Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.12.2023, Az. 5 StR 460/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 9682

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und einen [X.] von drei Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe bestimmt. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung der Unterbringungsentscheidung; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum 1. Oktober 2023 in [X.] getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werden durch das Urteil nicht hinreichend belegt. Dabei kann dahinstehen, ob sich aus den Feststellungen ein Hang des Angeklagten im Sinne der Neufassung von § 64 Satz 1 StGB ergibt und ob sie die Annahme tragen, dass die abgeurteilten Taten wie nunmehr erforderlich überwiegend auf diesen Hang zurückgehen (vgl. zum neuen Maßstab [X.], Beschlüsse vom 25. Oktober 2023 – 5 [X.]; vom 7. November 2023 – 5 StR 345/23). Denn jedenfalls fehlt es an einer Erfolgsaussicht der Maßregel im Sinne des § 64 Satz 2 StGB. Danach darf eine Anordnung nur ergehen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten ist, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

3

Das [X.] hat sich zu dieser Frage der Einschätzung der psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen, wonach die Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche Therapierung des Angeklagten günstig seien, auch wenn dieser sich in der Hauptverhandlung nicht zu seiner Therapiemotivation geäußert habe. So habe der nun 30-jährige Angeklagte erst im Alter von 27 Jahren [X.] konsumiert und bisher keine Drogentherapie absolviert, zudem sei er in [X.] – seinem Wohnort – verwurzelt. Eine tatsachenbasierte konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel ist hierdurch jedoch nicht belegt (vgl. hierzu nur [X.], Beschluss vom 4. Oktober 2023 – 6 [X.]/23).

4

Hinzu kommt, dass sich die Urteilsgründe mit dort mitgeteilten prognoseungünstigen Faktoren nicht auseinandersetzen. So hat die [X.] vor der Hauptverhandlung eine Verschonung des Angeklagten vom Vollzug der Untersuchungshaft widerrufen, weil er der Weisung, sich um eine ambulante oder stationäre Drogentherapie zu bemühen, nur unzureichend nachgekommen ist. Zudem hat er sich gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen dahin geäußert, „eigentlich nicht in die Entziehungsanstalt“ zu wollen, über die er sich zuvor bereits informiert hatte, sondern „dann doch lieber eine Haftstrafe“. Selbst wenn das Fehlen eines Therapiewillens eine Unterbringung nach § 64 StGB nicht grundsätzlich hindert, so liegt darin doch ein gegen die Erfolgsaussicht der Entwöhnungsbehandlung sprechendes gewichtiges Indiz. Um gleichwohl von der Erwartung eines Therapieerfolgs im Sinne des § 64 Satz 2 StGB ausgehen zu können, hätte es schon nach der bisherigen Rechtsprechung zu den nach früherem Recht niedrigeren Anforderungen für die Erfolgsprognose (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 48, 70) einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände unter Einschluss dieses Gesichtspunkts bedurft (vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 11. Oktober 2022 – 5 StR 274/22; vom 30. Juli 2019 – 2 [X.], NStZ-RR 2020, 71), an der es insoweit fehlt.

5

Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

[X.]     

      

Ri[X.] Gericke ist im
Urlaub und kann nicht
unterschreiben.

      

Mosbacher

      

      

[X.]

      

      

      

Resch     

      

     Werner     

      

Meta

5 StR 460/23

05.12.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 23. Mai 2023, Az: 501 KLs 9/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.12.2023, Az. 5 StR 460/23 (REWIS RS 2023, 9682)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9682

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 370/23 (Bundesgerichtshof)


5 StR 593/23 (Bundesgerichtshof)


5 StR 499/23 (Bundesgerichtshof)


5 StR 194/23 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung eines betäubungsmittelabhängigen Straftäters in einer Entziehungsanstalt: Feststellung des Hangs und Beurteilung der Erfolgsaussicht einer …


4 StR 349/22 (Bundesgerichtshof)

Zeitpunkt des "Hangs" bei Unterbringung in Entziehungsanstalt


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.