZR 817/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 9123

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des [X.] vom 31. Mai 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungsanträge zu I, zu [X.] und zu [X.] zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin erwarb am 21. März 2017 für 28.000 € ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug [X.], das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

3

Die Klägerin hat u.a. behauptet, die [X.] erfolge unter Verwendung eines die Abgasreinigung betreffenden Thermofensters. Sie hat die Auffassung vertreten, darin und in weiteren Vorrichtungen lägen unzulässige Abschalteinrichtungen. Das [X.] hat die im Wesentlichen auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises abzüglich des Werts der gezogenen Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, Zahlung von [X.], Feststellung des Annahmeverzugs und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Berufungsanträge mit Ausnahme des die [X.] betreffenden Antrags zu II weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet

:

6

Die Klägerin habe eine die Haftung nach §§ 826, 31 BGB begründende, sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch die Beklagte nicht dargetan. Allein in der nicht bestrittenen Verwendung eines Thermofensters liege eine solche nach der Rechtsprechung des [X.] nicht. Für die übrigen behaupteten Abschalteinrichtungen lägen jeweils keine Anhaltspunkte vor. Aus § 823 Abs. 2 BGB ergebe sich kein Anspruch der Klägerin als Fahrzeugkäuferin, weil der geltend gemachte Schaden nicht in den Schutzbereich als verletzt in Frage kommender Bestimmungen falle.

II.

7

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

8

1. Die Revision ist allerdings nicht schon ohne weiteres deshalb begründet, weil der Zurückweisungsbeschluss, was einen von Amts wegen beachtlichen Verfahrensmangel darstellte und grundsätzlich zur Aufhebung und Zurückverweisung führen müsste (vgl. [X.], Urteil vom 19. Juli 2023  [X.] 201/22, [X.] 2023, 613 Rn. 16; Urteil vom 24. Juli 2023 ­ [X.] 752/22, NJW 2023, 3010 Rn. 8), den Vorgaben der § 522 Abs. 2 Satz 4, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht genügte. Zwar muss auch ein mit der Nichtzulassungsbeschwerde angreifbarer Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO  gegebenenfalls mit dem Hinweisbeschluss  zumindest sinngemäß erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat ([X.], Urteil vom 12. Juni 2018 - [X.]/16, juris Rn. 6 mwN). Eine wörtliche Wiedergabe der [X.], an der es hier fehlt, ist aber nicht erforderlich. Der Zurückweisungsbeschluss muss mit Rücksicht auf das eröffnete Rechtsmittel lediglich den Gegenstand des Berufungsverfahrens erkennen lassen. Hier hat das Berufungsgericht noch ausreichend den Gegenstand des Berufungsverfahrens in einer für die Zwecke eines anschließenden Rechtsmittelverfahrens genügenden Weise dargestellt.

9

2. Es begegnet überdies keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

3. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgeschlossen hat. Wie der [X.] nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]­FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023  [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.;  III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023  [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Der Zurückweisungsbeschluss ist daher im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil er sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO.

Insbesondere kann der [X.] entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und nach Maßgabe des [X.] vom 26. Juni 2023 ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023  [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 59 ff.) ein Verschulden der Beklagten nicht ausschließen. Zwar müssen der objektive und der subjektive Tatbestand einer Pflichtverletzung zeitlich zusammenfallen (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 2007  II ZR 234/05, [X.]Z 171, 46 Rn. 8) und kommt es für die Frage, ob der Beklagten ein [X.] gemacht werden kann, insoweit nur zusätzlich noch auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 61; Urteil vom 16. Oktober 2023  [X.] 1511/22, juris Rn. 12 f.). Dass zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs, wie die Revisionserwiderung geltend macht, keine Zweifel an der Zulässigkeit von [X.] bestanden hätten, sondern erst durch die spätere Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] begründet worden seien, ließe  selbst wenn der Einwand der Revisionserwiderung zuträfe  das Verschulden indessen nicht entfallen. Dass sich ein Hersteller nicht ohne weiteres und gestützt auf eine zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr oder weniger verbreitete Auffassung von der Zulässigkeit bestimmter Abschalteinrichtungen entlasten kann, hat der [X.] entschieden und näher dargelegt ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 69; zu den Anforderungen an die Darlegung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums außerdem [X.], Urteil vom 25. September 2023  [X.] 1/23, [X.] 2023, 2064 Rn. 13 ff.). Dass ein [X.] durch von der Klägerin gezogene Vorteile vollständig aufgezehrt sei, ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.

Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

  

Möhring     

  

Götz

  

Rensen     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 817/22

04.12.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 31. Mai 2022, Az: 18 U 5734/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2023, Az. VIa ZR 817/22 (REWIS RS 2023, 9123)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9123

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 234/05

VII ZR 412/21

III ZR 267/20

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