Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.07.2017, Az. I R 86/15

1. Senat | REWIS RS 2017, 8161

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Gegenstand

(Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG 2002 i.d.F. des Korb II-Gesetzes kein rückwirkendes Ereignis - Ausübung des Veranlagungswahlrechts von Ehegatten)


Leitsatz

Weder die Einführung des Blockwahlrechts in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG 2002 i.d.F. des Korb II-Gesetzes noch die entsprechende Wahlrechtsausübung stellen ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 233a Abs. 2a i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 27. Oktober 2015  6 K 3368/13 [X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine [X.]G, war 2001 (Streitjahr) Organträgerin der [X.]. [X.]m 10. [X.]pril 2002 reichte die Klägerin ihre Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --F[X.]--) ein, der hierauf den Körperschaftsteuerbescheid vom 22. [X.]pril 2003 erließ. Dabei wurden bei der Klägerin u.a. negative Einkünfte der [X.] in Höhe von ... DM berücksichtigt und die Körperschaftsteuer zunächst auf 0 € festgesetzt.

2

[X.]b 2002 wurde durch § 14 [X.]bs. 3 des [X.] ([X.]) 1999 i.d.[X.] bei der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuergesetze (Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz) vom 19. Dezember 2001 ([X.], 3922, [X.], 32) --[X.] 1999 n.F.-- bestimmt, dass § 14 [X.]bs. 1 [X.] auf Organgesellschaften, die Lebens- oder Krankenversicherungen sind, nicht mehr anzuwenden ist. Mit [X.]rt. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (Korb II-Gesetz) vom 22. Dezember 2003 ([X.], 2840, [X.], 14) --[X.] 2002 n.F.-- wurde in § 34 [X.]bs. 7 Satz 8 Nr. 2 [X.] ein sog. Blockwahlrecht mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eingeführt. Der Gesetzgeber räumte insoweit in Satz 1 der Vorschrift den Lebens- und Krankenversicherungen die Möglichkeit ein, zeitlich befristet bis zum 30. Juni 2004 auf [X.]ntrag unwiderruflich und einheitlich für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 den § 8b [X.]bs. 8 [X.] in der in § 34 [X.]bs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 [X.] 2002 n.F. aufgeführten Fassung anzuwenden. Nach der insoweit in Bezug genommenen Fassung des § 8b [X.]bs. 8 Sätze 1 und 6 [X.] 2002 n.F. waren Bezüge, Gewinne und Gewinnminderungen zu 80 % anzusetzen und negative Einkünfte der Organgesellschaft aus dem Rückwirkungszeitraum nicht durch Organschaft dem Organträger gemäß § 14 [X.]bs. 1 [X.] zuzurechnen.

3

Unter dem 6. Mai 2004 bat die Klägerin das F[X.] um [X.]npassung der Steuerveranlagung für das Streitjahr und wies u.a. darauf hin, dass [X.] von ihrem Blockwahlrecht Gebrauch mache. [X.] beantragte am 17. Juni 2004, beim F[X.] eingehend am 22. Juni 2004, in [X.]usübung dieses Blockwahlrechts u.a. die [X.]nwendung des § 8b [X.]bs. 8 [X.] i.d.F. des § 34 [X.]bs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 [X.] 2002 n.F. für die Jahre 2001 bis 2003.

4

Mit Bescheid vom 4. [X.]ugust 2004 änderte das F[X.] daraufhin die Körperschaftsteuerfestsetzung des [X.] nach § 164 [X.]bs. 2 der [X.]bgabenordnung ([X.]) im Schätzungswege entsprechend den [X.]ngaben der Klägerin und setzte auf Grundlage der Körperschaftsteuernachzahlung für das Streitjahr in dem Bescheid über Zinsen vom 4. [X.]ugust 2004 für die [X.] vom 1. [X.]pril 2003 bis 9. [X.]ugust 2004 Nachzahlungszinsen gemäß § 233a [X.] in Höhe von ... € fest, die von der Klägerin durch [X.]bbuchung vom 13. September 2004 gezahlt wurden.

