Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2011, Az. V ZR 17/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2746

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V [X.]
Verkündet am:

30. September 2011

Langendörfer-Kunz

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 313 Abs. 1
a)
Der Anspruch der durch eine Störung der Geschäftsgrundlage benachteilig-ten [X.] auf [X.]sanpassung verpflichtet die andere [X.], an der An-passung mitzuwirken. Wird die Mitwirkung verweigert, kann die benachteilig-te [X.] auf Zustimmung zu der als angemessen erachteten Anpassung
oder unmittelbar auf die Leistung klagen, die sich aus dieser Anpassung ergibt.
b)
Die Verletzung der Verpflichtung, an der Anpassung des [X.], kann Schadensersatzansprüche nach §
280 Abs.
1 [X.] auslösen. Zu einem Rücktritt vom [X.] berechtigt sie die benachteiligte [X.] nur unter den Voraussetzungen des §
313 Abs. 3 [X.].

[X.], Urteil vom 30. September 2011 -
V [X.] -
OLG Hamm

[X.]

-
2 -

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die
mündliche Verhandlung vom 30.
September
2011
durch [X.] [X.], die
Richterin Dr.
Stresemann, den
Richter Dr.
[X.] und die Richterinnen
Dr.
[X.] und [X.]
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des [X.] vom 13. Dezember 2010 aufge-hoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 12. Juli 2010 wird [X.].
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zi-vilkammer des [X.] vom 12. Juli 2010 geän-Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 18. Februar 2010 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

-
3 -

Tatbestand:
Mit notariellem [X.] vom 4. November 2008 verpflichtete sich der [X.],
eine unvermessene Fläche "von ca. 28.699
m²", welche auf einem dem [X.] beigefügten Lageplan eingezeichnet ist,
an die klagende Stadt
zu über-tragen. Als Gegenleistung übertrug
die Stadt ein 28.699
m² großes Flurstück an den Beklagten. Ferner verpflichtete sie sich, einen
auf einem Grundstück des Beklagten gelegenen Weg in näher bestimmtem Umfang in
Bitumen herzustel-len. Unter der Überschrift "Mangelhaftung"
schlossen die [X.]en Rechte we-gen eines Sachmangels aus und hielten ferner fest, dass wechselseitig keine Garantie für Größe, Güte und Beschaffenheit des jeweiligen Kaufgegenstandes übernommen werde.
Die
Vermessung der in dem Lageplan eingezeichneten
Fläche ergab
ei-ne Größe von nur 18.632 m². Die Klägerin forderte daraufhin den Beklagten, welcher zwischenzeitlich als Eigentümer der an ihn veräußerten
Fläche in das Grundbuch eingetragen worden
war, zu einer Anpassung des [X.]es auf. Nachdem der Beklagte weder dem
Anpassungsvorschlag der Klägerin
zuge-stimmt noch einen anderen Vorschlag unterbreitet hatte, erklärte diese
im Ja-nuar 2010 den Rücktritt vom [X.].
Die Klägerin verlangt die Rückauflassung des an den Beklagten übertra-genen
Grundstücks, hilfsweise die Zahlung von 18.120,60

als Wertausgleich, sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Der Beklagte will im Wege der Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Herstellung des Weges in Bitumen erreichen.
Das [X.] hat dem Antrag auf Rückübertragung
stattgegeben; die weitergehende Klage (Anwaltskosten) und die Widerklage hat es abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] die Klage abgewie-1
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-
4 -

sen und der Widerklage stattgegeben; die wegen der vorgerichtlichen Anwalts-kosten eingelegte Anschlussberufung
der Klägerin
ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag und den Antrag auf Zurückweisung der Widerklage in vollem
Umfang weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revi-sion.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht
hält den [X.] für wirksam, insbesondere die Leistung der Klägerin für ausreichend bestimmt. Die an den Beklagten zu über-tragende Fläche sei anhand der mitbeurkundeten Planzeichnung eindeutig zu identifizieren. Die Klägerin sei auch nicht wegen Fehlens der [X.] oder wegen eines Sachmangels berechtigt, vom [X.] zurückzutreten. Die Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage werde durch die speziel-leren
Regelungen
des
Sachmängelrechts verdrängt. Diese begründeten im konkreten Fall aber
keinen Anspruch, weil die [X.]en nicht nur eine Haftung für Sachmängel ausgeschlossen, sondern ferner vereinbart hätten, dass sie wechselseitig keine Garantie für die Größe des jeweiligen [X.] übernähmen. Angesichts dessen
könne in der Größenangabe "ca. 28.699 m2"
keine Vereinbarung einer Sollbeschaffenheit gesehen werden. Aufgrund der fortbestehenden Wirksamkeit des [X.] sei die Klägerin zu dem vereinbarten Ausbau des Weges verpflichtet. Ersatz vorgerichtlicher Anwalts-kosten könne die Klägerin schon mangels zugrundeliegenden Hauptanspruchs nicht verlangen.
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-
5 -

