BT-Drucksache 18/9968

Verkäufe von Staatsbürgerschaften durch EU-Staaten

Vom 12. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9968
18. Wahlperiode 12.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Dr. André Hahn, Inge Höger,
Andrej Hunko, Jan Korte, Dr. Alexander S. Neu, Kersten Steinke,
Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Verkäufe von Staatsbürgerschaften durch EU-Staaten

Mehrere EU-Staaten verkaufen ihre Staatsbürgerschaften gegen hohe Geldbe-
träge und Investitionen an Nicht-EU-Ausländer oder vergeben an Investoren und
Immobilienkäufer „goldene Visa“ für langandauernde Aufenthaltsrechte. Um
ihre Staatshaushalte aufzubessern, verkaufen EU-Länder wie Malta und Ungarn
Staatsbürgerschaften an reiche Nicht-EU-Bürger – vorzugsweise aus China,
Russland und den arabischen Staaten. Die Käufer werden gegen Bezahlung zu
EU-Bürgern mit den damit verbundenen Rechten. Sie dürfen sich frei innerhalb
der Union bewegen, Unternehmen gründen, an Wahlen teilnehmen, wohnen und
arbeiten, wo sie wollen und ihre Kinder auf Universitäten innerhalb der EU schi-
cken (www.welt.de/politik/ausland/article131468167/Tausende-Reiche-werden-
gegen-Geld-EU-Buerger.html).
Die Regierung von Malta beschloss Ende des Jahres 2013 ein entsprechendes
Verkaufsprogramm von vorerst 1 800 maltesischen Staatsbürgerschaften. Um
als Nicht-EU-Ausländer eine maltesische Staatsbürgerschaft zu erhalten, müs-
sen 650 000 Euro in einen Staatsfonds eingezahlt werden sowie zusätzlich
350 000 Euro in Immobilien und weitere 150 000 Euro in Staatsanleihen angelegt
werden. Laut dem für die Durchführung des Passprogramms zuständigen Un-
ternehmen Henley & Partners mit Sitz auf der britischen Kanalinsel Jersey
gibt es bereits mehr als 200 Bewerber aus rund 30 Nicht-EU-Ländern
(www.welt.de/politik/ausland/article131468167/Tausende-Reiche-werden-gegen-
Geld-EU-Buerger.html).
Um die Staatsbürgerschaft der Republik Zypern zu erhalten, müssen Interessen-
ten laut der Firma Residency Bond Program Ltd. neben einer Gebühr von
50 000 Euro 2 500 000 Euro in Immobilien anlegen und nach einem möglichen
Verkauf nach drei Jahren noch Immobilienbesitz im Wert von einer halben Mil-
lion Euro auf der Insel behalten (www.residency-bond.eu/cyprus-citizenship.
html).
Einen bulgarischen Pass soll es bei einer Investition von einer halben Million
Euro auch ohne Sprachkenntnisse geben. Großbritannien vergibt bei einer Inves-
tition von einer Million Pfund zunächst ein Visum, nach fünf Jahren unbegrenztes
Aufenthaltsrecht und nach sechs Jahren den Pass. Auch Österreich verkauft EU-
Pässe gegen Millionen-Investitionen (www.welt.de/politik/ausland/article1314
68167/Tausende-Reiche-werden-gegen-Geld-EU-Buerger.html).
Einige Länder bieten statt Staatsbürgerschaften mehrjährige oder sogar lebens-
lange Aufenthaltsrechte an. In Ungarn müssen EU-Ausländer 360 000 Euro ein-
zahlen (von denen sie 300 000 Euro nach fünf Jahren zurückerhalten), um für

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Ehepartner, abhängige Kinder und Eltern eine lebenslange Aufenthaltsgenehmi-
gung zu erhalten (www.residency-bond.eu/residency-bond-program.html).
Auch Portugal, Lettland, Griechenland, Ungarn, Irland und Spanien verkaufen
Aufenthaltsrechte gegen Investitionen und Gebühren (www.welt.de/politik/
ausland/article131468167/Tausende-Reiche-werden-gegen-Geld-EU-Buerger.
html).
Eine Mehrheit der Fraktionen im EU-Parlament kritisiert die Praxis des Handels
mit Staatsbürgerschaften. So wird die Gefahr gesehen, dass Kriminelle durch den
Kauf von Staatsbürgerschaften leicht Zugang nach Europa erhalten. „Es darf nicht
länger so sein, dass reiche Menschen aus Nicht-EU-Ländern sich Staatsbürger-
schaften in der Europäischen Union kaufen können, während die armen Men-
schen, die wegen Hunger und Gewalt aus ihrer Heimat fliehen, im Mittelmeer
ertrinken“, kritisiert die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im EU-
Parlament Dr. Inge Grässle (CDU) im Interview mit der Tageszeitung „Die
Welt“. In einem Entschließungsantrag forderte das EU-Parlament die Kommis-
sion auf, gemeinsame Regeln für die Vergabe der Staatsangehörigkeit aufzustel-
len und zu prüfen, ob das Gesetz der maltesischen Regierung gegen EU-Verträge
verstoße.
Auch die Europäische Kommission sieht die Entwicklung mit Sorgen. Allerdings
haben EU-Mitgliedstaaten bislang die volle Souveränität bei der Entscheidung,
wem sie zu welchen Konditionen ihre Staatsbürgerschaft zugestehen (www.
welt.de/politik/ausland/article131468167/Tausende-Reiche-werden-gegen-Geld-
EU-Buerger.html; www.n-tv.de/politik/EU-ist-machtlos-gegen-Pass-Verkauf-
article12086236.html).
Im Folgenden werden alle Praktiken, in denen EU-Mitgliedstaaten die Vergabe
eines Aufenthaltstitels oder der Staatsbürgerschaft allein oder im Wesentlichen
an den Kauf von Staatsanleihen, Anteilen an Staatsfonds oder Immobilien in fest-
gelegten Größenordnungen koppeln, als „Verkauf“ bezeichnet. Die Fragesteller
bitten die Bundesregierung, die Fragen in diesem Sinne zu beantworten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche EU-Staaten verkaufen nach Kenntnis der Bundesregierung ihre

