BT-Drucksache 18/9887

Rückstellungen gemäß Bundesberggesetz

Vom 28. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9887
18. Wahlperiode 28.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden),
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rückstellungen gemäß Bundesberggesetz

Der Energiekonzern Vattenfall Europe Sales GmbH ist derzeit dabei, seine
Braunkohlesparte in der Lausitz an die tschechische Holding EPH (Energetický
a Průmyslový Holding) zu verkaufen (vgl. Lausitzer Rundschau vom 30. Septem-
ber 2016). Greenpeace e. V. hat in ihrem jüngsten „Schwarzbuch EPH“ (www.
greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/20160901_greenpeace_
schwarzbuch-eph.pdf) sowohl das Finanzgebaren von EPH genauer untersucht
als auch die rechtliche Situation im Bereich der Rückstellungen und Sicherheits-
leistungen analysiert. Dabei wird nach Auffassung der Fragesteller deutlich, dass
die tschechische Holding den Neukauf zulasten der Steuerzahlerinnen und Steu-
erzahler zu kalkulieren scheint. Mitverantwortlich dafür ist die aktuelle Kann-
Bestimmung zu Sicherheitsleistungen in § 56 Absatz 2 des Bundesberggesetzes
(BBergG), die besagt: „Die zuständige Behörde kann die Zulassung von der Leis-
tung einer Sicherheit abhängig machen, soweit diese erforderlich ist, um die Er-
füllung der in § 55 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 13 und Absatz 2 genannten
Voraussetzungen zu sichern.“

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Belastungen für öffentliche

Haushalte im Zuge des Verkaufs der Vattenfall-Braunkohlesparte in der Lau-
sitz an die tschechische Holding EPH infolge zu geringer und nicht vollstän-
dig gesicherter Rückstellungen entstehen könnten (bitte begründen), und
wenn nein, mit Kosten in welcher Höhe ist zu rechnen?

2. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell noch die Möglichkeit für
den Bund oder für die betroffenen Länder Brandenburg und Sachsen, die
Veräußerungen von Bergwerkseigentum im öffentlichen Interesse zu versa-
gen, z. B. durch die §§ 22, 23 BBergG, wenn ja, welche, und wenn nein,
warum nicht?

3. Wird § 56 Absatz 2 BBergG im aktuellen Verkaufsfall nach Kenntnis der
Bundesregierung zum Einsatz kommen (bitte begründen)?

4. Welche finanziellen Risiken können dem Bund und den Ländern entstehen
für den Fall, dass die Sicherheitsleistung nicht verlangt wird?

5. Wie hoch kalkuliert die Bundesregierung das Risiko, dass die bergbaube-
dingten Rückstellungen nicht ausreichend sein könnten, um sämtliche Fol-
gekosten des Braunkohlebergbaus zu decken (bitte begründen)?

Drucksache 18/9887 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
6. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Risiken, die im Rahmen des
Kaufs bzw. des Eigentums in Wechselwirkung mit der finanziellen Absiche-
rung der Rekultivierungs- und Pensionsverpflichtungen entstehen könnten,
und wenn ja, in welcher Höhe (bitte begründen)?

7. Wie begründet die Bundesregierung die unterschiedliche Handhabung der
Sicherungspflichten für unterschiedliche Rückstellungen, z. B. Pensionen im
Vergleich zu bergbaubedingten Folgekosten, im selben Unternehmen?

8. Wer kommt nach Kenntnis der Bundesregierung für Sanierung und Renatu-
rierung auf, wenn ein Bergbauunternehmen in die Insolvenz geht?

9. Kann bei einer Insolvenz von Tochterunternehmen nach Kenntnis der Bun-
desregierung sichergestellt werden, dass der Mutterkonzern zur Verantwor-
tung gezogen wird, wenn ja, wie, und wenn nein, warum nicht?

10. Liegen der Bundesregierung Informationen oder Prognosen darüber vor,
welchen Einfluss Zinshöhe und Zinslaufzeiten auf das Anwachsen der Rück-
stellungen für bergbaubedingte Folgekosten haben werden?

11. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, ob bergbautrei-
bende Unternehmen in der Braunkohlenwirtschaft angesichts ihrer heutigen
wirtschaftlichen Situation und der Ertragserwartungen auf dem Strom-Ter-
minmarkt bereits durch die rückstellungsbedingte Reduzierung der Eigenka-
pitalquote in den nächsten Jahren in bedrohliche Situationen geraten könn-
ten?

12. Erwägt die Bundesregierung bei Gefährdung der bergbautreibenden Unter-
nehmen durch weiter wachsende Rückstellungen für bergbaubedingte Folge-
kosten auch Veränderungen oder Deckelungen bei Verpflichtungen zur Wie-
dernutzbarmachung gemäß Bundesberggesetz?

13. Zieht die Bundesregierung in Betracht, eine Änderung des Bundesberggeset-
zes einzubringen, um aus der „Kann“-Bestimmung in § 56 BBergG eine
„Muss“-Bestimmung zu machen, und wenn nein, warum nicht?

14. Zieht die Bundesregierung in Erwägung, ein unabhängiges Gutachten zur
Überprüfung der Folgekostenschätzung und Rückstellungsberechnung im
Bereich Braunkohle zu beauftragen, ähnlich wie bei der Atomkraft, und
wenn nein, warum nicht?

15. Hält die Bundesregierung Rückstellungen für ein geeignetes Instrument, um
die finanziellen Mittel zur Wiedernutzbarmachung der Braunkohleregionen
langfristig zu sichern, angesichts der Langfristigkeit mancher Maßnahmen
zur Wiedernutzbarmachung und der absehbar schwierigen Erlössituation
(niedrige Strompreise, abnehmende Marktanteile) der Braunkohlekraftwerke
in den nächsten Jahren und Jahrzehnten (bitte begründen)?

16. Erwägt die Bundesregierung die Einführung eines Nachhaftungsgesetzes für
Braunkohle, um die Haftung der Mutterkonzerne bzw. anderer Konzernteile
auch für den Fall zu sichern, dass das betreibende Tochterunternehmen in
Insolvenz geht, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gekündigt
werden oder die Konzerne umstrukturiert werden (analog zum Rückbau- und
Entsorgungskostennachhaftungsgesetz)?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9887

17. Zieht die Bundesregierung eine externe, d. h. außerhalb des Rechnungswe-

sens der Betreiber, Sicherung der finanziellen Mittel für die Wiedernutzbar-
machung der Braunkohlegebiete in Betracht, z. B. in einem öffentlich-recht-
lichen Fonds oder einer Stiftung, wenn ja, bitte genauer darlegen, und wenn
nein, warum nicht?

Berlin, den 28. September 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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