5

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Die Zinsen für 2001 seien auf 0 € festzusetzen, weil [X.] erst durch [X.]usübung des Blockwahlrechts rückwirkend aus der körperschaftsteuerlichen Organschaft der Klägerin herausgefallen sei. In der [X.]usübung des Blockwahlrechts liege ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.], denn die belastenden Folgen der Gesetzesänderung in 2002 seien nicht zwangsläufig eingetreten, sondern erst durch die [X.]usübung des steuerlichen Wahlrechts in 2004. Damit beginne der [X.] erst zum 1. [X.]pril 2006. Dem folgte das F[X.] nicht und erließ im [X.]nschluss an Betriebsprüfungen bei [X.] und der Klägerin einen weiteren Änderungsbescheid, mit dem es die Zinsen zur Körperschaftsteuer 2001 auf nunmehr ... € festsetzte.

6

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg ([X.], Urteil vom 27. Oktober 2015  6 K 3368/13 [X.], Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2016, 532).

7

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie beantragt sinngemäß, unter [X.]ufhebung des Urteils des [X.] vom 27. Oktober 2015  6 K 3368/13 [X.] sowie der Einspruchsentscheidung des F[X.] vom 28. [X.]ugust 2013 den Bescheid vom 20. [X.]ugust 2013 dahingehend zu ändern, dass der [X.], soweit die Körperschaftsteuerfestsetzung auf der Berücksichtigung der [X.]usübung des Blockwahlrechts beruht, am 1. [X.]pril 2006 beginnt.

8

Das F[X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass das [X.] zu Recht gegenüber der Klägerin auf der Grundlage der Körperschaftsteuernachzahlung für die [X.] vom 1. April 2003 bis 23. August 2013 Nachzahlungszinsen gemäß § 233a [X.] in Höhe von insgesamt ... € (davon auf die Ausübung des Blockwahlrechts entfallender Teil-Betrag ... €) festgesetzt hat.

1. Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Zinsen u.a. dann festzusetzen, wenn die Festsetzung der Körperschaftsteuer zu einem Unterschiedsbetrag i.S. des Abs. 3 der Vorschrift führt. Nach § 233a Abs. 3 Satz 1 [X.] ist insoweit als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung maßgebend die festgesetzte Steuer vermindert um die anzurechnenden [X.], die anzurechnende Körperschaftsteuer und die bis zum Beginn des [X.] festgesetzten Vorauszahlungen. Von diesen Grundsätzen ist im [X.] vom 20. August 2013 das [X.] ausgegangen, hat die Verzinsung auf die von der Klägerin erhaltenen Steuererstattungen unter Berücksichtigung der anzurechnenden Beträge vorgenommen und haben die Beteiligten insoweit keine Einwendungen erhoben.

2. Nach § 233a Abs. 2 Satz 1 [X.] beginnt der [X.] grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, hier also am 1. April 2003, für die nach § 30 Nr. 3 [X.] mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 2001 entstandene Körperschaftsteuer.

3. Mit dem [X.] war im Streitfall kein Teil-Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 2a [X.]. Abs. 7 Satz 1 [X.] für die Verzinsung der Körperschaftsteuer, die auf den Folgen der Ausübung des Blockwahlrechts und damit dem Wegfall der Zurechnung der Verluste der Organgesellschaft beruhte, zu berechnen.

a) Nach § 233a Abs. 2a [X.] beginnt der [X.], soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 [X.]) beruht, abweichend von Abs. 2 Satz 1 und 2  15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. In einem derartigen Fall ist der für die Zinsberechnung maßgebliche Unterschiedsbetrag in der Weise zu ermitteln, dass er in [X.] mit jeweils gleichem [X.]beginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der [X.] zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten [X.]beginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 [X.]).

b) Indessen stellt weder die Einführung des Blockwahlrechts in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 [X.] 2002 n.F. noch die entsprechende Wahlrechtsausübung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 233a Abs. 2a [X.]. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] dar.