Staatsbürgerschaften zu welchen Kosten und Bedingungen an Nicht-EU-
Ausländer?
a) Seit wann gelten jeweils die diesbezüglichen Regeln in den einzelnen

Ländern?
b) Wie viele Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger aus welchen Herkunfts-

staaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten fünf Jah-
ren in welchen EU-Staaten von der Möglichkeit des Kaufs einer Staats-
bürgerschaft Gebrauch gemacht?

2. Welche EU-Staaten bieten nach Kenntnis der Bundesregierung gegen welche
Zahlungen oder Investitionen und zu welchen Bedingungen Aufenthaltsge-
nehmigungen für welche Dauer an?
a) Seit wann gelten jeweils die diesbezüglichen Regeln in den einzelnen

Ländern?
b) Wie viele Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger aus welchen Herkunfts-

staaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten fünf Jah-
ren in welchen EU-Staaten von der Möglichkeit des Kaufs einer solchen
Aufenthaltsgenehmigung Gebrauch gemacht?

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3. Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung beim Verkauf von
Staatsbürgerschaften oder Aufenthaltsgenehmigungen in den entsprechen-
den Ländern eine Sicherheitsüberprüfung der Bewerber, um den Verkauf an
Kriminelle auszuschließen (bitte soweit möglich Ausführungen zu Art und
Umfang dieser Überprüfung machen)?

4. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung in den Ländern, die ihre Staatsbür-
gerschaften verkaufen, möglich, diese wieder zu entziehen, wenn die Käufer
bestimmte Straftaten begehen oder sich nach erfolgtem Verkauf der Staats-
bürgerschaft herausstellt, dass beim Kauf bereits vorliegende Straftaten ver-
schwiegen wurden?
Inwiefern gilt die Möglichkeit des Entzugs analog für verkaufte Aufenthalts-
genehmigungen?

5. Wird nach Kenntnis der Bundesregierung die verkaufte Staatsbürgerschaft
regelmäßig als zweite, zusätzliche Staatsbürgerschaft angeboten oder die
Aufgabe der ursprünglichen Staatsbürgerschaft verlangt?

6. Inwieweit und unter welchen Bedingungen ist es in der Bundesrepublik
Deutschland grundsätzlich für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger möglich,
die deutsche Staatsbürgerschaft oder eine Aufenthaltsgenehmigung gegen
Geld oder Investitionen zu erhalten, und in wie vielen und welchen Fällen
wurden solche Regelungen bislang angewandt?

7. Inwieweit und bei welchen EU-Staaten werden nach Kenntnis der Bundes-
regierung die Vermittlung von Staatsbürgerschaften oder Aufenthaltsgeneh-
migungen gegen Geldzahlungen oder Investitionen von Privatfirmen abge-
wickelt?
a) Welche Firmen sind das, und wo ist ihr Sitz?
b) Wer beauftragt diese Firmen jeweils?
c) Welche Vermittlungsgebühren nehmen diese Firmen für ihre Tätigkeiten?
d) Wo und in welcher Form werben diese Firmen Kundinnen und Kunden

für den Kauf von Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsgenehmigungen
an?

8. Inwieweit sieht die Bundesregierung Programme von EU-Staaten zum Ver-
kauf von Staatsbürgerschaften oder Aufenthaltsgenehmigungen grundsätz-
lich kritisch, und welche Risiken oder Gefahren kann sie darin erkennen?

9. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es sich beim Handel
mit Staatsbürgerschaften oder Aufenthaltsgenehmigungen nicht nur um eine
nationale Angelegenheit der jeweiligen EU-Staaten handelt?

10. Inwieweit, wann und mit welchem Ergebnis war der Handel einiger EU-Staa-
ten mit Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsgenehmigungen bereits nach
Kenntnis der Bundesregierung Thema innerhalb von welchen EU-Gremien?

11. Welche Kritik aus dem Europaparlament und der Europäischen Kommission
am Handel mit Staatsbürgerschaften oder Aufenthaltsgenehmigungen durch
einzelne EU-Staaten ist der Bundesregierung bekannt, und welche Schluss-
folgerungen zieht sie daraus?

12. Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es nach Kenntnis der Bundesregie-
rung, um den Handel mit Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsgenehmigun-
gen durch einige EU-Länder zu verhindern oder zu regulieren?

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13. Sieht die Bundesregierung grundsätzlich eine rechtliche Lücke im EU-Recht,

um den Handel mit Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsgenehmigungen zu
verhindern, und wenn ja, welche, und was gedenkt sie zu unternehmen, um
diese Lücke zu schließen?

Berlin, den 11. Oktober 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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