II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1.
Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dass der zwischen den [X.]en geschlossene [X.] nicht wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit
der an die Klägerin
verkauften Teilfläche
unwirksam ist.
Entgegen der Ansicht der Revision kommen
der schriftlichen Größenan-gabe ("ca. 28.699 m²")
im Text des [X.]es und der zeichnerischen [X.] in dem Lageplan, die eine Fläche von nur 18.632 m² umfasst, keine gleich-rangige Bedeutung mit der Folge zu, dass das Vereinbarte wegen der daraus folgenden Unbestimmtheit seines Inhalts keine Bindung zu erzeugen vermag (§§
145, 147
[X.]; vgl. Senat, Urteil vom 23. April 1999 -
V
ZR 54/98, NJW-RR 1999, 1030; Urteil vom 23. November 2001 -
V
ZR 282/00, [X.], 202). Wird bei dem Verkauf einer noch nicht vermessenen Grundstücksfläche der [X.]sgegenstand -
wie hier -
in der notariellen Urkunde sowohl durch eine bestimmte Grenzziehung in einem maßstabsgerechten Plan als auch durch eine als ungefähr bezeichnete Flächenmaßangabe bestimmt, geht der objektive
Inhalt
der Verkäufer-
und der Käufererklärung in der Regel dahin, dass bei [X.] zwischen der bezifferten und der der Grenzziehung entsprechenden umgrenzten Flächengröße die Bezifferung ohne Bedeutung und die Umgren-zung allein maßgeblich ist (Senat, Urteil
vom 30. Januar 2004 -
V
ZR 92/03, NJW-RR 2004, 735; Urteil vom 13. Juni 1980 -
V
ZR 119/79, [X.], 1013, 1014; Urteil vom 15. März 1967 -
V
ZR
60/64, [X.], 489). So liegt es auch hier.
Der Einwand der Revision, der Klägerin sei es auf ein [X.] 1:1 und damit auf die Größe der an sie
zu übertragenden Fläche angekommen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die unzutreffende Vorstellung
der Kläge-7
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rin, die in dem Plan eingezeichnete Fläche entspreche -
zumindest annähernd
-
der Flächenangabe im [X.]stext, ändert nichts daran, dass ihr
objektiv er-klärter
Wille
dahin ging, die in dem Plan eingezeichnete und auf dieser [X.] zu vermessenden
Fläche zu erwerben. Dass diese Erklärung von einem Irrtum bei der
Willensbildung beeinflusst war,
ist für die
Bestimmung des Leis-tungsgegenstands
ohne Bedeutung.