aa) Die Frage, ob der nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich in § 233a Abs. 2a [X.], nicht anders als in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] --[X.]-- vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, [X.], 66, [X.] 1993, 897), allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht. Für das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses kommt es im Streitfall sonach auf die zugrunde liegende körperschaftsteuerliche Rechtslage an (vgl. Senatsurteil vom 18. Mai 1999 I R 60/98, [X.], 542, [X.] 1999, 634).

bb) Die Bezugnahme auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 [X.] in dem in § 233a Abs. 2a [X.] enthaltenen Klammerzusatz beschränkt sich insoweit auf die Voraussetzung des rückwirkenden Ereignisses; sie bedeutet nicht, dass auch die verfahrensrechtlichen Erfordernisse dieser Vorschriften erfüllt sein müssten (Senatsurteil in [X.], 542, [X.] 1999, 634). Dafür spricht nicht nur der Wortlaut, der von der "Berücksichtigung" des rückwirkenden Ereignisses spricht ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 233a [X.] Rz 32) und nicht auf die Anwendung einer bestimmten Korrekturvorschrift abhebt. Für die angesprochene Auslegung spricht vielmehr auch der Sinn und Zweck des § 233a Abs. 2a [X.]. Der unterschiedliche Beginn des [X.] in § 233a Abs. 2 [X.] einerseits und in § 233a Abs. 2a [X.] andererseits beruht auf dem Gedanken, dass ein rückwirkendes Ereignis zu Gunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung noch nicht berücksichtigt werden konnte und daher weder der Steuerpflichtige noch das [X.] vor Eintritt des rückwirkenden Ereignisses einen Liquiditätsvor- oder -nachteil erlitten hat, den zu kompensieren das Ziel des § 233a [X.] ist (vgl. Senatsurteile in [X.], 542, [X.] 1999, 634; vom 17. Februar 2010 I R 52/09, [X.] 229, 1, [X.] 2011, 340). Der Gesetzgeber wollte mit der Neuschaffung von § 233a Abs. 2a und 7 [X.] insoweit lediglich gewissen [X.] und "Gerechtigkeitslücken" begegnen, die die bisherige, grober typisierende Regelungslage mit sich gebracht hatte (Senatsurteil in [X.], 542, [X.] 1999, 634). Es erscheint daher nicht gerechtfertigt, einen Nachzahlungs- oder Erstattungsanspruch, soweit er auf dem rückwirkenden Ereignis beruht, schon für den [X.]raum vor Eintritt des rückwirkenden Ereignisses zu verzinsen (vgl. Senatsurteil in [X.] 229, 1, [X.] 2011, 340).

cc) Mit dem [X.] liegen indessen die (materiellen) Voraussetzungen eines rückwirkenden Ereignisses i.S. des § 233a Abs. 2a [X.]. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] bezogen auf die Einführung des Blockwahlrechts in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 [X.] 2002 n.F. bzw. die entsprechende Wahlrechtsausübung nicht vor.

aaa) Der Begriff "Ereignis" umfasst alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge; dazu rechnen nicht nur solche mit ausschließlich rechtlichem Bezug, sondern auch tatsächliche Lebensvorgänge (Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.] 172, 66, [X.] 1993, 897). Ein solches Ereignis wirkt steuerlich in die Vergangenheit, wenn an Stelle des zuvor verwirklichten nunmehr der veränderte Sachverhalt der Besteuerung zu unterwerfen ist. Ein nachträgliches Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung muss demgemäß zu einer Änderung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat, und nicht nur zu einer veränderten rechtlichen Beurteilung des nämlichen Sachverhalts (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.] 172, 66, [X.] 1993, 897; [X.]-Urteil vom 9. August 1990 [X.], [X.] 162, 355, [X.] 1991, 55).

bbb) Nach diesen Maßstäben ist in der bloßen rückwirkenden Änderung steuerrechtlicher Vorschriften bereits deshalb kein rückwirkendes Ereignis zu sehen, weil sich dadurch der dem Steuertatbestand zugrunde liegende Lebenssachverhalt nicht ändert. Eine rückwirkende Änderung steuerrechtlicher Vorschriften gestaltet nicht den bereits bestandskräftig geregelten Einzelfall i.S. der §§ 118 Satz 1, 155 [X.] (den Sachverhalt), sondern wirkt lediglich auf die rechtlichen Grundlagen eines solchen Steuerverwaltungsakts ein ([X.]-Urteil in [X.] 162, 355, [X.] 1991, 55).

ccc) Auch die Ausübung des Blockwahlrechts nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 1 [X.] 2002 n.F. stellt kein rückwirkendes Ereignis dar.