2. Rechtsfehlerhaft ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne sich wegen dieses Irrtums nicht auf einen Wegfall der [X.] gemäß §
313 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 [X.] berufen.
a) Richtig ist zwar, dass §
313 [X.] im Anwendungsbereich der Sach-mängelhaftung nicht herangezogen werden kann, da andernfalls
die den [X.] der §§
437
ff. [X.] zugrunde liegende Risikoverteilung über die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage verändert würde
(vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2008 -
III
ZR 200/07, [X.], 615, 616
sowie Senat, Urteil vom 7.
Februar 1992 -
V
ZR 246/90, [X.]Z 117, 159, 162 mwN
zu dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Schuldrecht). Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen einer
Mängelhaftung im Einzelfall -
etwa aufgrund eines wirksamen Haftungsausschlusses
-
nicht vorliegen.
b) Allerdings besteht der Vorrang nur insoweit, als der maßgebliche Um-stand überhaupt geeignet ist, Sachmängelansprüche auszulösen (vgl. Senat, Urteil vom 7. Februar 1992 -
V
ZR 246/90, [X.]O, [X.]). Das trifft auf die Grö-ßenangabe
einer unvermessenen Teilfläche
im [X.]stext nicht zu, wenn die verkaufte Fläche, wie hier,
auf einem maßstabsgerechten und mitbeurkundeten Plan eingezeichnet worden ist. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusam-menhang zutreffend erkennt, bestimmt sich die zu
übertragende Fläche in ei-nem solchen Fall nämlich allein nach der mitbeurkundeten Planzeichnung. Das 11
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hat zur Folge, dass sich
auch die Sollbeschaffenheit des Grundstücks hinsicht-lich Lage, Zuschnitt und Größe nach der Zeichnung richtet. Mit der herausge-messenen Fläche von 18.632 m² erhält die Klägerin mithin den [X.] in der vereinbarten Beschaffenheit; ein Sachmangel liegt gerade nicht vor.
Ebenso verhielt es sich in der Entscheidung des Senats vom 30. Januar 2004 (V
ZR 92/03, NJW-RR 2004, 735), welche Anlass für die Revisionszulas-sung durch das Berufungsgericht gegeben hat. Auch dort konnte die im [X.] von 4000 m² nicht Grundlage von [X.] sein, weil sich der Kaufgegenstand (einschließlich seiner Sollbeschaf-fenheit) allein nach der Eintragung der Fläche in einem Lageplan richtete. Ver-mochte die Abweichung der bezifferten von der zeichnerisch dargestellten [X.] aber keinen Sachmangel zu begründen, war der
Rückgriff auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht durch die Vorschriften über die Sachmängelhaftung gesperrt.
3. a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
steht auch der wechselseitige vertragliche Ausschluss der Sachmängelhaftung und einer Ga-rantie für die Größe, Güte und Beschaffenheit der Grundstücke
einem An-spruch wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht entgegen. Zwar ist §
313 [X.] nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung der Geschäftsgrundlage ein Risiko verwirklicht, das nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risi-kobereich einer
der [X.]en fällt
([X.],
Urteil vom 21.
September 2005 -
XII
ZR 66/03, [X.], 899, 901; Urteil vom 16.
Februar 2000 -
XII
ZR 279/97, NJW
2000, 1714, 1716; Senat, Urteil vom 1.
Juni 1979 -
V
ZR 80/77, [X.]Z 74, 370, 373). So verhält es hier aber nicht.
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8 -

Nach den im Berufungsurteil in Bezug genommenen
und mangels förm-licher Gegenrüge auch für
das Revisionsverfahren zugrunde
zulegenden Fest-stellungen des [X.]s ist Geschäftsgrundlage die Annahme der [X.]en bzw. die dem Beklagten erkennbar gewordene und von ihm nicht beanstandete Vorstellung der Klägerin geworden, dass die zu tauschenden
Grundstücke [X.] annähernd dasselbe
Flächenmaß haben. Objektiver Ausdruck dessen
ist die Angabe der Größe der an die Klägerin zu übertragenden unvermesse-nen Fläche im [X.]stext ("ca. 28.699 m²"), die der ebenfalls in den [X.] aufgenommenen Größe des als Gegenleistung an den Beklagten zu übereig-nenden Grundstücks (28.699 m²) entspricht. Die maßgebliche Annahme [X.] sich dabei allerdings
nicht auf eine bestimmte Beschaffenheit des [X.] Grundstücks, sondern auf das Flächenverhältnis der Grundstücke zuei-nander und damit auf das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung
([X.] 1:1).
Das
Risiko einer erheblichen Verschiebung dieses
Äquivalenzverhältnis-ses
-
sei es zu Lasten der Klägerin,
sei es zu Lasten des Beklagten, wenn die in den Plan eingezeichnete Fläche deutlich größer als angenommen gewesen wäre
-
ist durch den Ausschluss jeglicher Mängelansprüche nicht der hierdurch benachteiligten [X.]spartei auferlegt worden. Einer solchen Annahme steht bereits entgegen, dass es
sich bei der Differenz zwischen der bezifferten und der der Grenzziehung im Lageplan entsprechenden Flächengröße
weder um einen Sachmangel noch um die Abweichung von einer bestimmten Beschaf-fenheit handelt
(vgl. oben II.
2. b). Der Ausschluss darauf bezogener Rechte enthält
also keine Aussage darüber, wer das Risiko einer Störung des ange-strebten Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung tragen sollte.
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9 -

b) Ebenso wenig kommt es darauf an, dass
die Vorstellung, die in dem
Lageplan ausgewiesene
Fläche entspreche 28.699 m² und damit der Größe des von der Klägerin
an den Beklagten tauschweise zu übereignenden Grund-stücks, auf einen Fehler im Verantwortungsbereich der Klägerin bei der [X.] in den Lageplan zurückgehen dürfte. Ansprüche wegen beiderseiti-gen Irrtums über die für die Preisbildung maßgeblichen Umstände
setzen nicht voraus, dass die Fehlvorstellung auf Seiten des Anspruchstellers unverschuldet ist; auch führt der Umstand, dass eine zur Geschäftsgrundlage erhobene feh-lerhafte Berechnung, Bewertung oder sonstige Einschätzung von einer der [X.] stammt, grundsätzlich nicht dazu, dass der anderen [X.] eine Anpas-sung des [X.]es von vornherein unzumutbar wäre.

III.
Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben; es ist [X.] (§
562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§
563 Abs. 3 ZPO).
1. Dies führt hinsichtlich des [X.] zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückauflassung des dem Beklagten übertragenen Grundstücks entsprechend §
346
Abs.
1 [X.] zu, da sie wegen der Störung der Geschäftsgrundlage berechtigt war, den [X.] aufzulösen.
a) Angesichts der dem
Tauschvertrag zugrunde liegenden Vorstellung, beide Grundstücke seien aufgrund übereinstimmender Größe wertgleich

313 18
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21
-
10 -

Abs. 2 [X.]; siehe oben zu
II. 3. a)
und einer Flächendifferenz von mehr als 10.000 m²
-
dies entspricht einer Abweichung von 35
% gegenüber der von den [X.]en zugrunde gelegten Größe
-
ist der Klägerin ein Festhalten
an dem [X.] in seiner ursprünglichen Form nicht zuzumuten, während dem Beklagten ein Abgehen von dem Vereinbarten, beispielsweise durch Rückübertragung eines der Größendifferenz entsprechenden Teils der ihm übertragenen Fläche, angesonnen werden konnte.
b) Obwohl eine Störung der Geschäftsgrundlage
gemäß §
313 Abs.
1 [X.]
in erster Linie zu einem Anspruch auf [X.]sanpassung führt, ist die Klägerin berechtigt, sich von dem [X.] zu
lösen.
[X.]) Dies
folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Beklagte vorpro-zessual die Aufforderungen zu Verhandlungen über eine [X.]sanpassung ignoriert
und die Klägerin daraufhin den Rücktritt vom [X.] erklärt hat.
(1) Zwar kann die Weigerung einer [X.]spartei, dem berechtigten Verlangen der anderen [X.] auf Anpassung des [X.]s zu entsprechen, ausnahmsweise
dazu führen, dass dieser ein weiteres Festhalten an dem un-veränderten [X.]
unzumutbar wird und sie daher zum sofortigen Rücktritt vom [X.] berechtigt ist. Dies kommt insbesondere in Betracht,
wenn [X.] der [X.] unter den als unzumutbar anzuerkennenden Bedingungen [X.] fortgeführt werden und der [X.] noch weitere Nachteile als die bereits entstandenen auf sich nehmen müsste (vgl. [X.], Urteil vom 21.
November 1968 -
VII
ZR 89/66, NJW 1969, 233, 234
für einen Bauvertrag).
Grundsätzlich besteht ein Rücktrittsrecht aber nicht allein deshalb, weil der von einer Störung der Geschäftsgrundlage Begünstigte trotz entsprechen-der (und berechtigter) Aufforderung, die Mitwirkung an einer [X.]sanpas-sung verweigert. Der Rücktritt ist in §
313 Abs.
3 [X.] nur nachrangig
für den 22
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25
-
11 -