(1) Zwar liegt insoweit ein rechtlich bedeutsamer Lebensvorgang vor, weil durch die entsprechende Antragstellung (hier durch Antrag der A vom 17. Juni 2004) die in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 1 [X.] 2002 n.F. geregelten Rechtsfolgen in Form der Anwendung des § 8b Abs. 8 Satz 6 [X.] in der in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 [X.] 2002 n.F. festgehaltenen Fassung ausgelöst wurden. Dieses Ereignis ist auch erst nach der Entstehung der Körperschaftsteuer und der Entscheidung des [X.] über den Erlass des zu ändernden Steuerbescheides und damit nachträglich eingetreten.

(2) Auch die Antragstellung am 17. Juni 2004 führte aber nicht zu einer rückwirkenden Sachverhaltsänderung, sondern zielte nur auf eine Veränderung der dem bereits verwirklichten Sachverhalt zuzuordnenden Rechtsfolgen. Der Antrag schaffte mithin keine neue Sachverhaltslage; vielmehr erfüllte der unveränderte Lebenssachverhalt weiterhin --wie bereits vor Stellung des [X.] den Tatbestand des § 14 Abs. 1 [X.] 1999 n.F. Demgemäß ist auch § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 1 [X.] 2002 n.F. lediglich auf die Nichtanwendbarkeit der Rechtsfolge des § 14 Abs. 1 [X.] 1999 n.F. für 2001 gerichtet.

(3) Es ist zwar zutreffend, dass durch die Einführung des sog. Blockwahlrechts (§ 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 [X.] 2002 n.F.) verhindert werden sollte, dass die Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und die Versicherungsnehmer gravierende wirtschaftliche Nachteile aufgrund der negativen Börsenentwicklung in den Jahren 2001 bis 2003 erleiden. Deshalb sollten sie nach der Vorstellung der Fraktionen der [X.] und [X.] in Form eines Wahlrechts die Möglichkeit erhalten, § 8b Abs. 8 [X.] 2002 n.F. bereits in den vorgenannten Jahren anzuwenden (vgl. BTDrucks 15/1684, S. 8). Obgleich sich der Finanzausschuss des [X.] diese Erwägungen nicht zu eigen gemacht und die Empfehlung abgegeben hatte, die [X.] so anzupassen, dass keine zusätzlichen Steuerausfälle entstehen könnten (vgl. [X.] 735/1/03, [X.]), haben sich die vorgenannten Vorstellungen sodann im Vermittlungsausschuss (wieder) durchgesetzt (vgl. BTDrucks 15/2243, [X.]).

(4) Es ist indessen nicht Aufgabe einer allgemeinen Korrekturregelung, eine generelle Antwort darauf zu geben, ob ein Ereignis ausnahmsweise --entgegen dem grundsätzlich im Steuerrecht geltenden [X.] in die Vergangenheit zurückwirken darf; dies ist vielmehr den speziellen Normen des materiellen Steuerrechts vorbehalten ([X.]-Urteil in [X.] 162, 355, [X.] 1991, 55). Zu diesen Normen gehören zwar auch die Vorschriften, welche die zeitliche Geltung bestimmter abgabenrechtlicher Regelungen festlegen (hier: § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 1 [X.] 2002 n.F.). Ob und inwieweit es zweckmäßig, erlaubt und geboten ist, bestandskräftige Steuerbescheide in eine Rückwirkungsanordnung einzubeziehen, kann im Interesse des durch Bestandskraft und Rechtskraft gesicherten Vertrauensschutzes aber nicht abstrakt und allgemein, sondern nur von Fall zu Fall für jede Gesetzesänderung gesondert entschieden werden (vgl. die Senatsurteile vom 7. Oktober 1964 I 294/62 U, [X.] 80, 508, [X.]I 1964, 657, und vom 28. Oktober 1964 I 143/64 S, [X.] 81, 542, [X.]I 1965, 196). Die gesetzgeberische Entscheidung muss im Gesetzestext selbst Ausdruck finden; insbesondere müssen etwaige gesetzgeberische Rückwirkungsanordnungen eindeutig sein. Die Einbeziehung bestandskräftig (oder rechtskräftig) abgeschlossener Fälle in die Rückwirkung muss sich deshalb unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, entweder aus dem Zusammenwirken einer speziellen Korrekturregelung und einer entsprechenden materiellen Rückwirkungsanordnung oder aber dadurch, dass die spezialgesetzliche Rückwirkungsanordnung die Durchbrechung der Bestandskraft (bzw. der Rechtskraft) ausdrücklich mit einschließt ([X.]-Urteil in [X.] 162, 355, [X.] 1991, 55).