Fall
vorgesehen, dass
eine [X.]sanpassung nicht möglich oder einer der [X.]en nicht (mehr) zumutbar ist (vgl. [X.]/Medicus/Stürner, [X.], 6. Aufl., §
313 Rn. 25; [X.]/Hohloch, [X.], 13. Aufl., §
313 Rn. 44). Angesichts der Möglichkeit, den [X.] gerichtlich durchzusetzen, führt
die Weigerung des Begünstigten, an einer [X.]sanpassung mitzuwirken, für sich genommen nicht dazu, dass dem Benachteiligten ein weiteres Festhalten
an dem [X.] und dessen (künftige) Anpassung unzumutbar wird (vgl. [X.]/[X.], [X.], §
313 Rn. 83
sowie
Soergel/[X.], 12. Aufl., §
242 Rn. 268; zur praktischen Durchsetzbarkeit eines Anspruchs auf Verhandlungen siehe
-
für einen Vorvertrag
-
Senat, Urteil vom 12. Mai 2006 -
V
ZR 97/05, [X.], 2843, 2845 Rn. 26).
Auch der Klägerin wäre es zumutbar gewesen, ihren Anspruch auf Anpassung des [X.]es gerichtlich durchzusetzen.
(2) Ein Rücktrittsrecht lässt sich auch nicht auf die Vorschrift des §
323 Abs.
1 [X.] stützen; diese wird durch die
speziellere, vorrangig auf eine [X.] des [X.]es gerichtete
Regelung des §
313 Abs. 3 [X.] ver-drängt (so zutreffend [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., §
313 Rn. 91;
[X.]/[X.], [X.], §
313 Rn.
83
aE; a.[X.]/[X.], [X.], 70. Aufl., §
313 Rn. 41).
[X.]) Auch ohne wirksamen Rücktritt kommt es aber dann zu einer
von der benachteiligten [X.] gewünschten Rückabwicklung des [X.]es,
wenn die Gegenseite im Prozess nur die Voraussetzungen
des §
313 Abs. 1 bzw. Abs.
2 [X.] in Abrede stellt, ohne sich für den Fall, dass das Gericht eine Störung der Geschäftsgrundlage annehmen sollte, gegen die Rückabwicklung des [X.] als deren Rechtsfolge zu wenden. Angesichts der Pflicht, an einer
[X.]sanpassung mitzuwirken, kommt einem solchen Verhalten der objektive Erklärungswert zu, mit dem Vorschlag der Gegenseite (Rückabwicklung) ein-verstanden zu sein (vgl. dazu Senat, Urteil vom 12. Mai 2006 -
V
ZR 97/05, 26
27
-
12 -

[X.], 2843, 2845 Rn.
26). Die in §
313 Abs.
3 [X.] angeordnete Nach-rangigkeit des Rücktritts
steht dem nicht entgegen. Sie beruht auf dem Gedan-ken, dass die Auflösung eines
[X.]es tiefer in die Privatautonomie eingreift als dessen
Anpassung (vgl. [X.]/Medicus/Stürner, [X.], 6. Aufl., §
313 Rn.
25), kommt also nicht zum Tragen, wenn beiden [X.]en nicht (mehr) an einer Aufrechterhaltung des [X.]es gelegen
ist.
So liegt es auch hier. Der Beklagte hat in den Vorinstanzen zwar in Ab-rede
gestellt, dass die Klägerin aus der Flächendifferenz
Rechte herleiten kann, aber für den Fall, dass ein Anspruch nach §
313 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 [X.] be-steht, sich weder
gegen die Auflösung des [X.]es als dessen Rechtsfolge
gewendet noch
die Wirksamkeit des Rücktritts wegen Vorrangs der [X.]sanpassung in Zweifel gezogen.
Die mögliche Bereitschaft des Beklagten zu Zugeständnissen im Rahmen eines auf die Beendigung des Rechtsstreits gerichteten Vergleichs
steht einem
solchen Einwand nicht gleich.
2. Eine abschließende Entscheidung ist auch hinsichtlich der Widerklage und des mit der Anschlussberufung verfolgten Antrags auf Ersatz vorgerichtli-cher Anwaltskosten zu treffen.
a) Die Revision ist insoweit ebenfalls zulässig, da sie unbeschränkt [X.] worden ist. Der Tenor des Berufungsurteils enthält keine Einschränkung. Zwar kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung auch aus den Ent-scheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben. Hierfür dürfen sich die [X.] aber nicht lediglich mit einer Begründung für die Zulassung der [X.] befassen, vielmehr muss aus den Entscheidungsgründen der Wille des Berufungsgerichts, die Revision in bestimmter Hinsicht zu beschränken, klar und eindeutig hervorgehen (Senat, Beschluss vom 29. Januar 2004 -
V
ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366 mwN). Daran
fehlt es hier. In den Entschei-28
29
30
-
13 -

dungsgründen heißt es, die Revision sei vor dem Hintergrund der [X.] vom 30. Januar 2004 (NJW-RR 2004, 735) und der dort nicht ange-nommenen Verdrängung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch die Regelungen des Gewährleistungsrechts erfolgt. Das lässt den Willen zu einer beschränkten Revisionszulassung nicht erkennen. Denn von der [X.], ob sich die Klägerin auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann, hängen auch der mit der Widerklage
verfolgte Anspruch auf Herstellung des Weges und ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Kosten ab. Dass das Berufungsgericht die Zurückweisung der [X.] auch auf einen zweiten, von dem Bestehen eines Rückgewähranspruchs unabhängigen Grund gestützt hat, lässt diesen Zusammenhang
nicht entfallen.
b) Hinsichtlich der Widerklage ist das erstinstanzliche Urteil wiederherzu-stellen. Mit dem Rücktritt vom [X.] ist die Grundlage für die Verpflichtung der Klägerin entfallen, den Weg auf dem Grundstück des Beklagten in Bitumen herzustellen.
c) Auf die Anschlussberufung der Klägerin sind ihr die geltend gemach-ten vorgerichtlichen Anwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu-zuerkennen (§
280 Abs. 1 i.V.m. §
286 [X.]).
[X.]) Nach den Feststellungen des [X.]s ist der Beklagte vorpro-zessual zunächst von der Klägerin selbst aufgefordert worden, an der [X.]sanpassung mitzuwirken. Indem er hierauf nicht reagiert hat, ist der [X.] in Verzug geraten (§
286 Abs.
1 Satz 1 [X.]).
Denn der durch das [X.] vom 26. November 2001
([X.]l.
I S.
3138) einge-führte Anspruch auf [X.]sanpassung nach §
313 Abs. 1 [X.] verpflichtet die durch eine Störung der Geschäftsgrundlage begünstigte [X.]spartei, im Zu-sammenwirken mit der anderen [X.] eine Anpassung des [X.]es herbeizu-31
32
33
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14 -

führen. Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Mitwirkungspflicht, deren Verletzung Schadensersatzansprüche nach §
280 Abs. 1 [X.] auslösen kann (so auch
Palandt/[X.], [X.], 70. Aufl., §
313 Rn. 41; [X.]/
[X.], NJW 2003, 921, 925; [X.], BB 2003, 2697, 2699; einschrän-kend MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
313 Rn. 93).
Der dagegen erhobene Einwand, eine Verhandlungspflicht
könne nicht vollstreckt werden und sei daher abzulehnen (z.B.
[X.]/Medicus/Stürner, [X.], 6.
Aufl., §
313 Rn. 20; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., §
313 Rn. 85; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl. §
313 Rn. 27; [X.]/[X.], [X.], §
313 Rn.
81), überzeugt nicht. Mit dem Anspruch der benachteiligten [X.] auf [X.]sanpassung korrespondiert die Verpflichtung
der begünstigten [X.],
an dieser Anpassung mitzuwirken. Anspruch und Verpflichtung sind zwei Seiten desselben Rechts. Durchgesetzt wird die Mitwirkungspflicht demgemäß durch die gerichtliche Geltendmachung des [X.]s.
Hierzu kann die benachteiligte [X.] eine von ihr formulierte Änderung des [X.]es zum Gegenstand der Klage machen
(vgl. Senat, Urteil vom 12. Mai 2006 -
V
ZR 97/05, [X.], 2843, 2845 Rn.
26 für die aus einem Vorvertrag fol-gende Mitwirkungspflicht) oder aber unmittelbar auf die Leistung klagen, die sich aus der von ihr als angemessen
erachteten [X.]sanpassung ergibt. Letzteres ist nicht nur die Geltendmachung des Anspruchs aus
der Anpassung, sondern zugleich die Durchsetzung des Anspruchs auf Anpassung (ähnlich [X.], 5.
Aufl., §
313 Rn.
70; aA [X.]/Medicus/Stürner, [X.], 6.
Aufl., §
313 Rn. 20).
[X.]) Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin stellte eine durch den Verzug bedingte
und zweckentsprechende
Maßnahme zur Rechts-verfolgung dar. Dass der Anwalt nach einer letztmaligen Aufforderung zur Mit-wirkung bei der [X.]sanpassung
den Rücktritt vom [X.] erklärt und an-34
35
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15 -

schließend mit der Rückauflassung des Grundstücks eine andere Leistung als die angemahnte Leistung von dem Beklagten verlangt hat, ändert nichts daran, dass seine
Inanspruchnahme durch den Verzug des Beklagten bedingt
und zur Durchsetzung der Rechte der Klägerin erforderlich war
(vgl. [X.], Urteil vom 9.
März 2011
-
VIII
ZR 132/10, NJW 2011, 1222, 1224 Rn. 23).

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
91 Abs. 1
und §
97 Abs. 1
ZPO.

Krüger
Stresemann
[X.]

[X.]
[X.]
Vorinstanzen:
[X.],
Entscheidung vom 12.07.2010 -
4 O 66/10 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 13.12.2010 -
I-22 [X.] -

36

Meta

V ZR 17/11

30.09.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2011, Az. V ZR 17/11 (REWIS RS 2011, 2746)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2746

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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