(5) So liegt indessen der Streitfall nicht, denn weder existiert eine spezielle Korrekturregelung im Körperschaftsteuergesetz noch enthält § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 1 [X.] 2002 n.F. eine ausdrückliche Aussage zur Durchbrechung der Bestandskraft (ebenso [X.], [X.], 3. Aufl., § 8b Rz 616; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 8b Rz 556; [X.] in Dötsch/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b [X.] Rz 468; a.[X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 8b [X.] Rz 405). Der Gesetzgeber räumte insoweit in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 1 [X.] 2002 n.F. zwar den Lebens- und Krankenversicherungen die Möglichkeit ein, zeitlich befristet bis zum 30. Juni 2004 auf Antrag des Steuerpflichtigen "unwiderruflich und einheitlich für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 (Rückwirkungszeitraum)" den § 8b Abs. 8 [X.] in der in Satz 2 aufgeführten Fassung anzuwenden. Der Klammerzusatz gibt indessen keinen hinreichenden Anhalt, dass damit auch eine Bestandskraftdurchbrechung ausgesprochen werden sollte. Auch aus dem Umstand, dass das Wahlrecht "einheitlich" ausgeübt werden muss, kann dies nicht abgeleitet werden, denn die einheitliche Ausübung des Blockwahlrechts sollte lediglich gewährleisten, dass der Steuerpflichtige in den Jahren 2001 bis 2003 nicht zwischen den unterschiedlichen Rechtslagen zu § 8b [X.] wechselt. Eine weitergehende Aussage vermag der [X.] nicht zu entnehmen; auch insoweit fehlt es an einer eindeutigen gesetzlichen Anordnung zur Bestandskraftdurchbrechung.

ddd) Die Klägerin kann sich ferner nicht auf die Rechtsprechung des [X.] zu anderen steuerlichen Wahlrechten berufen, weil auch insoweit darauf abzustellen ist, ob die das jeweilige Wahlrecht einräumende Norm die Bestandskraftdurchbrechung eindeutig anordnet. Das gilt insbesondere, soweit die Klägerin die Auffassung vertreten hat, das Blockwahlrecht stehe der gemeinsamen (zulässigen) Ausübung des Veranlagungswahlrechts der Ehegatten im Sinne der Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes gleich. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass es sich bei der Ausübung des Veranlagungswahlrechts nicht nur um eine Verfahrenshandlung oder rein formelle Voraussetzung für die Berücksichtigung eines steuerlich relevanten Sachverhalts, sondern um ein (zusätzliches) Merkmal des gesetzlichen Besteuerungstatbestands handelt, das unmittelbar rechtsgestaltend und nachträglich auf die Steuerschuld einwirkt (vgl. [X.]-Beschluss vom 12. August 2015 III B 50/15, [X.]/NV 2015, 1670).

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 86/15

12.07.2017

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 27. Oktober 2015, Az: 6 K 3368/13 AO, Urteil

§ 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO, § 233a Abs 2a AO, § 8b Abs 8 KStG 2002, § 34 Abs 7 S 8 Nr 2 KStG 2002, § 26 Abs 1 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.07.2017, Az. I R 86/15 (REWIS RS 2017, 8161)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8161

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